Studie zu Waffeneinsatz Deutsche Motoren in russischen Drohnen
Seit drei Jahren untersuchen Experten Waffen, die in der Ostukraine eingesetzt werden. Dabei fanden sie Motoren aus deutscher Produktion in russischen Drohnen, die auch in EU-Staaten geflogen waren.
Vor wenigen Tagen hat ein Video aus der Ostukraine für internationale Aufmerksamkeit gesorgt: Die ukrainischen Streitkräfte setzten nach eigenen Angaben erstmals eine Kampfdrohne ein, und zwar gegen eine Batterie Haubitzen im Separatistengebiet. Die Bundesregierung äußerte sich besorgt, dass beide Seiten in dem seit 2014 andauernden Krieg Drohnen verwendeten. Dies sei allein der Beobachtermission der OSZE vorbehalten.
In der Tat nutzen die von Russland unterstützten Separatisten seit langem Drohnen. Die Rechercheorganisation "Conflict Armament Research" (CAR) untersuchte in einer drei Jahre währenden Recherche in der Ostukraine sechs verschiedene Modelle russischer Militärdrohnen sowie ein nicht-militärisches Modell. Sie waren im Konfliktgebiet sichergestellt worden. Finanziell unterstützt wurde die Arbeit von der EU und dem Auswärtigen Amt in Berlin. Die Organisation mit etwa 50 Mitarbeitern hat Büros in London und Brüssel.
In einem soeben erschienenen Bericht zum Waffeneinsatz im Konfliktgebiet beschreibt das Team von CAR anhand umfangreicher Details und Fotos, was es bei der Nachverfolgung der Herkunft der verwendeten Bauteile herausgefunden hat. Denn wenn die Drohnen auch in Russland zusammengesetzt wurden, stammen Komponenten wie Kameras und Triebwerke häufig aus anderen Ländern, darunter aus Deutschland. Das trifft auf eine Aufklärungsdrohne zu, die mit der Nummer 2166 gekennzeichnet war. Ukrainische Streitkräfte schossen ein solches Modell im Februar 2017 ab.
Motoren aus Hessen
CAR-Experten fanden einen Einzylindermotor 3W-55i, hergestellt von der deutschen Firma 3W-Modellmotoren Weinhold GmbH mit Sitz im hessischen Hanau. Auf einen Fragenkatalog von CAR teilte das Unternehmen mit, es habe das Teil im Oktober 2013 an die World Logistics Group in Tschechien geschickt.
Diese Firma wiederum reagierte nicht auf Anfragen von CAR. Dem Unternehmensregister des Justizministeriums in Prag zufolge wurde sie 2018 liquidiert. Die drei Geschäftsführer seien russische Staatsbürger gewesen, einer habe Verbindungen zu Sicherheitsorganen in Russland gehabt, heißt es im Bericht von CAR. Dies sei allerdings kein Beweis dafür, dass die World Logistics Group im Auftrag des russischen Staates gehandelt habe.
Die Rückverfolgung von Komponenten russischer UAVs habe jedoch gezeigt, dass unabhängige russische Elektronik- und Komponentenhändler im Auftrag russischer Verteidigungs- und Sicherheitsbehörden ausländische Technologien erwerben. Auf Anfragen von CAR antworteten die russischen Behörden bislang nicht.
Russische Auklärungsdrohne Nummer 2166, fotografiert von CAR-Mitarbeitern.
Im Einsatz über Polen und Litauen
Offenbar wurden solche Modelle der Aufklärungsdrohne nicht nur in der Ostukraine eingesetzt: Behörden in Litauen stellten im Jahr 2016 eine Drohne mit der Nummer 2207 sicher, wie in einem Bericht des Referats für Staatssicherheit in Vilnius von 2019 festgehalten ist. Sie sei in den litauischen Luftraum nahe Lettland und Belarus eingedrungen, flog nach Polen und stürzte im Nordosten Litauens ab, erfuhr CAR. Die Experten untersuchten die Drohne im Mai diesen Jahres und stellten fest, dass das Modell bis auf ein Bauteil mit Nummer 2166 übereinstimmt. Allerdings war die Seriennummer am Motor entfernt worden. Das könnte bedeuten, dass russische Drohnen mit Motoren aus deutscher Produktion zu Spionageflügen in der EU eingesetzt wurden.
