Krise nach Otte-Wahl "Werteunion ist wie ein totes Pferd"
Nach dem Wechsel an der Spitze der Werteunion wenden sich immer mehr Landesverbände aus Protest ab. Der Kurs des neuen Bundesvorsitzenden Otte stößt auf Widerstand. Befürchtet wird eine Radikalisierung.
Die Gräben in der politisch zerstrittenen Werteunion besonders konservativer Mitglieder von CDU und CSU werden immer tiefer. Nach der kontroversen Wahl des Ökonomen Max Otte zum neuen Bundesvorsitzenden zeigen inzwischen mehrere Landesverbände Auflösungserscheinungen.
Kämpf: Werteunion wie ein "totes Pferd"
Der baden-württembergische Vizelandeschef Oliver Kämpf sagte der Nachrichtenagentur dpa, die von Mitsch gegründete Werteunion gebe es praktisch nicht mehr. "Der Name ist zerstört." In einem Schreiben an den Bundesvorstand heißt es, es sei eine "Annäherung an völkische und nationalistische Themen" zu beobachten. Das laufe dem wertkonservativen und wirtschaftsliberalen Kurs der Landesvorstandsmitglieder zuwider.
Nach Kämpfs Worten löst sich die Werteunion langsam auf, vor allem im Süden Deutschlands habe es zahlreiche Rück- und Austritte gegeben. "Die Werteunion ist wie ein totes Pferd, von dem man absteigen muss", sagte er. Nach seinen Worten hat die Organisation noch etwa 3700 Mitglieder. Die CDU hat insgesamt rund 400.000 Mitglieder, rund 140.000 sind es bei der CSU.
Neuer Name für den Verband in Bayern
Die bayerische Werteunion trat am Samstag aus dem Bundesverband aus, wie die bei einer Mitgliederversammlung in Pöttmes neu gewählte Landesvorsitzende Juliane Ried sagte. In Bayern nenne sich die Gruppe nun - wie bei ihrer Gründung 2014 - wieder "Konservativer Aufbruch für Werte und Freiheit". 2019 hatte sich der Verein mit der Werteunion zusammengeschlossen. "Wir wollen uns wieder auf die CSU konzentrieren", sagte Ried der dpa zur Begründung des Austritts.
Von der Trennung erhoffe man sich aber größere politische Schlagkraft, um einer "mehr als gefährlichen Linkswende in der CSU entgegenzutreten". Deren Führung habe die CSU "mit grünlinken Themenschwerpunkten wie 'Klimasteuern', 'Quotenzwang' oder dem 'Kampf gegen rechts' in eine gefährliche Krise geführt und dabei viele treue Mitglieder und Stammwähler verprellt".
Scholze: Radikalisierung wird befürchtet
In der rheinland-pfälzischen Werteunion hatte der Vorstand bereits im Juni mit sofortiger Wirkung seine Ämter niedergelegt. Grund sei Ottes "toxische" Wirkung auf die Wahrnehmung und Akzeptanz der Werteunion, erklärte der bisherige Vorsitzende Peter Scholze.
Nach der Wahl Ottes sei eine weiter zunehmende "Bunkermentalität" und eine Radikalisierung zu befürchten. "Eine zielführende politische Arbeit im Sinne unseres Gründungsgedankens ist aus unserer Sicht unter diesen Vorzeichen unmöglich geworden", heißt es in der Erklärung Scholzes, seiner beiden Stellvertreter und dreier Beisitzer vom 6. Juni. Die Werteunion sieht sich als Vertretung der konservativen Strömung in der Union, ist aber keine offizielle Parteigliederung.
Auch in Baden-Württemberg kündigte der Landesvorstand aus Protest gegen die Wahl Ottes fast geschlossen seinen Rücktritt an.
Großer Streit nach Wahl Ottes
Otte war Ende Mai im Amt des Vorsitzenden auf den CDU-Mann Alexander Mitsch gefolgt, der seinen Rückzug verkündet hatte. Innerhalb der Werteunion löste die knappe Wahl Ottes großen Streit aus. Der Fondsmanager war noch bis Januar 2021 Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung gewesen.
Anfang Juni sagte Otte, dass er vor vier Jahren verkündet habe, er persönlich wähle die AfD, habe daran gelegen, dass er Kanzlerin Angela Merkel nicht habe wählen können. Das sei aber vier Jahre her und Merkel trete nicht mehr an. Das Thema sei abgeschlossen.