Wehrbeauftragte Högl "Brauchen in der Bundeswehr weniger Bürokratie"
Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr steht durch den Ukraine-Krieg im Fokus. Um sie zu gewährleisten braucht es laut Jahresbericht der Wehrbeauftragten Högl jedoch mehr als ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hat verstärkte Bemühungen um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr begrüßt. "Der entsetzliche Krieg in der Ukraine verändert alles. Für die Soldatinnen und Soldaten bedeutet es, dass es ernst werden kann, dass es schnell gehen muss, und dass sie immer einsatzbereit sein müssen", sagte die SPD-Politikerin im Bundestag, der sich mit ihrem Jahresbericht 2021 befasste. Die Bündnis- und Landesverteidigung "wird jetzt sehr konkret", so Högl.
Die Soldatinnen und Soldaten reagierten darauf mit hoher Professionalität und mit großer Ernsthaftigkeit, sagte die Wehrbeauftragte: "Und zudem wird deutlich, wofür wir die Bundeswehr haben und warum wir sie brauchen: Unsere Soldatinnen und Soldaten verteidigen Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit." Nötig seien "beste Rahmenbedingungen". Das betreffe Material, Personal und Infrastruktur.
Högl: "Beim Material noch einiges zu tun"
Högl begrüßte ausdrücklich das geplante 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Modernisierung der Bundeswehr sowie die Erhöhung des Verteidigungshaushalts. "Das sind in schweren Zeiten gute Nachrichten für die Bundeswehr", sagte sie. "Diese Mittel sollen genutzt werden, um die volle Einsatzbereitschaft wiederherzustellen."
Dafür sei "beim Material noch einiges zu tun", sagte die Wehrbeauftragte. Militärisches Großgerät der Bundeswehr sei 2021 immer noch nur zu 50 Prozent einsatzbereit gewesen, persönliche Schutzausrüstung unzureichend und Zustände in Kasernen "nicht akzeptabel".
Für die schnelle Modernisierung der Bundeswehr müssten nach Einschätzung der Wehrbeauftragten die gesamten Verwaltungsverfahren gestrafft werden. "Auch die 100 Milliarden Euro können nicht in den hergebrachten Verfahren ausgegeben werden. Das Vergaberecht muss vereinfacht werden. Und wir brauchen in der Bundeswehr weniger Bürokratie", sagte Högl.
Lambrecht: Wehrhaftigkeit so wichtig wie lange nicht
In der Bundestagsdebatte über den Bericht Högls hob Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht die massiv gewachsene Dringlichkeit hinreichender Fähigkeiten zur Landesverteidigung hervor. "Es war noch nie so wichtig in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes, wehrhaft zu sein", sagte Lambrecht in der Plenarsitzung. "Handeln ist gefragt - mehr denn je", so die SPD-Politikerin. "Wir sehen jeden Tag die Grausamkeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und wir können heute noch nicht sagen, wie weit Putin seinen Großmachtswahn treibt."
Es sei gut und wichtig, dass der Bericht der Wehrbeauftragten die bestehenden Mängel der Bundeswehr offenlge. Denn: "Wir brauchen eine voll ausgestattete und einsatzbereite Bundeswehr, die uns und unsere Bündnispartner schützt", so Lambrecht. Man müsse "wissen, wo es hakt", um gegensteuern zu können.
Bundeswehr mit massivem Investitionsbedarf
Bei der Truppe bestehe ein massiver Investitionsbedarf, von der persönlichen Ausstattung bis hin zum Großgerät oder der Infrastruktur, sagte Lambrecht. Sie warb erneut um Unterstützung für das geplante Bundeswehr-Sondervermögen, denn "wir sind nach Jahren des Mangels auf diesen Booster dringend angewiesen, um die Einsatzfähigkeit schnell zu erhöhen".
Dies gelte für die beschlossene Neuausstattung der Soldatinnen und Soldaten mit persönlicher Schutzausstattung bis 2025 - hierfür sind 2,4 Milliarden Euro eingeplant - ebenso wie für den Kauf bewaffneter Drohnen, US-Kampfflugzeuge des Typs F-35 sowie die Anschaffung schwerer Transporthubschrauber.
Mehr als moderne Ausstattung nötig
Die CDU-Fachpolitikerin Kerstin Vieregge sagte angesichts der neuen Sicherheitslage, eine einsatzbereite und "kaltstartfähige" Bundeswehr benötige nicht nur modernere Ausstattung. Wenn jetzt mehr von den Soldatinnen und Soldaten verlangt werde, sei es auch unabdingbar, bessere soziale Rahmenbedingungen etwa für Familien zu schaffen.
Nach bisherigen, meist planbaren Auslandseinsätzen rede man nun auch über kurzfristige Verlegungen Tausender Soldatinnen und Soldaten. Betreuungsangebote seien gut, aber nicht für solche Größenordnungen angelegt. Vieregge bekräftigte, es brauche dauerhaft mehr Mittel für den Verteidigungsetat über das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro hinaus.
Högl fordert mehr Klarheit über Einsatzziele
Neben einer verbesserte Ausstattung der Truppe forderte die Wehrbeauftragte mehr Klarheit über die Ziele von Bundeswehreinsätzen. "Es muss klar sein, mit welchen Zielen geht die Bundeswehr in die Einsätze, in welche Teile der Welt, mit welchen Partnern, mit welchen Mitteln, in welchem Umfang und zu welcher Dauer. Das wollen die Soldatinnen und Soldaten geklärt wissen", sagte sie.
Aktuell noch ungeklärt ist etwa die Zukunft der Bundeswehreinsätze in Mali. Dabei laufen die Mandate für die Teilnahme der Bundeswehr an der EU-Mission EUTM und der UN-Mission Minusma Ende Mai aus.
Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes
Weiterhin bekräftigte Högl ihre Forderung nach einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes. Während des 20-jährigen Einsatzes am Hindukusch wurden 59 deutsche Soldaten getötet.
"Viele sind verwundet an Körper und Seele zurückgekommen. Dieser Einsatz hat die Bundeswehr verändert und deswegen ist es so wichtig, dass er aufgearbeitet wird", sagte Högl. Sie hoffe, dass bald eine Enquete-Kommission eingesetzt werde.