Sachsen-Anhalt Warum der Landtag weiter an der Corona-Notlage festhalten will
Vor rund anderthalb Jahren endeten auch die letzten Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Regelungen wie die Maskenpflicht sind längst vergangen. Trotzdem wird im Landtag von Sachsen-Anhalt debattiert, auch 2025 eine Corona-Notlage festzustellen. Das hat mit dem neuen Landeshaushalt zu tun. In einer Notlage kann die Schuldenbremse umgangen werden.
- Im Landtag ist am Mittwoch erstmals über den neuen Landeshaushalt für 2025 und 2026 diskutiert worden.
- Um die Schuldenbremse ein weiteres Jahr umgehen zu können, soll das Parlament für 2025 ein weiteres Mal eine Corona-Notlage feststellen.
- Sowohl beim Landesrechnungshof als auch in der Opposition stößt dieses Vorgehen auf teils heftige Kritik.
Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am Mittwoch erstmals über den Entwurf eines Landeshaushalts für die kommenden beiden Jahre debattiert. Es sind die Planungen der Landesregierung, wofür sie künftig Geld ausgeben will und muss. Die Abgeordneten im Landtag werden in den nächsten Wochen und Monaten über Veränderungen dieser Finanzplanungen sprechen. Sie sind es, die dem Haushalt am Ende zustimmen müssen.
Schon jetzt ist klar: Viel Spielraum bleibt nicht. Es muss gespart werden. So plant die Landesregierung unter anderem, vorerst kein neues Personal mehr für den öffentlichen Dienst einzustellen – mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel für Lehrer und Polizisten. Doch das allein reicht nicht. Und so greift Finanzminister Michael Richter (CDU) offenbar zu einer Maßnahme, um einige Ausgaben nicht über den normalen Landeshaushalt stemmen zu müssen.
Corona-Sondervermögen soll weiter genutzt werden
Corona-Sondervermögen ist das Stichwort. Beschlossen wurde es vor knapp drei Jahren. Dabei handelt es sich um etwas weniger als zwei Milliarden Euro, die das Land zusätzlich zum normalen Haushalt aufbringt, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Das Geld stammt jedoch aus Krediten – Schulden. Trotz der geltenden Schuldenbremse konnte man diese weiteren Schulden aufnehmen, weil es sich erwiesenermaßen um eine akute Notlage handelte.
Diese Notlage sorgt außerdem dafür, dass die aufgenommenen Kredite nicht zurückgezahlt werden müssen, solange die Notlage besteht. Und über die Frage, ob ebenjene Notlage noch akut ist, entscheidet der Landtag jedes Jahr aufs Neue. So bittet die Landesregierung auch für 2025 noch einmal, dem entsprechenden Antrag zuzustimmen. "Die mit der Corona-Pandemie entstandene außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Landes entzog, besteht nach wie vor fort", heißt es darin.
Die Maßnahmen aus dem Corona-Sondervermögen, mit denen die letzte Pandemie bewältigt und einer nächsten vorgebeugt werden soll, seien noch nicht abgeschlossen, begründet Michael Richter den Antrag. Bis 2026 sollen alle diesbezüglichen Maßnahmen abgeschlossen werden. Alles, was über 2026 hinaus finanziert werden muss, müsse dann wieder aus dem normalen, dem Kernhaushalt finanziert werden, so der CDU-Politiker. "Das ist dann Aufgabe der neuen Landesregierung", erklärt er im MDR-Interview.
Finanzminister Michael Richter (CDU) hält eine erneute Corona-Notlage für gerechtfertigt.
Kritik an Corona-Notlage
Kritik an diesem Vorgehen kommt vom Landesrechnungshof. Dessen Präsident Kay Barthel vertritt die Meinung, dass Katastrophenschutz und Krisenvorbereitung zu den Kernaufgaben eines Staates gehören – und dementsprechend auch in den Kernhaushalt. Er könne sich nicht vorstellen, wie man laufende Ausgaben aus dem Corona-Sondervermögen ab 2027 dann wieder über den Landeshaushalt finanzieren wolle.
Dass man die aufgenommenen Kredite durch die erklärte Notlage nicht tilge, verschlimmere die Misere und werde die Handlungsspielräume nach 2026 weiter einschränken. Die Zinsaufwendungen seien von einem Jahr zum anderen über 100 Millionen Euro gestiegen, so Barthel. "Und ich würde mal die schlimme Prognose wagen, dass Sie nach 2026 die Diskussion um eine weitere Notlage, möglicherweise eine andere, hören werden, weil die Lücke so gigantisch ist, dass die ohne Kredite gar nicht schließbar wäre." Kurzum, ein Landeshaushalt wäre dann nur mit noch mehr Schulden möglich.
Landesrechnungshof-Präsident Kay Barthel kritisiert die Finanzpolitik der Landesregierung.
Zweifel auch im Parlament
Dass der Landtag nun erneut eine Corona-Notlage feststellen soll, damit das Land seine Ausgaben decken kann, stößt auch in der Opposition auf Kritik. "Die finanzpolitische Karre steckt bereits so tief im Dreck, dass für das kommende Jahr eine Corona-Notlage herbeifabuliert werden muss, weil sich die Koalition außerstande sieht, Kernaufgaben des Landes auch im Kernhaushalt abzubilden, ohne dabei die Schuldenbremse zu brechen", kritisiert AfD-Finanzpolitiker Jan Moldenhauer in seiner Rede.
Aus der Koalition ist derweil zu hören, dass sie auch für 2025 eine Corona-Notlage feststellen werde. So können weitere Kredite aufgenommen werden, um die Ausgaben des Landes zu stemmen – trotz Schuldenbremse.
MDR (Engin Haupt)