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Krieg gegen die Ukraine Deutsche Maschinen für Russlands Militär

Stand: 10.10.2024 05:01 Uhr

Trotz Sanktionen gelangen deutsche Industriegüter weiter nach Russland. Nach SWR-Recherchen wurden 2023 mehr als 300 Maschinen geliefert, die für die Herstellung von Fahrzeugteilen oder Munition genutzt werden können - oft über die Türkei.

Von Nick Schader, SWR

Im Krieg gegen die Ukraine ist Russland auf einen ständigen Nachschub von Rüstungsgütern angewiesen. Präsident Wladimir Putin hat deshalb große Teile der Industrie auf Kriegswirtschaft umgestellt: Alle verfügbaren Unternehmen müssen Militärgeräte, Munition oder Ersatzteile herstellen.

Da Importe von Gütern, die militärisch genutzt werden können, aufgrund der Sanktionen verboten sind, versucht Russland, möglichst viel im eigenen Land zu produzieren. Die Produkte von deutschen Maschinenbauern spielen dabei nach SWR-Recherchen eine wichtige Rolle.

Russland importiert deutsche Maschinen

Laut russischen Zollunterlagen, die dem SWR vorliegen, gab es bis Ende Dezember 2023 mehr als 300 Lieferungen deutscher Hersteller nach Russland. Bei den meisten davon handelt es sich um große Industriemaschinen oder sogenannte CNC-Maschinen. Diese computergesteuerten Maschinen können vollautomatisch zum Beispiel Stahl schneiden, Bleche biegen oder Metallteile verschweißen. Die Herstellung von Fahrzeug- oder Flugzeugteilen oder Munition ist ohne solche Maschinen fast undenkbar.

Olena Yurchenko vom Economic Security Council of Ukraine recherchiert schon lange zu diesem Thema und warnt, dass 80 Prozent der CNC-Maschinen in Russland heute in der Militärproduktion eingesetzt werden: "Mit computergestützten CNC-Maschinen können sie viel schneller und präziser produzieren, was gerade im Waffenbereich äußerst wichtig ist. Dadurch können sie letztendlich noch tödlichere Waffen herstellen. Und Deutschland ist Marktführer bei der Produktion dieser Maschinen mit einem Anteil von bis zu 30 Prozent in Russland."

Zulieferer fürs russische Militär

Deutsche Maschinen kommen bei Militärzulieferern großflächig zum Einsatz, das konnte der SWR durch Video- und Fotoaufnahmen nachweisen. Die russischen Unternehmen Parsek, Kamaz, NIR oder Industrial Solutions beliefern das russische Militär mit Motoren und Teilen für Flugzeuge und Raketen. In all diesen Unternehmen werden deutsche Maschinen genutzt. Laut den Zollunterlagen fanden bis Ende 2023 weitere Lieferungen dorthin statt.

Der SWR konnte mehr als 30 deutsche Hersteller identifizieren, deren Maschinen im vergangenen Jahr nach Russland importiert wurden, viele von Ihnen mit Sitz in Baden-Württemberg, einem Traditionsstandort für Maschinenbau. In rund zwei Drittel der Fälle wurden die Maschinen über die Türkei nach Russland importiert. Die involvierten türkischen Zwischenhändler haben nach SWR-Recherchen zum Teil direkte Verbindungen nach Russland, manche wurden sogar von russischen Unternehmern gegründet.

Lukrativ für alle Beteiligten

Sanktionsexperte Benjamin Hilgenstock von der Kyiv School of Economics fordert bessere Kontrollen bei diesen Maschinen: "Sanktionsumgehung ist enorm lukrativ. Es wird sich meistens jemand in einem Drittland finden, der sich dafür hergibt und dafür fürstlich entlohnen lässt."

Man könne jedoch das Ausmaß der Sanktionsumgehung dramatisch unterbinden, so Hilgenstock: "Letztlich müssen wir an den Punkt gelangen, dass die Behörden ganz klarstellen, das Exportkontrollen durchgesetzt werden müssen, dass es für die Glaubwürdigkeit des Sanktionsregimes entscheidend ist, dass die Privatwirtschaft hier mitwirkt."

Hersteller beschuldigen Zwischenhändler

Ein Sanktionsverstoß würde vorliegen, sofern den deutschen Herstellern bekannt wäre, dass diese Maschinen zum Beispiel über die Türkei weiter nach Russland geliefert werden sollen. Auf SWR-Anfrage teilten die deutschen Maschinenbauer mit, dass sie sich stets an die Sanktionsvorschriften halten würden. Sie könnten sich nicht erklären, wie ihre Maschinen nach Russland gelangt seien - offenbar hätten die türkischen Händler gegen Auflagen verstoßen, ohne Wissen der deutschen Produzenten. Überprüfen lassen sich diese Aussagen nicht.

