Beteiligung an russischem Flughafen Kann Fraport doch aussteigen?
Trotz Hinweisen auf eine militärische Nutzung hält Fraport weiter Anteile am St. Petersburger Flughafen. Man könne nicht kündigen, so der Frankfurter Flughafenbetreiber. Recherchen von WDR und NDR zeigen jedoch mögliche Ausstiegsklauseln.
Als am 23. August die Maschine des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin kurz nach ihrem Start in der Gegend rund um Moskau abstürzte, löste das weltweite Spekulationen über den möglichen Tod des Söldnerchefs aus. Prigoschin und seine Entourage waren unterwegs zum St. Petersburger Flughafen Pulkowo, dem viertgrößten Airport des Landes.
An dessen Betreibergesellschaft ist der deutsche Flughafenkonzern Fraport noch immer indirekt mit 25 Prozent beteiligt - ebenso wie die russische Staatsbank VTB. Ein Politikum, das in Hessen die Opposition heftig kritisiert. Erst recht, seit NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (SZ) aufdeckten, dass auch Flugzeuge der Söldner-Truppe Wagner immer wieder in Pulkowo Station machten. Man könne nicht aus dem Vertrag aussteigen, hatte die hessische Landesregierung immer wieder beteuert, die zusammen mit der Stadt Frankfurt die Mehrheit der Fraport-Anteile hält.
Mögliche Ausstiegsklauseln
Doch im Ursprungsvertrag - ein Public Private Partnership Abkommen, das zwischen der Pulkowo-Betreibergesellschaft und den russischen Behörden bzw. der Stadt St. Petersburg 2010 geschlossen worden war - klingt das anders. WDR und NDR konnten ihn nun einsehen. Er enthält eine sogenannte "Force Majeure"-Klausel sowie eine "Illegalitätsklausel". Solche Klauseln sollen in Verträgen eine Möglichkeit schaffen, den Vertrag als teilweise nicht mehr bindend zu erachten, sollten unerwartete Ereignisse von höherer Gewalt eintreten.
Auf diese Klauseln beziehen sich auch fast alle weiteren Verträge, die Fraport als Miteigentümer abgesegnet oder selbst mit unterzeichnet hat - Kreditverträge, Pfändungsverträge und Garantien, die rund um die Finanzierung des Flughafenausbaus abgeschlossen wurden.
Frank Bernardi von der Anwaltskanzlei Rödl und Partner hält den Versuch eines Ausstiegs unter Umständen für vorstellbar: "Aus Force-Majeure-Gesichtspunkten ist es zwar schwierig, solche Verträge zu kündigen. Man könnte sich aber teilweise auf die Force-Majeure-Klauseln und die Illegalitäts-Klauseln stützen und damit argumentieren, dass es für den Konzern nicht zumutbar ist, den Anteil weiter zu halten und dadurch mittelbar Kriegshandlungen zu unterstützen." Ein einfacher Weg sei das natürlich nicht, es bleibe immer ein Restrisiko, dass der Konzern auf Schadenersatz verklagt werden könne.
"Jeder Vertrag ist kündbar"
Der Sanktionsexperte Viktor Winkler, Sachverständiger des Deutschen Bundestages zum Sanktionsdurchsetzungsgesetz, geht in seiner Einschätzung noch weiter: "Die Aussage, der Vertrag sei unkündbar, ist Unsinn. Jeder Vertrag ist kündbar, und sei es außerordentlich", so Winkler. Er argumentiert, wenn die Erfüllung der Verträge durch Fraport gegen Sanktionen verstößt, müsste Fraport sie ohnehin nicht erfüllen. "Die Verpflichtungen sind dadurch erloschen. Dieses Hin und Her kann man nicht mehr mit anschauen", so Winkler.
Fraport dagegen ist überzeugt, dass der Konzern nicht aus der Beteiligung aussteigen kann: Die Prüfung der Verträge, an die Fraport rechtlich gebunden sei, habe keine Vertragsklauseln ergeben, auf die eine vorzeitige Kündigung der Verträge durch Fraport erfolgreich gestützt werden könne, erklärte der Konzern auf Anfrage.
Ministerium: Militärische Nutzung nicht nachgewiesen
Im Haushaltsausschuss hatte auch Hessens Finanzminister Michael Boddenberg bestätigt, dass es eine Force-Majeur-Klausel in den Verträgen gäbe. Die könne man aber nur ziehen, wenn man infolge eines Force-Majeur-Ereignisses nicht mehr in der Lage sei, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Da Fraport nur indirekt beteiligt sei, könne man solch eine Kündigung nicht durchsetzen.
Auch stellte er im Haushaltsausschuss infrage, dass eine militärische Nutzung des Flughafens nachgewiesen sei. "Das Hessische Ministerium der Finanzen hat aus dem regelmäßigen Kontakt mit dem Auswärtigen Amt die Schlüsse gezogen, dass Beweise oder belastbare Belege für eine militärische Nutzung des Flughafens Pulkowo im Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht vorliegen."
Diese Äußerung überrascht angesichts der Tatsache, dass WDR, NDR und SZ bereits im Juli von mehreren Wagner-Maschinen und einem Langstreckenbomber bestückt mit Marschflugkörpern berichtet hatten, die Pulkowo genutzt hatten. Auch berichten Militärblogger von weiteren Militärmaschinen, die auf Pulkowo Station machen: Demnach soll beispielsweise eine Ilyushin IL-76MD der Russian Airforce am 16. Juli 2023 auf dem Flughafen Pulkowo gesichtet worden sein.
Kritik von der FDP
Für Marion Schardt-Sauer, Landtagsabgeordnete der FDP, ist das alles schwer nachzuvollziehen: "Wladimir Putin ist verantwortlich für den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine sowie den grausamen und anhaltenden Krieg, und es liegt ein Haftbefehl wegen schrecklicher Kriegsverbrechen gegen ihn vor. Wer überhaupt noch an irgendwelche Beziehungen und Geschäfte mit einem solchen Despoten denkt, schwächt den Kampf um die Freiheit der Ukraine und die Freiheit Europas."