Nicht genügend Personal Kampf gegen Entwaldung droht zu scheitern
Eine neue EU-Richtlinie gilt als schärfstes Schwert im Kampf gegen die weltweite Entwaldung. Nun zeigen internationale Recherchen, dass eine Umsetzung scheitern könnte: aus Personalmangel.
Umweltschützer und Experten verknüpfen mit der neuen EU-Richtlinie große Hoffnungen. Sie kritisieren seit Jahren, dass die EU nur unzureichend gegen den Handel mit illegalem Holz und gegen die fortschreitende globale Entwaldung vorgehe. Die bisher gültige EU-Holzhandelsverordnung (EUTR) habe zu viele Schlupflöcher geboten, zudem seien die dort formulierten Strafen so gering, dass sich davon kein Unternehmen habe abschrecken lassen.
"Die EU ist mit ihrem Ziel, den Handel mit illegalem Holz zu stoppen, gescheitert," sagt Johannes Zahnen von der Nicht-Regierungsorganisation WWF. Die Folgen seien dramatisch, denn dies führe dazu, dass die Entwaldung weltweit voranschreite. "Dabei benötigen wir den Wald in der Klimakrise dringender denn je."
Hoffnung auf Zeitenwende enttäuscht
Doch diese Probleme sollten eigentlich schon bald der Vergangenheit angehören. Denn seit einem halben Jahr regelt eine neue, deutlich strengere EU-Richtlinie den internationalen Holzhandel. Die Verordnung zur Vermeidung der Entwaldung stellt nicht mehr und nicht weniger als eine umweltpolitische Zeitenwende dar: Künftig müssen die meisten europäischen Unternehmen, die Palmöl, Kautschuk, Holz, Kaffee und andere Rohstoffe importieren, nachweisen, dass die Produkte nicht zur Entwaldung beigetragen haben.
Das Gesetz sieht außerdem deutlich erhöhte Strafen bei Verstößen vor, die bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen können. Gleichzeitig haben die EU-Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die neue Richtlinie nicht nur eine theoretische Gefahr für die schwarzen Schafe der Branche darstellt.
Ab dem 1. Januar 2025 sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, deutlich mehr Kontrollen von Importen und den dahinterstehenden Unternehmen durchzuführen als bislang. Faktisch wird das Gesetz dazu führen, dass künftig zehnmal so viele Kontrollen stattfinden müssten, wie bisher. Und genau hier liegt das Problem.
In vielen Ländern zu wenig Personal für Kontrollen
Ein Team internationaler Medien, unter Leitung des Internationalen Consortiums Investigativer Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) zeigt, dass zahlreiche Mitgliedstaaten bisher deutlich zu wenig Personal eingeplant haben, um die Richtlinie wirklich umzusetzen.
Ein Beispiel: Auf Nachfrage von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) erklärte das deutsche Landwirtschaftsministerium, dass in Deutschland bislang etwa 250 Kontrollen von Unternehmen stattfinden würden. Ab dem kommenden Jahr sollen es dann 2.500 Kontrollen sein, wobei sich die Anzahl der Prüfungen "vermutlich noch erhöhen" werde.
Bisher sind in der zuständigen Behörde, der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), 16 Personen für Kontrollen zuständig. Künftig sollen nun 36 Stellen dazu kommen, heißt es vom Landwirtschaftsministerium.
Das sei viel zu wenig, kritisiert Johannes Zahnen. Um die notwendigen Kontrollen angemessen durchführen zu können, würden mindestens 160 neue Stellen benötigt, schätzt Zahnen. Auch Insider glauben, dass deutlich mehr, als die bislang bewilligten Stellen notwendig sind, wenn die Richtlinie nichts ins Leere laufen soll.
Massive Probleme absehbar
Deutschland ist dabei kein Einzelfall. Laut belgischer Umweltbehörde soll künftig ein zehnköpfiges Team die Kontrollen durchführen - ursprünglich hatte die Behörde selbst angegeben, sie benötige 22 neue Mitarbeiter. Die Niederlande sind einer der größten Importeure von Holzprodukten, Palmöl und anderen Gütern, bei denen die Gefahr besteht, dass sie mit der Abholzung von Wäldern in Zusammenhang stehen.Hier sollen lediglich sieben Personen die Einhaltung der neuen Richtlinie überwachen.
In Österreich gibt das Bundesamt für Wald zwar an, dass man von einer "Vervielfachung der behördlichen Kontrolltätigkeit" ausgehe, bislang hat die Behörde aber noch nicht einmal ermittelt, wie viele Stellen hierfür notwendig sind. Und aus Rumänien heißt es lapidar, man hab derzeit nicht genug Personal zur Verfügung, um das neue Gesetz umzusetzen. Rumänien gilt als das EU-Land, das selbst am stärksten von illegalem Holzeinschlag betroffen ist. Die zuständigen Behörden in Italien und in Frankreich ließen die Presseanfragen unbeantwortet.
Abgeordneter fordert mehr Mittel
WWF-Mann Zahnen befürchtet, dass die EUDR, die eigentlich als ein großer Wurf geplant war, zum Scheitern verurteilt sein könnte. Kritik kommt dabei auch aus Brüssel. Thomas Waitz sitzt für die Grünen im Europaparlament und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Illegalen Holzhandel.
Angesichts der Recherche-Ergebnisse fordert auch Waitz die Mitgliedstaaten dazu auf, auch personell sicherzustellen, dass die neue Richtlinie auch umgesetzt werden kann. "Was hilft es uns, wenn wir in Europa, in der gesamten Gesellschaft große Anstrengungen machen, um dem Klimawandel und der Klimakrise etwas entgegenzusetzen? Wenn dann an anderer Stelle für unsere Konsumgüter großflächig Wälder abgeholzt werden? Dann haben wir genau gar nichts gewonnen", so Waitz im Interview mit NDR, WDR und SZ. Zudem sei davon auszugehen, dass die künftigen staatlichen Einnahmen durch Strafen die neuen Personalkosten deutlich übersteigen werden.
Die EU-Kommission ließ Fragen zu den Rechercheergebnissen unbeantwortet, verwies bislang aber stets darauf, dass die Mitgliedsstaaten für die Umsetzung beschlossener Richtlinien verantwortlich seien.
Zu den 39 an den Recherchen beteiligten Medien gehören in Deutschland NDR, WDR, "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel". International waren unter anderen CBC in Kanada, der ORF in Österreich, "Le Monde" und "Radio France" in Frankreich sowie "The Indian Express" in Indien involviert.
Das Projekt konzentriert sich auf die weltweit fortschreitende Entwaldung und fokussiert unter anderem auf den fragwürdigen Handel mit Nachhaltigkeitszertifikaten, auf den illegalen Handel mit Edelholz und auf die rumänische Holzmafia. Alle Rechercheergebnisse werden international veröffentlicht.