Neues strategisches Konzept Die NATO hat keine andere Wahl
Die NATO zeige sich bei ihrem Treffen in Madrid demonstrativ ent- und geschlossen. Dass das Bündnis Moskau nun die eigene militärische Stärke entgegenhalte, sei angesichts der russischen Drohungen alternativlos.
Das ist ein bemerkenswerter Gipfel, man kann es schon nach diesem ersten Tag nicht anders sagen. Die NATO zeigt sich demonstrativ ent- und geschlossen - und sie trifft in einem atemberaubenden Tempo wegweisende Entscheidungen, mit denen noch vor ein paar Monaten keiner gerechnet hätte.
Aber, auch wenn das keine neue Erkenntnis ist: Der russische Überfall auf die Ukraine hat nun mal alles verändert. Die Lage ist außerordentlich ernst und Russland eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des gesamten Westens. Anders lassen sich die jüngsten Drohungen aus Moskau nicht interpretieren.
Existenzrecht Litauens in Frage gestellt
Denn gerade erst haben Vertreter des Putin-Regimes die Grenzen und damit das Existenzrecht des EU- und NATO-Mitglieds Litauen offen in Frage gestellt. Die baltischen Nachbarn Estland und Lettland haben genauso Anlass zu größter Sorge, Polen, Tschechien oder die Slowakei ebenfalls. Insofern ist es vollkommen richtig und - pardon - alternativlos, dass die NATO dem Aggressor aus dem Osten die eigene militärische Stärke entgegenhält.
Mehr Vorwärtsverteidigung, mehr Abschreckung, mehr Kampftruppen, mehr schnelle Einsatzkräfte (auch wenn heute noch niemand weiß, wo die angekündigten 300.000 Männer und Frauen herkommen sollen) - die NATO hat buchstäblich keine andere Wahl. Selbst wenn es martialisch klingt: Das westliche Verteidigungsbündnis muss auf den brutalen Angriffskrieg in seiner unmittelbaren Nachbarschaft reagieren, auch mittel- und langfristig, um noch Schlimmeres als das, was sich gerade an Tod, Gewalt und Leid in der Ukraine abspielt, anderswo zu verhindern.
Gerade noch rechtzeitig Einigung mit Türkei
Das neue strategische Konzept mit seinem realistischen Blick auf die russische Bedrohung ist dafür eine solide Grundlage. Das gilt auch für die anstehende Norderweiterung. Gerade noch rechtzeitig hat die Türkei für Schweden und Finnland den Weg in die NATO freigemacht. Eine Blockade wäre angesichts der akuten Un-Sicherheitslage nun auch wirklich nicht mehr vermittelbar gewesen.
Beide Länder brauchen den Schutz der Allianz, und zwar schnell, Russland hat ihnen schließlich schon indirekt mit Atomwaffen gedroht. Außerdem werden Schweden und Finnland mit ihren speziellen militärischen Fähigkeiten die NATO insgesamt stärken und der europäischen Achse im Bündnis mehr politisches Gewicht verleihen.
Das Treffen von Madrid bekräftigt also, was sich längst schon abgezeichnet hat. Russland wollte weniger NATO in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, bekommt aber das genaue Gegenteil. Und der Verantwortliche dafür sitzt nicht in Brüssel, sondern im Kreml.