Nach der Wahl Von Beben und Nachbeben an der Saar
Politisch ist das Saarland seit Sonntag ein anderes Land. Nach fast 23 Jahren hat die CDU die Macht verloren und wird nicht mal mehr als Koalitionspartner gebraucht. Auch bei anderen Parteien ist einiges ins Rutschen gekommen.
Es dauert einen ganzen Tag, bis Tobias Hans öffentlich verkündet, womit nach dem desaströsen Wahlergebnis vom Sonntag ohnehin jeder gerechnet hat: Hans wird sich von der Spitze der CDU Saar zurückziehen und nicht erneut als Landesvorsitzender kandidieren.
Alles andere wäre auch nicht vermittelbar gewesen, nachdem die CDU unter seiner Führung nach 23 Jahren die Staatskanzlei verloren hat. Die SPD wird künftig allein regieren.
So lange wie Hans mit seiner öffentlichen Rückzugserklärung warteten andere nicht. Noch bevor der Landesvorstand am Montagabend zusammentrat, wurde bekannt, wer Ambitionen hat, dem 44-Jährigen nachzufolgen: Stephan Toscani, Noch-Landtagspräsident. Der 55-Jährige wurde lange Zeit als Kronprinz von Annegret Kramp-Karrenbauer gehandelt, bis die vor vier Jahren überraschenderweise Hans den Vorzug gab, als es um ihre Nachfolge ging.
Toscani könnte Parteivorsitz übernehmen
Toscani hat wichtige Unterstützer im CDU-Spitzenpersonal. Ihm würde im Falle einer Wahl die Aufgabe zukommen, die Saar-CDU aus den Trümmern wieder aufzubauen. Er müsste dann grundlegend umdenken. Als Landtagspräsident agiert er verbindend, über Fraktionsgrenzen hinweg. Nun könnte er nicht nur Parteichef, sondern auch Fraktionsvorsitzender und damit Oppositionsführer werden.
In der Partei gibt es den Wunsch, beide Funktionen in eine Hand zu legen. Toscani müsste der CDU Profil verleihen, nach zehn Jahren Großer Koalition klar machen, was die Union von der SPD überhaupt unterscheidet. Inhaltlich wirkte die Partei zuletzt mehr oder weniger blank.
Die Aufgabe wäre nicht völlig neu für Toscani. Von 2003 bis 2009 war er bereits Generalsekretär. Er müsste zudem dafür sorgen, dass der Führungszirkel der Partei wieder mächtiger wird. Unter Hans, so hört man es aus Parteikreisen dieser Tage oft, habe es kaum mehr Kommunikation gegeben. Er habe sich mit einem engen Kreis von Vertrauten eingemauert in der Staatskanzlei. Ratschläge von außen seien nicht durchgedrungen, Entscheidungen im Alleingang getroffen worden.
Hans dürfte keine Rolle mehr spielen
Am 28. Mai will die CDU ihren Landesvorstand neu wählen. In Regionalkonferenzen soll die Niederlage bis dahin aufgearbeitet und ein neues Personaltableau zusammengestellt werden. Hans dürfte dabei keine Rolle mehr spielen. Er steht mit 44 Jahren vor den Scherben seiner einst so hoffnungsvollen politischen Karriere. Ob er zumindest sein Landtagsmandat antritt, ließ er bislang offen.
Fraglich ist, ob ihm eine letzte "herzliche Bitte" an die künftigen Akteure erfüllt wird: Die nämlich, mehr Frauen in führende Positionen zu bringen. In der Saar-CDU haben bislang Männer das Sagen. Und in den Personal-Spekulationen spielen Frauen derzeit keine Rolle.
Die Linke muss sich neu erfinden
Konsequenzen aus der Wahl zieht auch die Linke. Sie steht mit 2,6 Prozent vor der politischen Bedeutungslosigkeit. Bei der letzten Landtagswahl hatten noch fast 13 Prozent der Saarländer der Partei ihre Stimme gegeben. Damals war Oskar Lafontaine noch an Bord und Garant für zweistellige Ergebnisse.
Dass die Partei diesmal so krachend scheiterte, dafür ist Lafontaine maßgeblich mitverantwortlich. Zehn Tage vor der Wahl trat er bei den Linken aus. Landeschef Thomas Lutze, mit dem Lafontaine seit Jahren über Kreuz liegt, bemühte einen Fußballvergleich. Lafontaines Austritt habe auf die Partei einen Effekt gehabt wie ein "Eigentor in der 93. Minute. Dann bist du platt. Ende. Aus. Vorbei."
Vorbei ist nun auch Lutzes Zeit als Landesvorsitzender. Er werde beim Parteitag Ende Mai nicht wieder kandidieren. Das sei bei diesem Ergebnis "eine Frage des Anstands", so Lutze, der sich bei der letzten Wahl immerhin noch ein Bundestagsmandat sicherte.
Wer immer ihm nachfolgt, steht vor der gigantischen Aufgabe, die Linke im Saarland neu aufzubauen. Angesichts des Wahlergebnisses und der verheerenden innerparteilichen Schlammschlachten der vergangenen Jahre dürfte es schon ein Kraftakt werden, sie überhaupt am Leben zu erhalten.
Frust nach Niederlage bei FDP und Grünen
Grüne und FDP führen keine öffentlichen Personaldiskussionen, obwohl beide Parteien ihr Ziel, in den Landtag einzuziehen, verpasst haben. Den Grünen fehlten gerade mal 23 Stimmen. 4,99502 Prozent, das ist bitter. Die Partei durchläuft nach jahrelangen internen Querelen einen Erneuerungsprozess. Das Personal scheint trotz der Niederlage motiviert, weiter zu machen.
Bei der FDP könnte der Frust dagegen wachsen. Die Hoffnungen, nach zehn Jahren Pause endlich wieder ins Parlament zu kommen, waren groß, insbesondere nach dem Erfolg bei der Bundestagswahl.
Landeschef Luksic muss nun die Mitglieder bei der Stange halten. Dabei ist er als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium häufig in Berlin. Das macht die Sache nicht leichter.
SPD muss Posten besetzen
Probleme der ganz anderen Art hat derweil die triumphierende SPD. Mit einer Alleinregierung hatte wohl keiner gerechnet. Nun steht die Partei vor der Aufgabe, voraussichtlich mindestens sechs Minister und Staatssekretäre zu stellen, zudem einen Landtagspräsidenten und die Fraktionsspitze.
Zwar gibt sich die künftige Ministerpräsidentin Anke Rehlinger optimistisch: Man habe jede Menge gutes Personal. Allein aus der Fraktion wird die Partei sich allerdings nicht bedienen können. 19 der künftig 29 SPD-Abgeordneten sind Neulinge im Parlament. Die Wahl hat das politische Saarland auch personell ordentlich aufgewirbelt.