Modellflugzeugmotoren aus Hanau gefragt
Modellflugzeugmotoren des Unternehmens in Hanau fand CAR auch anderswo, und zwar in einem Fluggerät, das Huthi-Rebellen in Jemen als Aufklärungs- und Kampfdrohne verwendeten. Ein Expertenteam der Vereinten Nationen konnte trotz abgeschliffener Seriennummer nachvollziehen, dass die Motoren über Griechenland in den Iran gelangt waren. Von dort aus gingen sie vermutlich an die Huthi-Rebellen in Jemen.
Auf Anfrage von CAR antwortete die 3W Professional GmbH im Juni 2021, dass sie 3W-55i-Motoren nach Belgien, Deutschland, Griechenland, Indonesien, Schweden, in die Niederlande und die USA geliefert hat.
GPS-Module nach Russland geliefert
Zudem waren deutsche Firmen CAR-Recherchen zufolge in die Lieferung eines GPS-Moduls der Schweizer Firma u-blox AG nach Russland beteiligt. Es habe sich in der bekannten russischen Drohne Orlan-10 gefunden. Es sei dem deutschen Elektronikhändler Microdis und dann an die Partnerfirma MicroEM geliefert worden, bei dem es sich um einen russischen Händler für Elektronikkomponenten handele. Zum Zeitpunkt der Ausfuhr im Jahr 2012 habe es für solche Güter keine Exportbeschränkungen nach Russland gegeben.
Mangelnde Regelungen
CAR konstatiert, dass alle untersuchten Aufklärungsdrohnen aus Komponenten bestehen, die im zivilen Bereich eingesetzt werden oder sowohl für zivilen als auch militärischen Gebrauch geeignet sind - sogenannte Dual-Use-Güter. Die Organisation betont zudem, dass ihr keine Beweise vorlägen, dass die genannten Unternehmen für den Einsatz ihrer Bauteile für militärische Zwecke verantwortlich seien.
Es gebe jedoch in der EU zwei Faktoren, die die Nutzung von Bauteilen für russische Militärdrohnen erleichterten. Das sei erstens Uneinigkeit zwischen Regierungen und Industrie zu Genehmigungsanforderungen für Dual-Use-Bauteile. Zudem fehle es an einer ausreichenden Überprüfung der Unternehmen, an die Produkte geliefert werden, dies auch nach Einführung von Sanktionen gegen Russland aufgrund des Krieges in der Ostukraine.
Damien Spleeters, Vizeeinsatzleiter bei CAR, teilte tagesschau.de mit, er und seine Kollegen hätten bei ihren Recherchen nach Einführung der Sanktionen keine Veränderungen bei den Lieferketten festgestellt. "Wir glauben nicht, dass die Sanktionen Auswirkungen auf diese Lieferungen haben." Er halte es für wichtig, dass sich die Politik daran orientiere, was verwendet werde und wie es erworben werde. "Die Arbeit, die wir geleistet haben, sollten Industrie und Politik nutzen, um die Anforderungen an Sorgfältigkeitsprüfungen zu erhöhen."
Beim Krieg in der Ostukraine ergibt sich das Problem nicht allein für die russischen Militärdrohnen. Auch die Bayraktar-Drohnen aus türkischer Produktion, die die ukrainischen Streitkräfte nun einsetzen, enthielten ausländische Komponenten. Dazu zählten Bauteile aus Deutschland, Kanada und Österreich. Auf massiven öffentlichen Druck hin, versuchten die kanadische Regierung und der Mutterkonzern Bombardier des österreichischen Motorenherstellers ROTAX, dies zu unterbinden. Daraufhin kündigte die Ukraine an, die Motoren zu bauen.