Machtkampf in der AfD Woher bekam der "Flügel" seine Spenden?
Offiziell hat sich der rechtsextreme "Flügel" der AfD aufgelöst. Kontounterlagen eines Vereins, die WDR und NDR vorliegen, offenbaren eigene Finanzierungswege - und werfen Fragen auf, was mit diesem Geld passieren sollte.
Ende März fasste der AfD Bundesvorstand einen erstaunlichen Beschluss: Der rechtsextreme "Flügel" der Partei solle seine Strukturen auflösen. Er sei zuletzt immer mehr zu einer "Partei in der Partei" geworden, hieß es.
Der Flügel besaß damals eigene Führungskader in den Landesverbänden, versammelte sich zu eigenen Veranstaltungen mit eigenem Auftritt und Emblem. Dabei hatte die AfD-Bundespartei selbst stets betont, dass es sich lediglich um eine lose Gruppierung von Parteimitgliedern handelte, nie um eine offizielle Parteiorganisation.
Geld, das für Unabhängigkeit sorgte?
Für die AfD ist diese Abgrenzung bis heute wichtig - auch, weil diese Gruppierung eigene Finanzierungswege geschaffen hat. Das zeigen nun Recherchen von WDR und NDR. Verliehen diese Geldströme dem "Flügel" die Chance, finanziell eigenständig zu sein? Oder wollte der "Flügel" damit innerhalb der AfD bestimmte Parteiangelegenheiten nach Belieben finanzieren, um seinen Einfluss zu vergrößern?
Zu dem undurchsichtigen Konstrukt gehört ein Verein namens "Konservativ!“. An diesem Verein und seinem Wirken hatte bereits der Verfassungsschutz in seinem Gutachten zur Beobachtung des "Flügels" Anstoß genommen. Der "Spiegel" und die "Zeit" hatten darüber berichtet. Der Gründungsvorstand des Vereins setzt sich aus führenden Parteifunktionären mehrerer Bundesländer zusammen. Sie gehören zum Flügelnetzwerk. Der Verein gibt an, vollkommen unabhängig zu sein und konservative Politik zu fördern.
Verwendungszweck: "Spende Flügel"
WDR und NDR liegen Kontoauszüge des Vereins vor, der 2018 gegründet worden war. Erstaunlich ist, dass diese Auszüge wenige Einnahmen dokumentieren. Auf dem Konto gingen demnach zwischen Juni 2018 und Juli 2019 insgesamt Spenden in Höhe von etwa 8000 Euro ein. Gezahlt hatten etwa 50 verschiedene Spender.
Zumeist stammten die Überweisungen von AfD-Mitgliedern, sie trugen mehrheitlich den Verwendungszweck "Spende Flügel“. Der "Flügel" hatte mindestens einmal intern zu Spenden auf das Konto des Vereins Konservativ! aufgerufen. Einige der Spender fügten diesem noch eine Flügel-Mitgliedsnummer bei - Hinweise darauf, der Flügel könnte eine eigene Organisation gewesen sein. Erstaunlich, denn die Chefs des Flügels hatten stets behauptet, dieser habe niemals Mitgliedslisten geführt.
Die Auszüge deuten auch ein wiederkehrendes Prinzip an: Der "Flügel" hatte Einnahmen offenbar zunächst für sich selbst eingeworben. Jedoch liegt in einigen Fällen der Verdacht nahe, dass die Gelder auch für verschiedene Parteiangelegenheiten im Interesse des Flügels ausgegeben worden sein könnten.
Was damit bezahlt wurde - unklar
Darunter unter anderem die höchste Auszahlung, die mutmaßlich an einen Mitarbeiter der Thüringer AfD-Landtagsfraktion ging. Dieser hatte dem Verein offenbar eine Rechnung über gut 3200 Euro gestellt. Wofür, ist unklar. Eine Anfrage blieb unbeantwortet. Auch an die Thüringer AfD-Fraktion selbst ging wohl eine kleine Summe. Zudem erhielt offenbar ein zweiter Mitarbeiter der Fraktion Geld. In der Betreffzeile mehrerer Überweisungen steht "Auslagenersatz Flügelfest Kreisverb“. Auch hier insgesamt eine kleine Summe.
