EU zu "Chatkontrolle" Kinderschutz? Erst mal vertagt
Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist eines der abscheulichsten Verbrechen. Dennoch blockiert Deutschland in der EU ein Verfahren, um dagegen vorzugehen. Privatsphäre ist offenbar wichtiger als Kinderschutz.
In dieser schon mehr als zwei Jahre währenden Debatte, was nun recht und geeignet ist, um eines der schrecklichsten Verbrechen einzudämmen - rohe, sexuelle Gewalt schon an Babys -, in dieser Debatte gibt es bisher einen klaren Sieger: das Lager aus Bürgerrechtsorganisationen, Datenschutz-Lobby, "freies Netz für freie Bürger"-Vertretern und vielen mehr. Wohl gemerkt in Deutschland.
Kampfbegriff "Chatkontrolle"
Mit dem bisschen Abstand - und sei es nur aus der Halbdistanz Brüssel - lässt sich sagen: Nirgendwo wird so erregt über drohende Eingriffe in die Privatsphäre diskutiert wie in der Bundesrepublik. Zu dem Preis jedoch, dass die eigentliche Frage nach dem Kinderschutz beinahe verschwindet. Während sich zuletzt in Deutschland die Zahl der gefundenen Missbrauchsbilder verzehnfacht hat.
Es geht schon los mit dem Begriff "Chatkontrolle" - die Piratenpartei sagt: Sie hat ihn erfunden. Ein gelungener Kampfbegriff für ihre politischen Ziele. Fair enough. Gedanken an Big-Brother-Szenarien und ein neugieriges, schmieriges Mitlesen im Familien-Chat sind hierbei scheinbar erwünscht.
Neutraler beschrieben wäre es aber so: In einem automatisierten Verfahren würden Bilder mittels einer Software gescannt.
Kinderschänder-Ringe aufdecken? Nur mit US-Behörden
Die Gegner sagen aber: Es gehe um die Verteidigung des Briefgeheimnisses. Aus meiner Sicht hinkt der Vergleich: Über die Plattformen von Meta, Google und Co. ist es bekanntlich möglich, in Sekundenschnelle Bilder und Videos missbrauchter Kinder um die Welt zu schicken, zu vervielfältigen und ewig aufrufbar zu machen.
Natürlich will das explizit auch niemand derer, die fest auf der Seite des puren Datenschutzes stehen. Und alle freuen sich über die vergangenen großen Fahndungserfolge gegen Kinderschänder-Ringe, in Bergisch Gladbach etwa oder auf einem Campingplatz von Lügde - möglich dank der Daten amerikanischer und kanadischer Behörden. In der EU wäre das wohl nicht möglich gewesen.
Deutschland verhindert Abstimmung
Und das bleibt erst mal so. Deutschland ist es nun wieder gelungen - gemeinsam mit ein paar anderen Ländern -, eine Sperrminorität in der EU aufrechtzuerhalten, damit der aktuelle Gesetzestext festhängt. Vertagt auf unbestimmte Zeit.
Bleibt zu hoffen, dass die Zeit genutzt wird, um auf den Kern des Themas zurückzukommen, der Ausgangspunkt für den EU-Gesetzesvorschlag war: Was tun wir gegen diese furchtbare Seuche? Gegen eines der schlimmsten Verbrechen, das natürlich klar auch damit verbunden ist, dass die entstandenen Kinderbilder in der EU viel zu einfach verbreitet und zu Geld gemacht werden können?
Die Frage also: Welchen Preis, welche Einschränkungen sind wir im Netz bereit, in Kauf zu nehmen, damit das aufhört?