Sarkozy-Äußerung auf EU-Gipfel Berlin spricht von Missverständnissen
Die Bundesregierung ist nach dem Eklat auf dem EU-Gipfel um Schadensbegrenzung bemüht. Kanzlerin Merkel dementierte Aussagen von Frankreichs Präsident Sarkozy, wonach sie über die Räumung von Roma-Lagern in Deutschland geredet habe. Außenminister Westerwelle sprach von Missverständnissen.
Die Bundesregierung hat Äußerungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zurückgewiesen, in Deutschland seien laut Kanzlerin Angela Merkel ähnliche Räumungen von vermeintlichen Roma-Lagern wie in Frankreich geplant. Bundesaußenminister Guido Westerwelle stellte im Deutschlandfunk klar: "Es gibt derartige Überlegungen nicht." Er denke, es handle sich dabei um "ein Missverständnis".
In Deutschland gebe es Rückführungen, gleich um welches Herkunftsland es sich handele, immer nur nach Einzelfallprüfungen, betonte der FDP-Chef: "Das ist für uns Rechtslage, und etwas Anderes wäre auch gar nicht zulässig." Die deutsch-französische Freundschaft nähme durch die Diskussion keinen Schaden, sagte er weiter - sie sei "absolut gesund, absolut stabil".
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden in diesem Jahr bis Ende Juli 364 Menschen in den Kosovo zurückgeführt. Davon waren 102 Roma. Im vergangenen Jahr wurden 541 Personen in den Kosovo zurückgeschickt, davon 76 Roma. Ein Ministeriumssprecher verwies darauf, dass bis April 2009 ein Rückführungsstopp für Roma bestand. Eine Rückkehr sei nun aber vom Sicherheitsaspekt her vertretbar.
Seibert: Merkel und Sarkozy sprachen nicht über Roma
Zuvor hatte bereits Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt, Merkel habe weder im Europäischen Rat noch bei Gesprächen mit Sarkozy am Rande des Rates über vermeintliche Roma-Lager in Deutschland, geschweige denn über deren Räumung gesprochen. Beide hätten auch nicht über die Abschiebung von Roma aus Deutschland in das Kosovo geredet.
Sarkozy, der wegen der französischen Abschiebepraxis beim EU-Gipfel unter großem Druck stand, hatte dies behauptet. "Frau Merkel hat mir gesagt, dass sie beabsichtigt, in den kommenden Wochen Lager räumen zu lassen", hatte er nach einem Gespräch mit Merkel auf einer Pressekonferenz gesagt.
Westerwelle kritisiert EU-Kommissarin Reding
Westerwelle kritisierte im Deutschlandfunk hingegen die Äußerungen von EU-Justizkommissarin Viviane Reding zum französischen Vorgehen gegen Roma: "Frankreich in die Ecke von Untaten des Zweiten Weltkriegs zu stellen, ist absolut inakzeptabel und verletzend." Redings Aussage könne mit dazu geführt haben, dass Sarkozy "sehr emotional und sehr engagiert" Stellung bezogen habe.
Westerwelle sagte, es sei "die Pflicht und nicht nur das Recht" der EU, sich um die Einhaltung der Gemeinschaftsregeln zu kümmern. Gleichzeitig sei es Recht und Pflicht der französischen Behörden, "nationale Regeln auch durchzusetzen". Diese Balance zwischen europäischen Verpflichtungen und nationalen Regeln werde Frankreich zweifellos meistern.
Sorgte mit ihrem Nazi-Vergleich für Unmut: EU-Kommissarin Reding
Der EU-Parlamentsabgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) forderte Merkel hingegen auf, sich im Streit über die französische Roma-Politik öffentlich vor die EU-Kommission und damit gegen Sarkozy zu stellen. Bütikofer sagte der "Frankfurter Rundschau", Merkel müsse ihrem "engen Freund Sarkozy in der Sache deutlich machen", dass Reding völlig Recht habe. Die Kanzlerin könne sich "nicht vor der Gretchenfrage drücken, wie sie es mit der Verbindlichkeit der Bürgerrechte in der EU hält".
Umstrittener Nazi-Vergleich
Reding hatte Frankreich wegen der Ausweisung von Roma ein Vertragsverletzungsverfahren angedroht. Dabei hatte sie gesagt, es sei eine Lage entstanden, von der sie nicht geglaubt hätte, dass Europa sie nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal erleben würde. Frankreich hatte in den vergangenen Wochen Tausende Angehörige der Minderheit in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien zurückgeschickt.
Weil Reding das Vorgehen Frankreichs mit der Nazi-Zeit verglichen hatte, stand auch sie beim EU-Gipfel in der Kritik. Merkel beanstandete die Wortwahl der Kommissarin als unpassend. Inzwischen relativierte Reding ihre Wortwahl.