Illegale Parteienfinanzierung?
Anfragen an die AfD-Fraktion Thüringen und die Bundespartei blieben unbeantwortet. Im Rechenschaftsbericht hat die AfD diese Zahlungen des Vereins "Konservativ!" nicht verbucht.
Für die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger könnte der Aufruf des "Flügel" zu spenden, auch ein Aufruf zur illegalen Parteifinanzierung gewesen sein. "Der Verdacht liegt nahe, dass Überweisungen an Mitarbeiter oder Fraktion letztlich nur Teile eines Vertuschungsmechanismus sind. Ob es so ist, wissen wir nur, wenn wir sehen können, wie Geld weitergeflossen ist. Bei Auslagen Flügelfest liegt der Verdacht sehr nahe."
Welche Rolle spielte der AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann?
Spur führt zum Schatzmeister
Die Recherchen zu den "Flügel"-Finanzen führen immer wieder zu einer Person. Inhaber des besagten Vereins-Kontos ist den Unterlagen zufolge eine Immobilienfirma - ihr Geschäftsführer: der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann, Schatzmeister des Vereins.
Pasemann war in der Vergangenheit gleich mehrfach als Schatzmeister tätig. So bekleidete er diese Funktion als Stellvertreter im AfD-Bundesverband und auf Landesebene in Sachsen-Anhalt. Sein Landesverband Sachsen-Anhalt führt gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren, das sich auch auf sein umstrittenes finanzielles Gebaren bezieht.
"Illegale" Spendeneingänge
Die Landesvorstände bezeichnen die Spendeneingänge des Vereins "Konservativ!" sogar schriftlich als "illegal“. Das geht aus einem internen Dokument des Landesverbandes hervor, das WDR und NDR vorliegt. Frank Pasemann bestreitet sämtliche Vorwürfe. Dies lies er über seinen Anwalt schriftlich mitteilen.
Pasemanns Parteikollegen aus dem Landesverband stören sich auch daran, dass der rechtsextreme "Flügel" einige Zahlungsflüsse offenbar gezielt über Parteikassen gesteuert haben soll und auf diese Weise Partei- und angeblich unabhängige Flügelstrukturen vermischte. Es geht um das jährliche Kyffhäusertreffen, die wohl höchsten Ausgaben des "Flügel".
Im Sommer 2018 rechnete der "Flügel" die Teilnahmegebühren über den Burgenlandkreisverband ab. Im Sommer 2019 entrichteten nach Recherchen von WDR und NDR die knapp 1000 Mitglieder ihre Teilnahmegebühr von je 30 Euro an den AfD-Kreisverband Saalekreis. Diesmal soll die Summe als "sonstige Einnahmen“ im Rechenschaftsbericht verbucht worden sein - etwa 28.000 Euro.
Setzt sich AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen wil sich von den Flügel-Finanzen distanzieren.
"Flügel"-Treffen wurde zu einer Art Parteiveranstaltung
Um einen Fall illegaler Parteienfinanzierung dürfte es sich hierbei also nicht handeln. Allerdings bringen diese Einnahmen dennoch für die AfD Fluch und Segen: Die "Flügel"-Treffen wurden so zu einer Art Parteiveranstaltung. Schlecht für die Argumentation, dass der "Flügel" selbständig gewesen sei.
Inzwischen ist die Frage um die "Flügel"-Finanzen längst zum Teil des innerparteilichen Machtkampfes geworden. Aus dem flügelkritischen Lager um Parteichef Jörg Meuthen ist zu hören, dass man sich nun gegenüber der Bundestagsverwaltung deutlich von diesem Verein und dem finanziellen Gebaren des "Flügel"-Netzwerkes distanzieren wolle. Denn ob sich der "Flügel" bis heute gänzlich aufgelöst hat, ist selbst in höchsten Parteikreisen unklar.