Klage beim BVerfG Ist der Soli verfassungswidrig?
Politiker der FDP wollen den Solidaritätszuschlag abschaffen, der "Aufbau Ost" sei erledigt. Jetzt berät das Bundesverfassungsgericht über den Soli - und über mögliche Probleme der nächsten Regierung.
Es ist ein politisches Kernthema der FDP: Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Heute wird die Klage gegen den Soli von sechs FDP-Mitgliedern, darunter der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr, am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt. Die FDP-Politiker halten es für verfassungswidrig, dass der Soli immer noch erhoben wird.
"Solidarisches finanzielles Opfer"
Der Soli wurde 1995 eingeführt, um die Wiedervereinigung und den "Aufbau Ost" zu finanzieren. Ursprünglich mussten ihn alle Steuerpflichtigen zahlen. "Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich", formulierte die damalige Bundesregierung.
Im Jahr 2021 änderte sich die Besteuerung. Seitdem zahlen ihn nur noch Kapitalanleger, Gutverdienende ab einem jährlichen Bruttoeinkommen von etwa 85.000 Euro sowie Unternehmen. Alle anderen Steuerzahler hatte die damalige Große Koalition vom Soli befreit.
Richter prüfen, ob Gleichbehandlung verletzt wird
Die Kläger von der FDP halten das für verfassungswidrig und meinen: Der "Aufbau Ost" sei mittlerweile abgeschlossen. Das Argument: Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II hätte auch der Solidaritätszuschlag für alle abgeschafft werden müssen. Dass nur die Einkommensstärksten und Unternehmen den Soli noch zahlen, sei deshalb eine "versteckte Reichensteuer".
Es sei in der Tat fraglich, ob die Kosten der Wiedervereinigung die Erhebung des Soli immer noch rechtfertigen, meint Rechtsprofessor Gregor Kirchhof, Finanz- und Steuerrechtsexperte an der Universität Augsburg. "Das Gericht muss nun prüfen, ob die Wiedervereinigung weiterhin einen solchen besonderen Finanzbedarf bewirkt und ob, wenn dem so sein sollte, nach 30 Jahren noch von einem vorübergehenden Bedarf gesprochen werden kann."
Ein weiterer Prüfungspunkt für die Richterinnen und Richter: Die Kläger meinen auch, der Soli verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil 90 Prozent der Steuerzahlenden vom Soli befreit sind. Für diese Regelung hatte sich die damalige Große Koalition aus "sozialen Gesichtspunkten" entschieden.
Bundesfinanzhof hält Soli für verfassungsgemäß
Auch am Bundesfinanzhof in München kennt man diese Argumente: Am höchsten deutschen Finanzgericht hatten die Richterinnen und Richter 2023 entschieden, der Soli sei "noch" verfassungsgemäß. "Die zentrale Erwägung des Bundesfinanzhofs war, dass der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum hat, eine Ergänzungsabgabe wie den Soli einzuführen", sagt Professor Kirchhof.
Der Finanzhof habe aber angedeutet, dass die Wiedervereinigung "eine Generationenaufgabe sei und dass der Gesetzgeber daher gehalten sei, nach 30 Jahren zu prüfen, ob die Abgabe weiter gerechtfertigt ist", so der Rechtsexperte. Der Jurist bezweifelt, dass der Soli zum heutigen Zeitpunkt noch erhoben werden darf.
Ohne Soli fehlen dem Bund Milliarden
Ein Urteil wird heute noch nicht erwartet. Sollte das Bundesverfassungsgericht am Ende den Soli kippen, würde das die nächste Bundesregierung in große Schwierigkeiten bringen, meint Kirchhof. Selbst dann, wenn der Bund die bisherigen Einnahmen aus dem Soli behalten dürfte.
Am wahrscheinlichsten sei, dass die Erträge den vergangenen Haushalten erhalten blieben. Diese seien bereits abgewickelt und könnten kaum mehr geöffnet werden. Auch wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und ihre Folgen auf die Zukunft ausgerichtet sei, könnte das Urteil die ohnehin angespannte Haushaltslage verschärfen. Dem Bund würden für das Jahr 2025 rund 12 Milliarden Euro fehlen, so der Rechtsprofessor. Mit einem Urteil ist frühestens in einigen Monaten zu rechnen.