Debatte um Kampfjets Scholz hat weitgehend recht
Die Kampfjetdebatte wird weitergehen - aber ohne den Kanzler. Er liegt auch damit richtig. Debattieren darf weitere Waffenlieferungen jede und jeder - die Verantwortung liegt aber eben nur bei Scholz.
Jetzt also wird über Kampfjets geredet. Nur der Kanzler redet nicht darüber. Die Frage stelle sich doch gar nicht, sagt er. Dieser Satz sagt eigentlich alles über einen Bundeskanzler, der öffentlich selbst entscheiden will, wann sich welche Frage für ihn stellt. Und Olaf Scholz hat weitgehend recht.
Es gehört zum Instrumentenkasten derer, die politische Macht erhalten haben, sich gewisse Entscheidungen offenzuhalten. Wer bitte möchte einen Kanzler, der sich beim Abwägen und Zweifeln öffentlich zuhören lässt? Wer erwartet im Ernst, dass Olaf Scholz das strategische Ziel der Ukraine-Hilfe bis ins Letzte durchdekliniert? Soll er einen Sieg der Ukraine definieren? Soll er Putin preisgeben, ob Kampfjets die rote Linie sind? Berechenbarkeit bemisst sich nicht an Geschwätzigkeit. Und Schweigen ist kein Beweis für Zaudern.
Er wird es wohl still ertragen, dass Kritiker nach seiner mühsamen Panzerentscheidung jetzt sagen, er habe sich keine Freunde in Washington gemacht. Aber das muss er auch nicht. Die hat er schon. Und dass ein deutscher Bundeskanzler, der weiß, was sein Land kann und was eben nicht, auch mit Druck darauf pochte, die USA an deutscher Seite zu haben, ist beruhigend.
Scholz muss Ängste der Menschen ernst nehmen
Auch das stärkste Land in Europa ist weiter auf atomaren US-amerikanischen Schutz angewiesen. Auch wenn daran zu denken Angst macht. Stichwort Angst - auch das eine Ebene, der ein Bundeskanzler nachspüren muss, weil er einen Amtseid abgelegt hat: Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Wem das zu pathetisch ist: Ein Kanzler muss ernst nehmen, wenn die Deutschen auch beim Thema Kampfjets Krieg fürchten.
Dass dieser Olaf Scholz sich gern im Stillen vorbereitet und erst am Ende einer Entscheidung sagt, was andere wochenlang fordern, gehört möglicherweise zu den Schwächen eines Politikers, der als Jurist und Hanseat doppelt wortkarg daherkommt. Seine Kommunikation reduziert sich seit Monaten auf einen Dreisatz: keine Kriegspartei zu werden, keine Alleingänge zu wagen, keine Schwächung der eigenen Sicherheit zu verantworten.
Die "New York Times" hatte Scholz mal als den "wahrscheinlich langweiligsten Deutschen" bezeichnet. In Zeiten von Krieg und Frieden ist das eher ein beruhigender Ehrentitel.
Scholz lässt viel Raum für Interpretation
Dass sein wochenlanges Abwägen anderen auch die mediale Grauzone und Bühne der Interpretation überlässt, ist vielleicht der Fehler eines Kanzlers, der Kampfpanzerlieferungen - die übrigens keine Fußnote deutscher Geschichte sind - eher beiläufig während einer Regierungsbefragung erläutert. Zehn Minuten Kanzleransprache an alle Deutschen oder eine Regierungserklärung wären sicher keine Zeitverschwendung gewesen. Da aber ist Scholz eben Scholz.
Wer mehr möchte, wird weiter bestens von Militärstrategen, Militärhistorikern sowie kundigen und oder lautstarken Parlamentarierinnen und Parlamentariern informiert. Auch in der durchstartenden Kampfjetdebatte.
Das schließt übrigens jeden Ukrainer ausdrücklich mit ein. Deutschland sollte die Rufe, Forderungen und Appelle aus der Ukraine als das nehmen, was sie sind: die durch Verzweiflung legitimierten Hilferufe eines Volkes, dessen Menschen leiden, sterben und nach Beistand suchen.
Die Kampfjetdebatte also ist da. Und sie wird weitergehen. Der Kanzler wird sie kopfschüttelnd verfolgen. Sie befeuern wird er ebenso wenig, wie er sie verhindern kann. Alle haben glücklicherweise das Recht, eine Meinung dazu zu haben.
Aber nur einer hat am Ende die verdammte Pflicht, auch entscheiden zu müssen. Und das macht einen großen Unterschied.