Blood & Honour Rechtsextremes Netzwerk vor Gericht
Die Sicherheitsbehörden erhöhen den Ermittlungsdruck auf die gewaltbereite Neonazi-Szene in Deutschland. Ab dem Sommer steht eine zehnköpfige Gruppe vor Gericht.
Zehn Neonazis müssen sich ab Juni in München vor Gericht verantworten, weil sie das verbotene rechtsextreme Blood & Honour-Netzwerk im Untergrund fortgeführt haben sollen, wie ein Gerichtssprecher auf NDR-Anfrage bestätigte. Die Rechtsextremen sollen von 2016 bis 2018 eine Struktur der Blood & Honour Division Deutschland aufgebaut und Untergliederungen in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen geschaffen haben. Außerdem wird einzelnen Angeklagten Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zur Last gelegt. Blood & Honour war im Jahr 2000 vom Bundesinnenministerium verboten worden.
Der bekannteste Angeklagte ist der Neonazi Stanley R., dessen Wohnung im Rahmen der bundesweiten Razzia gegen Rechtsextreme am 6. April 2022 erneut durchsucht wurde. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen R. und 20 weitere Personen, weil sie eine andere verbotene Neonazi-Gruppe illegal weitergeführt haben sollen: Combat 18 Deutschland. Die 18 steht für die den ersten und achten Buchstaben des Alphabets und damit die Initialen von Adolf Hitler.
Beim Verbot von Combat 18 Deutschland Anfang 2020 durch das Innenministerium galt R. als deren führender Kopf. Combat 18 Deutschland und die Gruppenmitglieder "verherrlichen den Nationalsozialismus, verbreiten Rassenhass und Demokratiefeindlichkeit und propagieren den Antisemitismus", stellte das Bundesverwaltungsgericht fest. Der 1976 in Greifswald geborene Stanley R. ist seit Jahrzehnten in rechtsextremen Kreisen aktiv.
Bis zu fünf Jahre Haft möglich
Die 2. Strafkammer des Landgerichts München I wird ab Juni der Frage nachgehen, ob sich die Angeklagten mit ihren Aktivitäten für Blood & Honour strafbar gemacht haben. Zunächst setzte das Gericht bis Oktober 25 Verhandlungstage an. Angeklagt sind neben mutmaßlichen einfachen Mitgliedern des im Untergrund agierenden rechtsextremem Netzwerks auch der mutmaßliche Deutschland-Chef und die "Sektionsleiter" aus Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Ein Verstoß gegen das Vereinigungsverbot - also das Fortführen einer verbotenen Organisation - wird mit Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Für Rädelsführer sind bis zu fünf Jahren Haft möglich.
Die Ermittler schlugen im Dezember 2018 schlugen zu: Bei zeitgleichen Durchsuchungen wurden in Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen-Anhalt 15 Gebäude durchsucht. Gegen vier mutmaßliche Rädelsführer sowie den damaligen Combat-18-Deutschland-Kader Stanley R. erwirkte die Generalstaatsanwaltschaft zunächst Haftbefehle. Doch die Rechtsextremen kamen schnell wieder frei. Mit der Razzia vor Weihnachten 2018 verhinderten die Ermittler offenbar, dass eine CD mit Neonazi-Musik in Umlauf kommen konnte.
Volksverhetzendes Liedgut
Zunächst hatte die Generalstaatsanwaltschaft München im Januar 2021 elf Verdächtige angeklagt. Gegen einen der Beschuldigten wurde das Verfahren inzwischen gegen Auflagen eingestellt. "Mit dem Vertrieb und der Vermarktung der Marke Blood & Honour", so die Generalstaatsanwaltschaft, sollen die Angeklagten das Ziel verfolgt haben, "das rechtsextremistische Gedankengut und Weltbild dieser verbotenen Organisation zu verbreiten".
Dabei sollten Musik-CDs mit verbotenem Rechtsrock-Liedgut und Merchandising-Artikel mit verbotenen Neonazi-Symbolen in die Szene gebracht werden. Vier Angeklagten wird zudem vorgeworfen, einen CD-Sampler mit volksverhetzendem Liedgut produziert und nach Deutschland gebracht zu haben. Mutmaßlich durch seine guten internationalen Kontakte soll der Combat-18-Mann Stanley R. daran beteiligt gewesen sein.
Bei der Razzia 2018 hatten die Ermittler umfangreiche CD-Bestände beschlagnahmt - darunter war harter Rechtsrock. In einem englischsprachigen Song wird etwa zum Kampf gegen Juden aufgerufen. "Wir müssen zusammen kämpfen und die Parasiten töten", heißt es dort. In einem anderen Song wird der Holocaust geleugnet: "Doch durch die Sechs-Millionen-Lüge machen sich die Juden die Taschen noch mehr voll." Rund zwei Jahre werteten die Ermittler im Polizeipräsidium Niederbayern in Straubing die sichergestellten Daten aus. Die vierköpfige Ermittlungsgruppe musste sich unter anderem durch eine große Menge überwachter und sichergestellter Kommunikation arbeiten.
Nach NDR-Informationen kamen entscheidende Hinweise in dem Verfahren vom Verfassungsschutz. Die Verteidiger der Angeklagten wollten sich auf NDR-Anfrage nicht zu dem Verfahren äußern.