Interview mit dem hessischen Spitzengrünen Al-Wazir "Wir bekommen richtig Rückenwind"
Die Grünen haben sich in Nürnberg einen sozialpolitischen Kurs gegeben, der als Linksruck gedeutet wird. Was bedeutet das für die grünen Landespolitiker, die im Wahlkampf stehen? "Rückenwind", sagt der Befürworter der sozialen Grundsicherung und hessische Spitzengrüne, Tarek Al-Wazir, im Interview mit tagesschau.de.
Die Grünen haben sich in Nürnberg einen sozialpolitischen Kurs gegeben, der als Linksruck gedeutet wird. Was bedeutet das für die grünen Landespolitiker, die im Wahlkampf stehen? "Rückenwind", sagt der Befürworter der sozialen Grundsicherung und hessische Spitzengrüne, Tarek Al-Wazir, im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Sind Sie zufrieden mit dem neuen sozialpolitischen Kurs der Grünen?
Tarek Al-Wazir: Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, aber auch mit der Qualität der Diskussion. Es wurde über die Sache diskutiert und nicht – wie vorausgesagt – über Personen. Wir haben alle auf persönliche Polemiken verzichtet.
tagesschau.de: Sie gehörten zu den Befürwortern einer finanziell wesentlich schlanker angelegten Grundsicherung, das ist was anderes als das, was jetzt beschlossen wurde.
Al-Wazir: Der Beschluss ist ein ambitioniertes Projekt, keine Frage. Das Gute daran ist, dass man es im Vergleich zum Grundeinkommen schrittweise umsetzen kann. Ich habe den Vorstandsantrag unterstützt, weil er die richtige Priorität enthalten hat. Nämlich die Stärkung der Institutionen wie Bildung, Betreuung und Erziehung. Damit unterscheidet sich das Modell in seiner Grundausrichtung von einem bedingungslosen Grundeinkommen.
tagesschau.de: Was bedeutet diese Richtungsentscheidung für Ihren Landtagswahlkampf?
Al-Wazir: Die hessischen Grünen sind in den vergangenen Jahren nicht gerade verwöhnt worden, was die Unterstützung vom Bundesverband angeht. Dieses Mal habe ich sogar das Gefühl, dass wir vom Bundesparteitag richtig Rückenwind bekommen. Das ist für uns ein neues Gefühl. Ich bin froh, dass wir jetzt über den Inhalt unserer Beschlüsse reden können und nicht über die Verfasstheit unseres Bundesvorstands sprechen müssen.
tagesschau.de: Hätten Sie mit einem Beschluss des Grundeinkommens genauso gut Wahlkampf machen können?
Al-Wazir: Ich persönlich auf keinen Fall, weil ich glaube, dass es sozialpolitisch in die falsche Richtung führt. Ich hätte meine Meinung nicht durch einen Parteitagsbeschluss geändert.
tagesschau.de: Wie viel Arbeit haben Sie in den vergangenen Monaten investiert, um die Delegierten in Nürnberg für das Modell der "sozialen Grundsicherung" zu gewinnen?
Al-Wazir: Wir haben seit Februar inhaltlich unheimlich viel gemacht. Das gilt sowohl für die Grundeinkommens-Befürworter wie für die Grundsicherungs-Befürworter. Das Gute an dieser Kontroverse ist, dass wir auch in den Gliederungen der Partei – in den Kreisverbänden zum Beispiel – über die Zukunft des Sozialstaates diskutiert haben.
tagesschau.de: Ist die Debatte und Abstimmung zur Sozialpolitik vielleicht deswegen so konfliktfrei verlaufen?
Al-Wazir: Es war inhaltlich besser vorbereitet als die außenpolitische Entscheidung bei der Sonderdelegiertenkonferenz in Göttingen. Und die Delegierten haben wirklich in der Sache entschieden und nicht eine Entscheidung nach dem Motto "oben gegen unten" getroffen.
Die Fragen stellte Corinna Emundts, tagesschau.de