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Verein "Teenstar Deutschland" Fragwürdige Sexualaufklärung an Schulen

Stand: 24.01.2024 06:36 Uhr

Der christliche Sexualpädagogik-Verein "Teenstar" stand schon mehrfach wegen Homophobie-Vorwürfen in der Kritik. Nach BR-Recherchen ist der Verein weiter aktiv - und bietet auch Kurse an Schulen an.

Von Mayya Chernobylskaya und Simon Wörz, BR

Anfang Januar, auf der Glaubenskonferenz "Mehr" in der Augsburger Messe: Eine Frau steht an einem Stand und will mit Menschen ins Gespräch kommen. Keine leichte Aufgabe. Die meisten der rund 11.000 Besucherinnen und Besucher der "Mehr"-Konferenz sind gläubige Christen. Die Frau will mit ihnen über ein Thema sprechen, zu dem viele in der Kirche lange geschwiegen haben: Sex.

Die Frau ist Vorsitzende des gemeinnützigen Sexualpädagogik-Vereins "Teenstar Deutschland". Der Verein wurde in den 1980ern in den USA von einer österreichischen Gynäkologin und christlichen Missionarin gegründet. Nach eigenen Angaben gibt es "Teenstar" heute in fast 30 Ländern, in Deutschland wurde er 2007 gegründet. "Teenstar" bietet Aufklärungskurse für Kinder und Jugendliche an. Aber der Verein ist nicht unumstritten.

Zu den aktuellen "Teenstar"-Materialien in Deutschland, die auch auf der Messe in Augsburg ausliegen, gehört eine Broschüre mit dem Titel "Be a star of love and life", die sich an Jugendliche richtet. In einem Kapitel geht es auch um Homosexualität. Darin heißt es unter anderem: Wegen der "Anatomie der Geschlechtsorgane" würden Mann und Frau zusammenpassen wie "Schloss und Schlüssel". Zwei Männer oder zwei Frauen würden nicht auf diese Art und Weise zusammenpassen.

Weiter: Bei den meisten Jugendlichen würden homo-erotische Gefühle von selbst vorbeigehen. Man solle sich deswegen nicht zu viele Gedanken machen. "Vor allem sollte man sich nicht darauf festlegen oder meinen, man sei jetzt schwul oder lesbisch", steht in der Broschüre.

Fachleuten kritisieren "Teenstar"-Inhalte

Der Psychologe Christopher Knoll warnt vor dieser Darstellung, denn die mache Homosexualität bei Jugendlichen "unsichtbar". Knoll berät queere Menschen beim Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum "Sub" in München: "Wir erleben das als Therapeuten tagtäglich in den Erzählungen von Erwachsenen, die sich ihr ganzes Leben mit einer schwierigen Sexualität herumschlagen und die immer in sexualfeindlichem Boden wurzelt."

Ulrich Hoffmann, Präsident des Katholischen Familienbundes und Ehe- und Familienberater im Bistum Augsburg, bezeichnet den Ansatz von "Teenstar" als "unterkomplex". Das Programm verbreite mehr Angst und Vorsicht, anstatt Jugendliche zu ermutigen. Hoffmann sagt: "Die Sichtweise auf Sexualität schließt im Grunde Homosexualität aus." Deswegen könne man den Homophobie-Vorwurf gegen "Teenstar" durchaus gelten lassen.

Vorsitzende: Befürworte Coming-out nicht

Die "Teenstar"-Vereinsvorsitzende sagt im BR-Interview auf der Glaubenskonferenz, der Verein befürworte ein Coming-out von Jugendlichen nicht. Sie begründet das mit der sexuellen Fluidität in der Jugendzeit, die "wissenschaftlich schon längst erklärt" sei.

Am Tag nach dem Interview möchte die Vorsitzende das Interview zurückziehen. Ab jetzt antwortet eine Anwaltskanzlei auf weitere Fragen und erklärt, dass die Vereinsvorsitzende nicht namentlich genannt werden möchte.

Weiter an Grundschulen aktiv

Die Vorwürfe gegen "Teenstar" sind nicht neu: 2018 veröffentlichte das Magazin "Falter" in Österreich Schulungsunterlagen von "Teenstar", in denen Homosexualität als therapierbar und Masturbation als Leiden dargestellt wurden. Daraufhin empfahl das österreichische Bildungsministerium vorübergehend, nicht mehr mit "Teenstar" zusammen zu arbeiten. "Teenstar" legte danach offenbar aktualisierte Unterlagen vor. In Deutschland bekam die Debatte kaum Aufmerksamkeit. Und "Teenstar" ist weiter aktiv.

In den Jahren 2022 und 2023 hat der Verein nach eigenen Angaben bundesweit circa 70 Kurse für Kinder im Grundschulalter gegeben. "Ein Großteil davon außerschulisch", lässt "Teenstar" mitteilen. Zu den Workshops für Teenager heißt es: Von 2021 bis 2023 hätten insgesamt rund 280 Jugendliche an "Teenstar"-Workshops teilgenommen.

An welchen Schulen die Kurse in den vergangenen beiden Jahren stattgefunden haben, sagt der Verein nicht. "Aus Datenschutzgründen", heißt es in dem Anwaltsschreiben.

Abbruch von "Teenstar"-Kurs in Bayern

Im Sommer 2022 hat das zuständige Schulamt einen "Teenstar"-Kurs an einer Grundschule im Landkreis Regensburg abgebrochen. Eine Mutter hatte auf Twitter auf den Kurs aufmerksam gemacht. Das bayerische Kultusministerium begründete das mit Verweis auf die staatlichen Richtlinien zur Familien- und Sexualerziehung. Die bayerischen Richtlinien sehen an Grundschulen keinen Einsatz externer Anbieter beim Thema Sexualpädagogik vor.

Auch im bayerischen Landtag hatte der Abbruch dafür gesorgt, dass sich Abgeordnete aus der Opposition für "Teenstar" interessierten. Auf Anfragen von FDP und Grünen teilte die Staatsregierung mit, weder Kenntnis von dem Verein noch von der Kontroverse in Österreich um Homophobie-Vorwürfe zu haben. Fraktionsmitglieder der Grünen schlugen daraufhin eine Whitelist vor, also eine Liste mit Positivbeispielen externer Anbieter von Sexualpädagogik. AfD, Freie Wähler und CSU lehnten im bayerischen Landtag ab.

Ministerium: Broschüre widerspricht Richtlinien

Im vergangenen Jahr hat "Teenstar" nach Aussage der Vereinsvorsitzenden insgesamt etwa 30 Kurse an Grundschulen und weiterführenden Schulen in Bayern veranstaltet. Eine BR-Anfrage beim bayerischen Kultusministerium ergibt, dass den Schulämtern keine Informationen über "Teenstar"-Kurse vorliegen. Weiter heißt es in der Antwort des Ministeriums, die Passagen über Homosexualität in der "Teenstar"-Broschüre würden den verbindlichen Richtlinien zur Familien- und Sexualerziehung für staatliche Schulen widersprechen.

Der "Teenstar"-Anwalt hingegen betont: Eine Prüfung durch das bayerische Kultusministerium "würde ergeben, dass die Kursinhalte völlig im Einklang mit den Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung stehen."

Das bayerische Kultusministerium schreibt, es werde auch in Zukunft beim Thema Sexualpädagogik genau auf die Einhaltung der staatlichen Richtlinien achten und gegebenenfalls intervenieren.

Simon Wörz/Mayya Chernobylskaya, BR, tagesschau, 24.01.2024 17:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 in der Sendung "Der Funkstreifzug" am 24. Januar 2024 um 12:17 Uhr.