Ein Mädchen führt ein Pferd mit einem Kind

Sachsen-Anhalt Pferd im Unterricht: Sekundarschule züchtet seit 60 Jahren

Stand: 10.09.2024 14:55 Uhr

Weil einem Lehrer einst ein einsames Pony Leid tat, brachte er es mit in die Schule. 60 Jahre ist das jetzt her. Seitdem hat die Halberstädter Sekundarschule Am Gröpertor eine eigene Pferdezucht. Dort werden jetzt gleich zwei Jubiläen gefeiert.

Von Carsten Reuß, MDR SACHSEN-ANHALT

Die Sekundarschule Am Gröpertor in Halberstadt ist ein altehrwürdiger Bau aus dem 19. Jahrhundert. Die Flure sind lang und die Klinkersteine an der Fassade sehen aus wie frisch geputzt. "Europaschule" steht am Eingang. Diesen Titel erhielt die Schule im Jahr 2005, weil sie intensive Kontakte zu Partnerschulen in Tschechien, Frankreich und den Niederlanden pflegt. Die 360 Schülerinnen und Schüler können sich über moderne Lehrmittel wie elektronische Tafeln freuen und scheinen auch sonst recht zufrieden mit ihrer Schule zu sein.

Einzige öffentliche Schule mit Pferdezucht

Bei einer spontanen Umfrage auf dem Schulhof sind Aussagen zu hören wie: "coole Lehrer", "es ist sehr schön hier" oder "der Zusammenhalt ist groß". Doch immer wieder zu hören ist der Begriff "Pferde". "Dass wir eine Pferdezucht haben ist cool", meint eine Schülerin. Und wirklich: Die Europaschule Am Gröpertor in Halberstadt hat eine eigene Pferdezucht.

Das Wiehern gehört hier zum Alltag wie anderswo die Pausenklingel, und ab und an kurvt auch ein Traktor mit Pferdemist über den Schulhof. Wo der Pausenhof aufhört, beginnt der Pferdestall der Schule. Es ist der Lieblingsort von Freya Schneider. Während ihre Klassenkameraden ihre Pausenbrote essen, bereitet die 13-Jährige eine Reitstunde vor. Sie wirft eine Decke über den Rücken des Pferdes und schnallt einen Voltigiergurt mit Griffen fest. Freya: "Der ist besser für die Kinder, da können sie sich dran festhalten".

Schüler einer Förderschule haben sich zum therapeutischen Reiten angesagt. Freya ist Mitglied in der hauseigenen Schülerfirma, die sich um solche Termine kümmert. Sie helfe beim Reitunterricht, erzählt Freya, und sie kümmere sich um die Pferde. Drei- bis viermal in der Woche mache sie das, so die Schülerin der 8. Klasse. Sie liebe Pferde und fühle sich hier richtig wohl.

Ein Mädchen mit einem Pferd

Ein Mädchen mit einem Pferd

Erstes Pferd "Fanny" kam 1964 an die Schule

Das Zeitalter der Pferde an der Gröpertorschule begann 1964 mit Fanny, einem Shetlandpony. Das sollte eigentlich die schwere Pauke des Halberstädter Jugendblasorchesters ziehen, war dafür aber zu ängstlich. Das Pony habe dann gelangweilt und traurig in einem Stall gestanden. Kaum jemand habe sich um das Tier gekümmert, erzählt Lehrer Jörg Wenske. An der Schule sei damals ein Lehrer namens Hermann Nagel gewesen, der ursprünglich gelernter Landwirt war. Der habe bei einem Wandertag das Pony gesehen und gefragt, ob das Pferd an die Schule gebracht werden kann. So sei das erste Pferd im Jahr 1964 an die Schule gekommen.

Schwarz-weiß Bild auf dem zwei Kinder auf einem Pferd reiten

Schon früh wurde Voltigierunterricht angeboten – wie hier auf einem Haflinger.

In der DDR wollte man damals Stadtkinder für landwirtschaftliche Berufe begeistern, und so wurde an der Schule eine Haflingerzucht gestartet, die dann als FDJ- und Pionier-LPG benannt wurde.

Aus der Pionier-LPG wurde nach 1989 ein an die Schule gekoppelter Pferdesport- und zuchtverein. Die Schülerinnen und Schüler können seitdem verschiedene Wahlkurse zu Pferdezucht- und -pflege belegen. Das Wohl der derzeit 14 Tiere bestimme den Schulalltag, so Kerstin Ahlsleben, die an der Schule Teamleiterin für Pferdezucht und Vorsitzende des Pferdezuchtvereins ist.

Tiere schulen soziale Kompetenzen

Beim Umgang mit den Tieren würden vor allem soziale Kompetenzen geschult, das Miteinander, sich gegenseitig zu unterstützen, Zuverlässigkeit sei ganz wichtig.

Die besonders stark an den Pferden interessierten Schülerinnen und Schüler sind dann in der Schülerfirma "Hugo & Friends Company" tätig. Der Name ist angelehnt an ein Pony, das einmal der Liebling der Schule war. Hugo war einst gemeinsam vor dem Schlachter gerettet und unter großer Anteilname der Bevölkerung wieder aufgepäppelt worden. Zur Zeit sind 16 Jugendliche in der Schülerfirma tätig, auch Freya Schneider gehört dazu.

Schule wird 140 Jahre alt

Seit 60 Jahren gehören die Pferde zum Schulalltag. Die Schule selbst wird 140 Jahre alt. Sie war 1884 als Volksschule eingeweiht worden. Das wird jetzt gebührend unter dem Motto "200 Jahre Schule mit Pferden" gefeiert. Ein kleiner Kunstgriff mit Augenzwinkern, der für Aufmerksamkeit sorgen soll. Die brauchen Schule und Verein auch. Denn es muss dringend investiert werden, und das ist derzeit alles andere als leicht. Freya hat indes ihre Lieblinge wieder in den Stall geführt, eine extra Portion Heu hat sie auch spendiert.

MDR (Carsten Reuß, Hanna Kerwin)