Tatverdächtige Priester Versteckte die Kirche Missbrauchstäter im Ausland?
Ein Priester soll fünf Mädchen missbraucht haben. Statt die Tat aufzuklären, half ihm die Katholische Kirche, sich nach Südamerika abzusetzen - bis die Tat verjährt war. Kein Einzelfall, wie ARD-Recherchen zeigen.
"Josef der Deutsche" so nannten sie den Pfarrer, der aus Bayern nach Brasilien kam - nach Itumbiara, eine Stadt im Landesinneren. Die Bevölkerung: tief religiös. Für Nilva da Silva war es eine Ehre, Ende der 1970er-Jahre bis Anfang der 1980er-Jahre für Pfarrer Josef Ludwig Zottmann als Sekretärin zu arbeiten.
Doch was die Gläubigen von Itumbiara bis heute nicht wissen: Der deutsche Missionar war auf der Flucht. Wegen des dringenden Tatverdachts des sexuellen Missbrauchs an fünf Schulmädchen wurde gegen ihn 1969 Haftbefehl erlassen.
Hochrangige Kirchenvertreter in Deutschland und in Brasilien - darunter ein Abt und mehrere Bischöfe - waren damals über die Strafverfolgung informiert. Doch mit den Behörden kooperierten sie nicht. Dies belegen Briefe, die das ARD-Politikmagazin Report München und das ARD-Studio Rio de Janeiro exklusiv einsehen konnten. Erst als die Taten verjährt waren, kehrte Zottmann in den 1980er-Jahren wieder zurück nach Deutschland
Bistum finanzierte mutmaßlichen Missbrauchstäter verdeckt
Das Bistum Eichstätt finanzierte den Priester verdeckt, indem es sein Gehalt als "Missionsspende" tarnte. Über ein zwischen geschaltetes Kloster ließ der Eichstätter Generalvikar das Geld weiter ins Ausland transferieren. "Aufenthalt unbekannt" - hieß es gegenüber der Polizei.
Dies zeigen bisher unter Verschluss gehaltene Unterlagen aus dem Archiv des Bistums Eichstätt. Der frühere Polizist Peter Grimm arbeitet den Fall Zottmann derzeit für die Unabhängige Aufarbeitungskommission der Diözese auf. "Die Spur des Geldes spielte eine zentrale Rolle bei der Ermittlung: Auch nachdem eine Flucht vorlag und er im Ausland war, wurde ihm weiter Geld überwiesen", sagte Grimm.
Weiterer Priester nach Missbrauchsvorwürfen nach Bolivien entsandt
Report München liegen weitere Fälle von Priestern mit Missbrauchsgeschichte vor, die im Ausland unterkamen. Das Erzbistum Bamberg beispielsweise half dem Priester Dieter Scholz, gegen den zwei Jungen 1963 Missbrauchsvorwürfe erhoben hatten, in Bolivien als Missionar zu arbeiten. Nach fünf Jahren kehrte er aus Bolivien nach Deutschland zurück und wurde in Bayern als Gemeindepfarrer eingesetzt. Auch dort gab es Missbrauchsvorwürfe. Etwa von seinem ehemaligen Ministranten Martin Berger (Name von der Redaktion geändert).
Berger erhebt schwere Vorwürfe: Er sei in den 1970er-Jahren von diesem Priester mehrfach missbraucht worden. Dass das Erzbistum Bamberg Priester Scholz weiter wirken ließ, obwohl es bereits zu einem früheren Zeitpunkt über Missbrauchsvorwürfe gegen ihn informiert war, empört ihn: "Für mich ist das ein Freibrief und eine Lizenz für den Täter zum Weitermachen."
Das Erzbistum Bamberg schreibt auf Anfrage, warum das Erzbistum damals "Staatsanwaltschaft oder Polizei nicht eingeschaltet hat, ist für uns nicht nachvollziehbar." Inzwischen wurde eine wissenschaftliche Studie zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker der Erzdiözese in Auftrag gegeben.
Verschickung ins Ausland - keine Einzelfälle
Mehrere Fälle sind nach Angaben der dortigen Pressestelle auch aus dem Bistum Trier bekannt. Darunter ein Priester, gegen den es im Vorfeld eines Auslandsaufenthaltes in Deutschland ein Strafverfahren wegen sexuellem Missbrauch gegeben hatte. Er wurde noch Ende der 1990er-Jahre in Osteuropa eingesetzt.
Ein zweiter Priester arbeitete ab 1966 als Pfarrer in Südamerika, obwohl es auch in diesem Fall bereits in den 1960er-Jahren "deutliche Hinweise auf mögliche Missbrauchsfälle" in Deutschland gegeben habe, erklärt die Pressestelle des Bistums Trier auf Anfrage. Auch das Bistum Trier lässt solche Fälle aktuell von einer unabhängigen Aufarbeitungskommission prüfen.
Die Aufarbeitungsexpertin und Juristin Bettina Janssen stieß auf vergleichbare Fälle. Sie untersuchte Akten im Auftrag der katholischen Kirche - unter anderem für die Deutsche Bischofskonferenz. Ihr Fazit: "Man hat verschiedenste Möglichkeiten gefunden, um einen Priester verdeckt zu halten und die Verbindung zum Bistum zu verschleiern, zu vertuschen und um ihm finanzielle Hilfe zukommen zu lassen." Janssen stieß auf falsche Namen, Konten von Mittelsmännern und verdeckte Finanzströme. Die Opfer hätten dabei keine Rolle gespielt. Die Juristin und Mediatorin aus Köln spricht von "einer Form der Strafvereitelung".
Was sagen die Verantwortlichen der katholischen Kirche?
Im Interview mit Report München spricht der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke von einem "No-Go" und von Praktiken mit "kriminellem Anstrich": "Die Opfer haben unsägliches Leid erfahren, ihr Leben ist zerstört worden. Und da mit ansehen zu müssen, dass Täter geschützt wurden, das ist skandalös." Die Bistümer in Trier und Eichstätt und das Erzbistum Bamberg fordern mögliche Betroffene auf, sich zu melden.
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