Coronavirus Österreich überwacht Handydaten
Wo gab es größere Menschenmengen - wo die Gefahr, dass das Coronavirus sich ausbreitet? Um das zu klären, überwacht Österreichs Regierung Handydaten. Kritiker befürchten einen Dammbruch.
"Bleiben Sie zuhause, es sei denn, sie müssen zur Arbeit gehen, notwendige Besorgungen erledigen oder anderen Menschen helfen, die dringend auf Unterstützung angewiesen sind." Das ist die Maßgabe der Stunde in Österreich - und Bundeskanzler Sebastian Kurz wiederholt sie immer wieder.
Doch halten sich die Menschen in Österreich daran? Es sieht so aus, sagt die Bundesregierung in Wien. Denn eine Auswertung der “Bewegungsströme“ von Handynutzern habe ergeben, dass sich Bewegungen im Vergleich zur vergangenen Woche fast halbiert hätten. Die Daten stammen von A1 - mit fast fünfeinhalb Millionen Handykunden ist das der größte Mobilfunkanbieter des Landes.
Wird die Ausgangssperre eingehalten? Das wollen die Behörden auch anhand von Handydaten feststellen.
Das Unternehmen habe die Daten von sich aus der Regierung angeboten, sagt Sprecherin Livia Dandrea-Böhm. Aus den Daten könne man keine Bewegungsprofile für einzelne Personen erstellen, sondern lediglich für Gruppen von 20, 40, oder 60 Personen - also immer in 20er-Schritten - betont Dandrea-Böhm. "Es ist alles datenschutzrechlich konform, telekommunikationsgesetzeskonform und auch vom TÜV datenschutzrechtlich geprüft."
"Nicht gesetzeskonform"
Auch die Regierung sieht in der Auswertung der Handydaten kein Problem. Es seien keine individuellen Bewegungsprofile übermittelt worden, sondern eine Auswertung der gesamten Bewegungen, bestätigt ein Regierungssprecher der Nachrichtenagentur Apa.
Die Opposition hingegen ist skeptisch. Nikolaus Scherak ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Liberalen Neos. Seine Partei kündigt eine parlamentarische Anfrage zum Thema an. Er mahnt ein sensibles Vorgehen an. Auch in Krisenzeiten, in denen die Regierung radikal durchgreifen könne, solle sie zurückhaltend sein. "Und ich bin nicht der Meinung, dass es so klar ist, dass das gesetzeskonform ist", betont Scherak. Das gelte vor allem, weil man die Kundinnen und Kunden nicht darüber informiert habe.
Datensicherung darf nicht Normalität werden
Ingrid Brodnig ist Journalistin und Autorin aus Wien und beschäftigt sich mit mobiler Kommunikation. Sie spricht davon, dass gerade in Krisenzeiten eine gewisse Verlockung bestehe, Überwachungsmaßnahmen einzuführen. Oder anders ausgedrückt: "Vor der Verbreitung des Coronavirus hätte das einen immensen Aufschrei verursacht, wenn ein Mobilfunkunternehmen dem Staat einfach die Bewegungsdaten der österreichischen Handynutzer weitergegeben hätte. Auch wenn das anonymisiert wird, handelt es sich um sehr aufschlussreiche Informationen."
Zwar sei es nicht angebracht, der Regierung oder dem Mobilfunkunternehmen bei der aktuellen Auswertung der Bewegungsdaten böse Absichten zu unterstellen, sagt Brodnig. Aber man müsse vorsichtig sein: "Das Wichtigste ist jetzt, sicherzustellen, dass es nach der Krise nicht zu Normalität wird, dass Staaten sehr leicht auf Bewegungsdaten der Bevölkerung zugreifen können. Es stimmt, dass Unternehmen schon jetzt anonymisiert Bewegungsprofile kaufen können. Das passierte zum Beispiel in der Tourismusbranche. Aber es ist gleichzeitig wichtig zu verstehen, dass Bewegungsdaten sehr sensible Informationen sind.
Wird die Netzneutralität ausgesetzt?
Inzwischen lässt eine neue Meldung in Österreich aufhorchen. Die zuständige Regulierungsbehörde hat den Telekomanbietern in einem Schreiben gestattet, die sogenannte Netzneutralität auszusetzen, sollte es zu Überlastungen kommen. Dann könnten Datenpakete, etwa Streaming-Angebote wie Netflix, gedrosselt übertragen werden, während andere Anwendungen den Vorrang bekommen. Zur Zeit verzeichnen die Telekomanbieter in Österreich einen massiven Anstieg der Datennutzung.