Mann umarmt Scholz auf Rollfeld "Ein GAU für Personenschützer"
Olaf Scholz hat die Situation "nicht als dramatisch empfunden". Doch dass ein Mann auf den Kanzler zustürmen und ihn umarmen kann, ist natürlich eine schwere Panne. Auch die Verantwortlichen stellen sich Fragen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat nach der Sicherheitspanne um Bundeskanzler Olaf Scholz Konsequenzen angekündigt. "Das darf nicht passieren", sagte die SPD-Politikerin. Man werde jetzt "sehr genau aufarbeiten, woran es lag, um die Dinge dann auch möglichst abstellen zu können".
Ein Autofahrer war am Mittwochabend unbemerkt in einen Sicherheitsbereich am Frankfurter Flughafen gelangt und hatte Scholz umarmt. Der Fahrer hatte sich dem Konvoi des Kanzlers angeschlossen, ohne dass dies jemandem aufgefallen wäre. Wie ihm das - trotz des nicht angemeldeten Kennzeichen - gelingen konnte, ist noch nicht klar.
"Natürlich inakzeptabel"
Ein Sprecher des Innenministeriums bezeichnete den Vorgang als "natürlich inakzeptabel". Es sei "auf den ersten Blick nicht ganz ersichtlich, wo der Fehler liegt". Deshalb werde die Situation analysiert. Betroffen seien Sicherheitsmaßnahmen von Landespolizei, Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA).
Nach Einschätzung des ARD-Sicherheitsexperten Michael Götschenberg sind an zwei Stellen Fehler passiert: Der Besuch in Frankfurt am Main sei ein "Routinetermin" gewesen, weshalb die Sicherheitskräfte offenbar nicht so aufmerksam gewesen seien, wie sie hätten sein müssen, sagte er auf tagesschau24.
Der zweite Fehler sei bei der Einfahrt auf das Flughafengelände passiert. Der letzte Wagen der Kolonne sei auch dafür zuständig "gelegentlich auch mal in den Rückspiegel zu gucken, um sicherzustellen, dass sich der Kolonne niemand angeschlossen hat". Beides sei offenbar schief gelaufen.
Bundespolizei: Aus unserer Sicht richtig gehandelt
Der Geschäftsführer des auch für private Personenschützer zuständigen Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft, Martin Hildebrandt, sagte: "In 25 Jahren habe ich noch nicht von so was gehört. Das ist ein GAU für Personenschützer. Da muss irgendwas im Vorfeld schief gelaufen sein."
Das BKA wollte "aus polizeitaktischen Gründen" keine weiteren Auskünfte erteilen. Flughafenbetreiber Fraport erklärte auf Anfrage, der Vorfall werde untersucht. Eine Sprecherin der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt sagte: "Aus unserer Sicht hat die Bundespolizei richtig gehandelt."
Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs
Scholz war am Mittwoch bei der Europäischen Zentralbank - anlässlich des 25-jährigen Bestehens der EZB. Von dort wurde er zum Flughafen gefahren. Der Mann hatte sich dem Konvoi angeschlossen. Als Scholz auf dem Flughafengelände sein Auto verließ, stürmte der Mann laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung auf ihn zu, schüttelte ihm die Hand und umarmte ihn. Erst als der Mann auf Scholz zulief, wurden dem Bericht zufolge die Personenschützer des BKA und die anwesenden Polizisten auf ihn aufmerksam und nahmen ihn schließlich fest. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte den Bericht als "im Wesentlichen so richtig".
Bei dem Mann handelt es sich nach Angaben eines Sprechers des Polizeipräsidiums um einen 48-Jährigen aus Frankfurt. Nach der Feststellung seiner Personalien sei er wieder freigelassen worden. Gegen ihn werde wegen Hausfriedensbruchs ermittelt. Laut Bundesinnenministerium geht es bei den Ermittlungen auch darum, ob sein Handeln strafrechtlich relevant gewesen sei.
Bericht: Mann stand unter Drogeneinfluss
Im "Spiegel" hieß es unter Berufung auf erste Erkenntnisse der Ermittler, es habe sich um einen Griechen gehandelt, der laut einem Schnelltest unter Drogeneinfluss gestanden habe. Der Mann habe bei der Vernehmung einen verwirrten Eindruck gemacht. Zu Scholz soll er demnach gesagt haben, er wolle mit ihm "ein bisschen Musik machen". Der Mann fuhr dem Bericht zufolge zufolge direkt hinter der Kanzlerkolonne in den Sicherheitsbereich des Flughafens ein. Nach dem Vorfall sei er zunächst unbehelligt geblieben und habe in seinem Auto eine Zigarette geraucht. Erst später hätten alarmierte Bundespolizisten ihn festgenommen.
Möglicherweise hätten die Sicherheitsleute des Kanzlers nicht sofort realisiert, dass es sich um eine nicht autorisierte Person handelte und nicht beispielsweise um einen zufällig anwesenden Flughafenmitarbeiter, hieß es weiter. Gefährliche Gegenstände seien bei ihm oder in seinem Fahrzeug nicht gefunden worden.
Es hätte auch "Schlimmeres passieren können"
Scholz selbst geht nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Wolfgang Büchner gelassen mit dem Vorfall um. Der Bundeskanzler habe sich "auch zu keiner Zeit bedroht gefühlt". Trotzdem stellten sich Fragen, die nun sorgfältig aufgeklärt werden müssten. Immerhin hätte auch "Schlimmeres passieren können".
Scholz selbst äußerte sich am Abend bei einer Pressekonferenz in der estnischen Hauptstadt Tallinn dazu. "Was die Frage betrifft, dass mir Leute 'guten Tag' sagen und mich begrüßen, ist das nie etwas, was mich besonders beeindruckt." Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen antwortete der Kanzler: "Die Polizei leistet gute Arbeit, ich fühle mich in sicheren Händen."