Bundesverteidigungsministerin Lambrecht reicht Rücktritt ein
Verteidigungsministerin Lambrecht ist von ihrem Amt zurückgetreten. Bundeskanzler Scholz will die Nachfolge "zeitnah" regeln - das solle aus "Respekt vor der Ministerin" nicht mehr heute sein, sagte Vize-Regierungssprecherin Hoffmann.
Spekulationen über ihren Rücktritt gab es seit Tagen. Nun hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht Bundeskanzler Olaf Scholz um ihre Entlassung gebeten. Scholz habe die Bitte der SPD-Politikerin um Entlassung angenommen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.
In ihrer Erklärung begründete Lambrecht ihre Entscheidung so:
Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten. Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu. Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen. Ich danke allen, die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft.
Seit Langem umstritten
Die SPD-Politikerin war seit gut 13 Monaten im Amt, aber seit Langem umstritten. Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr und fehlende Sachkenntnis vor, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit wurde immer wieder bemängelt.
Negativschlagzeilen machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber. Jüngst sorgte Lambrecht für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.
Dank des SPD-Chefs
SPD-Chef Lars Klingbeil dankte der scheidenden Verteidigungsministerin für ihre Arbeit und zollte ihr Respekt für ihre Rücktrittsentscheidung. Er sagte, Lambrecht habe das Verteidigungsministerium in einer außen- und sicherheitspolitischen Ausnahmesituation übernommen. "Sie hat gemeinsam mit Bundeskanzler Scholz dafür gesorgt, dass wir mit dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen die Bundeswehr endlich wieder auf die Höhe der Zeit bringen können."
Nachfolge noch ungeklärt
Wer Lambrecht im Amt nachfolgt, ist noch unklar. Die Spitze des Verteidigungsressorts steht in der Ampel-Koalition der SPD zu. Als Kandidaten werden SPD-Chef Klingbeil, Arbeitsminister Hubertus Heil, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium, Siemtje Möller, und die Wehrbeauftragte Eva Högl gehandelt.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, Kanzler Scholz werde dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zeitnah einen Vorschlag für die Nachbesetzung des Amtes unterbreiten. Aus "Respekt vor der Entscheidung der Ministerin" werde die Entscheidung über die Nachfolge "aller Voraussicht nach" nicht mehr am Montag verkündet. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" meldet, dass am Dienstag eine Entscheidung getroffen werden solle.
Strack-Zimmermann für schnelle Nachfolgeregelung
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte eine schnelle Nachfolgeregelung für Lambrecht. Sie sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, sie erwarte von der Sozialdemokratie nun schnellstmöglich die Benennung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers. Als Voraussetzungen für das Amt nannte Strack-Zimmermann Durchsetzungsstärke im Ministerium und "vor allem Verständnis und Herz für die Soldatinnen und Soldaten".
CSU-Politiker Hahn für Högl als neue Ministerin
Der verteidigungspolitische Sprecher der CSU, Florian Hahn, sieht in der Wehrbeauftragten Högl eine geeignete Nachfolgerin für Lambrecht. Auf Twitter schrieb er, bei der Nachbesetzung müssten Affinität zur Truppe, hohe Einsatzbereitschaft und gewisse Vorerfahrungen die entscheidende Rolle spielen. "Eva Högl wäre geeignet."
"Respekt vor der Entscheidung"
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck wünschte der scheidenden Verteidigungsministerin alles Gute. Der Grünen-Politiker sagte, er habe Respekt vor der Entscheidung Lambrechts. Sie habe in schwierigen Zeiten Verantwortung getragen. "Dass sie sich jetzt für diesen Schritt entscheidet, war sicherlich nicht leicht. Es zeigt, wie ernst sie das Amt nimmt."
Verteidigungsministertreffen am Freitag
Am Freitag treffen sich die westlichen Verbündeten im sogenannten Ramstein-Format, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu beraten. Dabei wird es auch um die mögliche Lieferung von Kampfpanzern gehen. Grünen-Parteichef Omid Nouripour pochte deshalb auf eine schnelle Entscheidung und forderte auch, dass die Parität von Frauen und Männern im Bundeskabinett gewahrt bleibe.
Lambrecht ist nach Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) das zweite Kabinettsmitglied, das in der Regierung von Bundeskanzler Scholz seinen Rücktritt erklärt.
Spiegel hatte mit ihrem Ausscheiden im April die Konsequenzen aus einem umstrittenen Frankreich-Urlaub während der Flutkatastrophe 2021 in ihrer Zeit als Landesumweltministerin in Rheinland-Pfalz gezogen.