Sachsen-Anhalt Wie eine Wohnungsbaugesellschaft aus Oschersleben gegen den Leerstand kämpft
Weil Neubau schon lange zu teuer ist, stellt sich eine Wohnungsbaugesellschaft aus Oschersleben mit der Sanierung von Plattenbauten dem Leerstand entgegen. Doch auch dafür werden die Mittel allmählich knapp. Denn: Während Baukosten, Energiepreise und Zinsen gestiegen sind, stagnieren die Mieten und damit auch die Erlöse.
- Sachsen-Anhalt hat die höchste Leerstandsquote aller Bundesländer.
- Die Wohnungsbaugesellschaft Bewos versuchte in der Vergangenheit mit der Sanierung von Plattenbauten, den Leerstand zu reduzieren.
- Nun soll die Städtebauförderung jedoch gekürzt werden. Kosten steigen. Mieten stagnieren. Ein Dilemma.
Eigentlich dürfte Anja Blank aufgeregt sein. Schließlich steht die Geburt ihres ersten Kindes an. Der ausgerechnete Geburtstermin liegt im November. "Es könnte aber auch jetzt schon jeden Moment so weit sein", sagt die 24-Jährige und lächelt: "Wir müssen langsam die Tasche für das Krankenhaus packen, für den Fall der Fälle."
Noch aber wirkt die Verkäuferin entspannt. Was auch an der Umgebung liegt, ihrer Drei-Zimmer-Wohnung in Oschersleben: "Seit wir im Juli eingezogen sind, fühlen mein Partner und ich uns hier sehr wohl", sagt sie. "Hier ist es schön ruhig, es gibt nicht so viele Parteien und alles wurde neu gemacht. Das gefällt uns wirklich super. Ich bin nicht so ein Fan von Plattenbau-Blöcken."
Hier ist es schön ruhig, es gibt nicht so viele Parteien und alles wurde neu gemacht. Anja Blank, Mieterin am Max-Planck-Ring |
Doch genau genommen lebt Anja Blank mit ihrem Partner, der Katze, dem Hund und bald auch dem Nachwuchs in genau so einem Plattenbau. 2019 wurde der Block am Max-Planck-Ring allerdings saniert. "Das Haus hatte damals einen Leerstand von 50 Prozent. Die Attraktivität war mies", sagt Thomas Harborth, Geschäftsführer der zuständigen Wohnungsbaugesellschaft Bewos. "Wir haben dann zweieinhalb Geschosse zurückgebaut und das Gebäude komplett energetisch modernisiert und barrierearm gestaltet."
Das Ergebnis: eine hohe Nachfrage. "Innerhalb eines halben Jahres waren wir so gut wie vollvermietet", sagt Harborth über die 36 Wohnungen. "Auch heute stehen vielleicht gerade mal ein oder zwei Wohnungen vorübergehend leer." Doch er ist sich sicher: Lange bleibt das nicht so. Ein erfolgreiches Beispiel also, um dem hohem Leerstand im Land entgegenzuwirken.
Heute würden wir das nicht mehr ohne Weiteres schaffen. Thomas Harborth, Bewos-Geschäftsführer |
So sah der Block am Max-Planck-Ring in Oschersleben vor der Sanierung aus.
Sanierung kostet 2,6 Millionen Euro
Sachsen-Anhalt hat die höchste Leerstandsquote aller Bundesländer: 8,9 Prozent. Ein Wert, doppelt so hoch wie der bundesweite Schnitt. Auch Oschersleben hat mit Leerstand zu kämpfen: Standen 2011 laut Zensus noch 7,7 Prozent der privat genutzten Wohnungen in privater oder kommunaler Hand leer, waren es 2022 bereits zehn Prozent. "Aktuell liegen wir bei acht Prozent", sagt Bewos-Geschäftsführer Harborth, bezieht sich damit jedoch nur auf die kommunalen Wohnungen.
Leerstand bedeutet fehlende Miteinnahmen bedeutet keine bis wenige Mittel für notwendige Investitionen – vor diesen Herausforderungen steht die Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt. Bei der Bewos haben sie das Problem früh erkannt und angepackt, zum Beispiel am Max-Planck-Ring.
Blick von oben: Das Gebäude wurde energetisch saniert und Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach installiert.
Vieles bedacht: Wärmedämmung, Photovoltaik und Barrierefreiheit
Eine Fassade in moderner Optik, Balkone, Wärmedämmung, eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und überall, wo es geht, Barrierefreiheit: "Nach der Sanierung war die Nachfrage nach den Wohnungen hier sehr hoch", erzählt Thomas Harborth. 2,6 Millionen Euro hätte die Sanierung der 36 Wohnungen damals gekostet, 500.000 Euro davon seien durch Fördermittel vom Land und Band übernommen worden. "Wir hatten Glück, dass wir vor der Erhöhung der Baupreise gebaut haben. Außerdem hatten wir noch einen guten Zinssatz", sagt Harborth. "Heute", ist er sich sicher, "würden wir das nicht mehr ohne Weiteres schaffen."
"Wir brauchen preiswerte Wohnungen!"
