Auch CDU-Wirtschaftsrat unzufrieden "Das ist nicht das Ende der Fahnenstange"
Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Lauk, beklagt, dass im Sparpaket der Bundesregierung strukturelle Veränderungen fehlen. Ihm schwebt eine Paketlösung vor. Diese würde beinhalten, den halben Mehrwertsteuersatz weitgehend abzuschaffen, die kalte Progression zu bekämpfen und den Spitzensteuersatz anzuheben.
tagesschau.de: 80 Milliarden Euro einsparen - es hat die Bundesregierung viel Kraft gekostet, sich dazu durchzuringen. Der CDU-Wirtschaftsrat sieht Potenzial, um 156 Milliarden Euro einzusparen. Was sehen Sie, was die Regierung nicht sieht?
Kurt J. Lauk: Zunächst einmal unterstützen wir das Paket. Wir haben mit unseren Vorschlägen einen Instrumentenkasten angeboten, aus dem sich die Bundesregierung quasi bedient hat. Das, was uns fehlt, das sind die strukturellen Elemente. Wir haben zum Beispiel die generelle Abschaffung des halben Mehrwertsteuersatzes vorgeschlagen. Da ist viel Unsinn drin, bis hin zu Trüffel mit Essig zum halben Mehrwertsteuersatz und Trüffel alleine zum vollen Steuersatz - das versteht kein Mensch mehr. Ausnahme: Grundnahrungsmittel! In der Summe macht der halbe Mehrwertsteuersatz 14 Milliarden aus. Davon entfallen auf die Grundnahrungsmittel zwei Milliarden. Daraus hätte sich ein Verlagerungspotential von zwölf Milliarden ergeben.
Mit diesem Geld hätte man Wahlversprechen einlösen können, indem man die so genannte kalte Progression abmildert und die Leistungsträger steuerlich entlastet. Diese Verlagerung von Steuern hätte den Vorteil gehabt, dass die Leistungsträger auch die Binnennachfrage hätten befördern können, indem sie mehr Geld in der Tasche gehabt hätten. In diesem Zusammenhang hätten wir dann auch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes mitgetragen. Das wäre aber eine Paketlösung gewesen.
"Nachdenken müssen wir über die Subventionen!"
tagesschau.de: Die Wirtschaft soll ja bei dem Paket, was jetzt vorliegt, nur in Teilen zu Kasse gebeten werden - in Form von Bankenabgabe und Brennelementesteuer. Das dürfte doch auch noch im Wirtschaftsrat vermittelbar sein, oder?
Lauk: Was der Regierung gelungen ist, das ist eine Drittelparität: Je ein Drittel wird gespart beim Sozialbudget, bei der Industrie und bei der staatlichen Verwaltung - grob gerechnet. Nachdenken müssen wir über das Thema "Subventionen". Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Industrie einen eigenen Beitrag liefert. Das fängt bei der Kohle an und hört bei der Energiepolitik, die die Verbraucher belastet, auf. Hier hätte man mehr tun können. Es hätte nur eine heillose Streiterei gegeben. Deshalb haben wir gesagt: Damit sich keiner benachteiligt fühlt, kürzen wir alles nach der Rasenmähermethode um zehn Prozent.
tagesschau.de: Der Kanzlerin werfen Sie vor, sie laufe Gefahr, das Erbe Ludwig Erhardts zu verspielen, nämlich die soziale Marktwirtschaft. Ist die Gefahr nach dem Sparpaket jetzt größer oder kleiner geworden?
Lauk: Das Sparpaket geht in die richtige Richtung, weil es viele Elemente der sozialen Ausgewogenheit aufweist. Der Hauptkritikpunkt der sozialen Unausgewogenheit bezieht sich auf das Elterngeld, das immer gedacht war als berufsbegleitend. Diejenigen, die dagegen protestieren, dass das Elterngeld bei den Hartz-IV-Empfängern wegfällt, die müssten eigentlich Hartz-IV-Empfänger als Beruf definieren. Dann wäre die Zahlung von Elterngeld berechtigt. Zum anderen muss sichergestellt werden, dass die Kinder von Hartz-IV-Empfängern stärker gestützt werden müssen, was die Ausbildung angeht. Das lässt sich durch Sachleistungen schaffen und nicht über die Zahlung von Geld.
"Wichtigstes Thema: Die Staatsverschuldung im Euro-Raum"
tagesschau.de: Die Rede der Kanzlerin wird den Wirtschaftstag 2010 Ihres Vereins beschließen, das ist eine Tagung mit 2500 Gästen. Was erwarten Sie von Angela Merkel anlässlich dieser Rede?
Lauk: Das wichtigste ist, dass sie das Thema "Staatsverschuldung im Euro-Raum" adressiert. Mit dem Sparpaket hat die Kanzlerin als stärkstes Land im Euro-Raum Maßstäbe gesetzt. Sie muss jetzt sagen, wie eine wirtschaftliche Koordination im Euro-Raum aussehen muss. Hier ist die Kanzlerin als europäische Zentralfigur massiv gefordert.
Was die Innenpolitik angeht: Die Steuervereinfachung darf nicht aus dem Auge verloren werden. Was wir jetzt im Sparpaket haben, ist mit Sicherheit nicht das Ende der Fahnenstange. Hier muss weiter im offenen Diskurs nachgedacht werden. Und: Die Klimaerwärmung hat in den letzten zwölf Jahren eine Pause gemacht, so sagen uns die Wissenschaftler übereinstimmend. Deshalb sollten wir mal Pause machen bei zusätzlichen Belastungen unter Klimaaspekten für Verbraucher und Industrie. Wir brauchen die Arbeitsplätze.
Die Fragen für tagesschau.de stellte Ute Welty