Corona-Bonds Deutschland muss Blockade lösen
Für die EU geht es in der Corona-Krise - wenn es schlecht läuft - ums Überleben. Deswegen muss Deutschland seinen Widerstand gegen die Corona-Bonds aufgeben. Auch aus Eigeninteresse.
Die EU weiß, wie es sich anfühlt, in den Abgrund zu starren: Während der Finanz- und der griechischen Schuldenkrise drohte der Euro zu scheitern, was unweigerlich eine Implosion der gesamten Union zur Folge gehabt hätte. Ließ sich das damals gerade noch abwenden, droht nun das Coronavirus die EU endgültig zur Strecke zu bringen - wenn Deutschland nicht aufpasst. Bewegt sich die Bundesregierung nicht bei den Corona-Bonds, könnte dem Blick in den Abgrund diesmal der Absturz folgen.
Sonderlich Pluspunkte gesammelt hat die Europäische Union in dieser Krise bislang nicht. Schnell handelten dagegen die Nationalstaaten: Mit Grenzschließungen, mit Milliarden-Rettungspaketen, mit Kontaktsperren. Nun zieht Europa zwar nach - hütet die EU-Außengrenze, lockert Schuldenregeln. Doch wenn die EU nicht schnell den Eindruck widerlegen kann, dass in erster Linie die Einzelstaaten die Bürgerinnen und Bürger schützen, wird es für sie brenzlig.
Angst vor gemeinschaftlichen Schulden
Ein Mittel wäre, jetzt zu beweisen, dass die EU alle Staaten wirtschaftlich sicher durch diese Krise steuern kann. Dafür aber muss Deutschland seine zwar nicht vorsintflutliche, aber doch aus Vor-Corona-Zeiten stammende Betonhaltung zu europäischen Staatsanleihen aufgeben. Dass Außenminister Heiko Maas und Finanzminister Olaf Scholz jetzt in ihrem - an Staaten wie Italien, Spanien, Frankreich - gerichteten offenen Brief diese Corona-Bonds mit keiner Silbe erwähnen, aber trotzdem das Hohelied der europäischen Solidarität singen, ist mindestens arrogant, wenn nicht grob fahrlässig.
Die Deutschen scheuen traditionell gemeinschaftliche Schulden, weil dann bei den EU-Freunden der Anreiz wegfalle, beim Haushalten auf die schlanke Linie zu achten. Doch hier geht es nicht darum, andere Staaten zu disziplinieren. Hier geht es darum, EU-Schwergewichte wie Italien oder Spanien vor dem - übrigens nicht selbst verschuldeten - finanziellen Untergang zu bewahren.
Frankreichs Vorschlag annehmen
Die Südeuropäer müssen in die Lage versetzt werden, sich am Kapitalmarkt halbwegs günstig Geld borgen zu können. Corona-Bonds würden das ermöglichen. Nimmt man jetzt aber allenfalls ein paar kosmetische Korrekturen vor und flankiert sie mit ein paar wohlklingenden, solidarischen Worten, durchschauen und bestrafen die Märkte dieses finanzielle "Make-Up" sofort und brutal.
Die Deutschen sollten zumindest auf den französischen Kompromiss-Vorschlag eingehen, der auf fünf oder zehn Jahre begrenzte gemeinsame, europäische Schulden ermöglicht. Nun ist es der französische Präsident Emmanuel Macron leider gewohnt, dass ihn die Bundesregierung regelmäßig im Regen stehen lässt - Stichwort Eurozonen-Reform oder Verteidigungspolitik.
Doch diesmal geht es um mehr als eine kalte Dusche für das wichtigste Nachbarland. Diesmal geht es, wenn es schlecht läuft, um Überleben oder Untergang der ganzen EU: Reißt es Italien oder Spanien wirtschaftlich in den Abgrund, reißen sie Gesamteuropa gleich mit. Und damit auch Deutschland, das von diesem Europa so sehr profitiert wie niemand sonst. Die Bundesregierung kann jetzt den Beweis antreten, dass die EU wirklich eine Gemeinschaft ist, die schützt. Im Interesse Italiens, Spaniens - und dem eigenen.
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