Warum sich die Bewos damals für eine Sanierung und nicht einen Abriss und folgenden Neubau entschieden hat? "Der Standort ist gut und außerdem spielt die Nachhaltigkeit eine Rolle", sagt Harborth. "Und Neubau kostet immer zwei- oder dreimal mehr im Vergleich zur Sanierung." Hätte das Unternehmen neu gebaut, wären die Mieten schlussendlich teurer gewesen, um den Neubau zu finanzieren. Das hätte wiederum wohl für Leerstand gesorgt, denn: "Wir haben eine Nachfrage an Wohnungen und auch aktuell eine Warteliste von 50 Personen", sagt Harborth, aber: "Wir haben eben eine Nachfrage nach preiswerten Wohnungen. Wenn die Miete zu hoch wäre, kriegen wir sie nicht vermietet."
Aktuell zahlen die Mieter am Max-Planck-Ring in der Spitze 6,50 Euro pro Quadratmeter, im Schnitt 5,50 Euro. "Das Mieterklientel, das bei uns nachfragt, hat auch nicht mehr Geld zur Verfügung", erklärt Harborth. "Man braucht einen Wohnberechtigungsschein, um hier einzuziehen. In unserem Gesamtbestand haben wir 50 Prozent Hartz-IV-Empfänger." Also "müssen wir unsere Wohnungen auf einem geringen preislichen Standard bestmöglich sanieren, um vermieten zu können", sagt der Geschäftsführer und bekräftigt: "Wir brauchen preiswerte Wohnungen!"
Neubau sei deshalb aktuell überhaupt kein Thema, sagt Harborth, denn: "Wir haben in der Region zu wenig gut dotierte Arbeitsplätze und Menschen, die sich höhere Mieten leisten können."
Ohne Migranten wäre Leerstandsquote noch höher
Stattdessen wird also weiter saniert, wenn auch nur noch in kleinen Schritten. "Wir brauchen Zuschüsse für unsere Projekte", sagt Harborth. Vieles ist schließlich teurer geworden: Baukosten, Energiepreise. Abzuwarten bleibe, wie sich die Debatte um die Ankündigung der Landesregierung, die Mittel für die Städtebauförderung drastisch kürzen zu wollen, entwickele. "Wir würden den Leerstand gerne in Richtung der vier Prozent reduzieren, bräuchten dafür aber Mittel, um Wohnungen zu sanieren. Und 30.000 Euro pro Wohnung sind da gar nichts. Diese Kosten müssen wir durch Förderung reduzieren, damit es zu den Erlösen passt."
Harborth erklärt: "Wir haben vor zwölf Jahren für 1.500 Euro pro Quadratmeter gebaut und hatten eine Miete von sieben Euro. Heute würden wir für das Doppelte bauen oder auch sanieren, aber die Miete ist stehen geblieben." Immerhin: Migration wirke sich positiv auf die Leerstandsquote aus. "Wir haben etwa zehn Prozent Migranten unter unseren Mietern", sagt Harborth. "Ohne sie wäre der Leerstand noch höher."
Wir benötigen mehr Arbeitsplätze, die dafür sorgen, dass die Menschen auch hier bleiben und hier Geld für ihre Miete ausgeben, um den Leerstand zu reduzieren. Thomas Harborth, Bewos-Geschäftsführer |
Hoffnungen setzte auch die Bewos in die Ansiedlung von Intel in der Region. "Die vorübergehende Absage ist nicht schön", sagt Harborth. "Wir benötigen mehr Arbeitsplätze, die dafür sorgen, dass die Menschen auch hier bleiben und hier Geld für ihre Miete ausgeben, um den Leerstand zu reduzieren. Aber für mich persönlich ist das Glas immer halb voll. Also hoffe ich bezüglich Intel noch auf eine positive Entwicklung."
Preisgekrönte Umgestaltung der alten Bahnfläche
Um das Wohnen in Oschersleben attraktiver zu gestalten, hat die Bewos in den vergangenen Jahren stark investiert. Das Areal am Bahnhof wurde neu gestaltet, 2013 zunächst die alte Post gekauft, wenig später den alten Bahnhof. "Den drittältesten Bahnhof Deutschlands", sagt Thomas Harborth nicht ohne Stolz. Beide Gebäude werden genutzt, nebenan entstand in Zusammenarbeit mit der Stadt eine neue Schwimmhalle, daneben ein Spielplatz, dahinter ein Jugendzentrum mit Sportplatz. Das Projekt wurde im vergangenen Jahr mit dem Stadtumbau Award des Landes ausgezeichnet.
Geschäftsführer Thomas Harborth erklärt die Investitionen: "Wir müssen Gründe schaffen, damit die Menschen hier wohnen bleiben und wir damit Mieter genieren können."
Die Platte kann gerne Platte bleiben. Nur machen wir sie eben etwas schicker. Thomas Harborth, Bewos-Geschäftsführer |
Zum Beispiel für sanierte Plattenbauten wie am Max-Planck-Ring. "Die Platte kann gerne Platte bleiben", sagt Harborth. "Nur machen wir sie eben etwas schicker." Sein Blick wandert über das Gebäude. "Und wenn man sich anschaut, was man aus so einer Platte machen kann", sagt er, "dann steht das einem Neubau in nichts nach."
Unter anderem ein Spielplatz im Bahnhof-Stil mit alter Lok ziert das Bahnhofsareal in Oschersleben. Im Hintergrund ist die neue Schwimmhalle zu sehen.
MDR (Daniel George) | Erstmals veröffentlicht am 20.10.2024