Die ukrainische Sanktionsexpertin Olena Yurchenko sieht die EU in der Pflicht: "Wir brauchen ganz dringend den politischen Willen auf europäischer Ebene, die Sanktionsbestimmungen zu verschärfen - zum Beispiel, wenn es um Russland-Geschäfte von Tochterfirmen europäischer Unternehmen geht. Wir müssen die Sanktionen so verschärfen, wie im Bankensektor, das würde helfen."

Firmen aus dem Südwesten im Fokus

Die Firma Walter Maschinenbau aus Tübingen wird mit elf Lieferungen in den russischen Zolllisten im Jahr 2023 aufgeführt. Diese Lieferungen finden nach SWR-Recherchen möglicherweise bis heute statt. Bei einem russischen Großhändler steht aktuell eine fabrikneue Industriemaschine der Firma Walter mit dem Baujahr 2024 zum Verkauf.

Zudem kommen Walter-Maschinen in großer Stückzahl beim russischen Unternehmen NIR JSC zum Einsatz. Das Unternehmen beliefert laut ukrainischen Sicherheitsbehörden das russische Militär mit Flugzeug- und Raketenmotoren. Die Firma Walter ließ mehrere Anfragen des SWR unbeantwortet.

Russische Website mit Ansprechpartnern

Das Maschinenbau-Unternehmen Vollmer aus Biberach hat aktuell einen aktiven russischen Internetauftritt samt Ansprechpartnern für Service und Wartung. Laut den Zollunterlagen wurden im vergangenen Jahr vier große, jeweils mehrere Tonnen schwere Maschinen der Marke Vollmer nach Russland importiert. Fragen zu seinen Russland-Geschäften beantwortete das Unternehmen trotz mehrmaliger Anfrage nicht.

Von der Fein GmbH aus Schwäbisch-Gmünd gab es insgesamt sieben Lieferungen nach Russland, zudem ist der russische Internetauftritt samt Service und Shop weiterhin aktiv. Konkrete Fragen des SWR beantwortete das Unternehmen nicht, teilte lediglich allgemein mit, "dass wir seitens der C. & E. Fein GmbH alle Maßnahmen ergreifen, um die Sanktionsvorschriften einzuhalten. Darüber hinaus bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir keine weiteren Angaben machen."

Maschinen des Herstellers Heller in einer russischen Fabrik

Maschinen der Firma Heller sind auf Videoaufnahmen bei mehreren russischen Unternehmen zu sehen.

"Made in Germany" ermöglicht Waffenproduktion

Maschinen der Firma Heller aus Nürtingen konnte der SWR auf Videoaufnahmen bei mehreren russischen Unternehmen nachweisen, die auch für das russische Militär arbeiten - darunter die Firmen Parsek und Kamaz. Beide Unternehmen sind in die russische Militärproduktion eingebunden.

Die Firma Heller teilte auf Anfrage mit, dass man sich an sämtliche Sanktionsbestimmungen halte und sich nicht erklären könne, auf welchem Weg im vergangenen Jahr Maschinen nach Russland geliefert wurden. Auch hier waren nach SWR-Recherchen türkische Zwischenhändler involviert.

Der SWR konnte weitere deutsche Maschinenhersteller identifizieren, deren Produkte von Militär-Zulieferern in Russland genutzt werden. Der Verband der deutschen Maschinenbauer teilte dazu mit: "Wir gehen davon aus, dass sich die Hersteller von Maschinen- und Anlagen grundsätzlich an Sanktionsregelungen und Gesetze halten. Unternehmen oder Zwischenhändler, die sich nicht an die für sie geltende Rechtslage halten, machen sich strafbar. Einen Lieferstopp in die Türkei lehnen wir ab."

Experte sieht Firmen in der Pflicht

Sanktionsexperte Hilgenstock von der Kyiv School of Economics vermutet, dass die deutschen Firmen nicht immer wüssten, dass ihre Produkte nach Russland gelangen. "Aber sie könnten es durchaus sicherstellen, wenn sie es versuchen würden."

Hilgenstock fordert daher, die Kontrollpflichten für Unternehmen zu verschärfen, denn es würde "einen erheblichen Unterschied machen, wenn eine Firma weiß, dass sie eventuell in rechtliche Probleme gerät und dann auch mit finanziellen Strafen konfrontiert ist, wenn sie bestimmte Schritte in der internen Kontrolle ihrer Lieferketten nicht unternimmt."