Bidens Abschiedsbesuch Schöne Worte reichen nicht
Der Besuch von US-Präsident Biden war vor allem von einem Wort geprägt: Danke. Es dominierte das Schwelgen in dem gemeinsam Erreichten. Was fehlte, war der Blick nach vorn.
Heute ging es um schöne Bilder, um Orden. Ein Tag der Gesten und Zeit, auch mal gerührt zu sein. Aber das ist auf Dauer zu wenig.
Ein Blick zurück und Dankbarkeit für all das, was war. Ja, das muss auch mal sein. Der Bundespräsident hat gute Worte gefunden, als er den Anstand von Joe Biden lobte. In der Tat ein altmodisches Wort. Genau dieser Anstand fehlt so oft. Das fällt besonders auf im Vergleich zu Bidens Vorgänger und möglichem Nachfolger: Donald Trump.
Auch im Kanzleramt fällt sehr oft das Wort "Danke". Der Bundeskanzler wurde von Biden mit Lob geradezu überschüttet. Deutschland - der engste Verbündete der USA, das sind wirklich große Worte. Das alles hat dem Kanzler sichtlich gefallen.
Nachfragen nicht erlaubt
Der US-Präsident hat übrigens auch nochmal klargemacht, dass Deutschland doch bitte dabei bleibt, weiter zwei Prozent für Verteidigung auszugeben. Aber wie soll das gelingen?
Oder was antworten die beiden dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der fordert, dass sein Land schnell in die NATO aufgenommen wird? Nachfragen waren nicht erlaubt. Alles wurde abgelesen, war vorher aufgeschrieben. Wenn die Freundschaft wirklich so groß und stabil ist, hätte es das nicht gebraucht.
Flucht in den Vergangenheit wird nicht lange halten
So blieb es bei schönen Worten und einer Flucht in die Vergangenheit. Das wird nicht lange halten. Denn Biden ist nur noch wenige Monate Präsident. Und egal, wer ihm folgt, es kommen andere Zeiten. Genauer gesagt: Diese Zeiten haben doch längst begonnen. Der Autokrat in Moskau hat schließlich schon vor zweieinhalb Jahren sein Nachbarland überfallen.
Dank Biden war es so einfach, hier in Europa ein stückweit die Decke über den Kopf zu ziehen. Die Realitäten verdrängen, nicht sehen wollen oder müssen, was passiert. Dass vor unserer Haustür dieser Krieg tobt und wir selbst viel mehr Verantwortung übernehmen müssen. Was heißt das: Im Ernstfall müssen wir uns verteidigen können. Das kostet sehr viel Geld und das verändert unser Land. Stichwort: kriegstüchtig werden. Das wollen viele nicht hören, aber das ist die Realität. Verständlich, wenn in Washington mehr von uns erwartet wird.
Frieden ist leider nicht mehr selbstverständlich. Ja, heute war mal ein Tag für große Worte und Dankbarkeit. Aber auch einer, der klarmacht: Wir selbst müssen mehr tun. Egal, wer bald ins Weiße Haus einzieht.
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