Puppentheater Festival "Kasper? Kasper!"

Sachsen-Anhalt Kasper erobert die Bühnen am Puppentheater Magdeburg

Stand: 04.06.2025 04:00 Uhr

Das Kaspertheater hat es bereits auf die deutsche Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes geschafft. Am Puppentheater Magdeburg steht der subversive Kasper jetzt im Rampenlicht: Das Festival "Kasper? Kasper!" zeigt die vielen Facetten der Figur – vom klassischen Jahrmarktskasper bis zu experimentellen Formen. Das fünftägige Festival, das am Mittwoch beginnt, versammelt 16 internationale Gastspielproduktionen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Gespielt wird auf allen Bühnen des Hauses.

Von Sandra Meyer, MDR Kulturdesk

Der Kasper als Festival-Thema: Wer hätte das gedacht? Zumal man in Magdeburg bisher eher für das zeitgenössische und genreübergreifende Figurentheater sensibilisiert wurde. Nun aber schaut man auf das traditionelle Handpuppenspiel mit der wohl bekanntesten Figur überhaupt. Eine Ambivalenz, die man mit dem Festival aufgreifen wollte.

Festival versammelt die vielen Facetten des Kaspers

Deshalb Kasper mit Fragezeichen und Ausrufezeichen, sagt die künstlerische Leiterin Juliane Solvång. "Kasper? Kasper! Das ist tatsächlich eine Frage und zugleich auch eine Antwort, weil uns interessiert, warum wir spielen, wie wir spielen", erklärt Solvång. Der Impuls, ein Kasper-Festival auf die Bühne zu bringen, sei vor einem Jahr gekommen, die anfängliche Skepsis allmählich der Neugier gewichen, "weil der Kasper ein europäisches Spielprinzip ist, mit ganz vielen Facetten."

Zwei woodoo-artige Handpuppen zwischen Palmen blicken grimmig ins Bild.

Kasper als Wunderdoktor – es wird grotesk in "Quacksalver" (ab 6 Jahren) vom Sofie Krog Theater aus Dänemark.

Tatsächlich hat der Kasper in vielen verschiedenen europäischen Ländern unterschiedliche Namen und auch Geschichten. Mal ist es Pulcinella, Punch oder Guignol – also nicht altbacken a la "tri tra trullala". "Der Kasper ist überraschend politisch, er ist misogyn. Er ist brutal, kann aber auch ungemein witzig sein", schwärmt Solvång. Für jedes Problem habe der schlagfertige Kasper eine Lösung.

Der Kasper ist überraschend politisch, er ist misogyn. Er ist brutal, kann aber auch ungemein witzig sein. Juliane Solvång | Künstlerische Leiterin

Diese Vielfalt, die den Kasper so spannend mache, werde wiederum durch das Spielprinzip geeint. Solvång sieht darin eine geradezu kulturpolitische Dimension. Dass der Kasper als Spielprinzip auf die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen worden ist, im Jahr 2021, habe man deshalb als Theaterinstitutionen in Magdeburg sehr begrüßt.

16 internationale Produktionen in Magdeburg

Auf dem Festival kann man nun 16 Inszenierungen aus England, Frankreich oder Slovenien erleben. Sie alle präsentieren eine ganz eigene Sicht auf die lustige Figur, die übrigens meistens mit dem Konterpart Tod oder Teufel auf die Bühne kommt, also nicht nur etwas für Kinder ist, so die Dramaturgin Sofie Neu.

Drei schlichte Handpuppen aus Holz, ohne Augen und mit langer Nase,stehen in farbigen Regenmänte in der Reihe.

"Die furchtlosen Bretonen" (ab 7 Jahren) der Compagnie La Mandale sind überall zur Stelle, wo das Wasser steigt.

Als Beispiel nennt sie die Produktionen "La Manékine" und "Coulrophobia". Das eine sei ein sehr düsteres Märchen. "In dem anderen Stück gibt es sogenannte disappointing nudity, also Nacktheit auf der Bühne. Und das sind Sachen, an denen man eben sehr gut sehen kann, wie diese Wildheit und dieses Grenzüberschreiten im Handpuppenspiel im Kaspertheater sehr, sehr lustig für ein erwachsenes Publikum sein kann."

Absurd witzig wird es auch bei der französischen Inszenierung "Die fruchtlosen Bretonen". Da gehen zwei süße Figürchen mit rotem und gelbem Gummianzug und Wäscheklammern auf der Nase in die unterirdischen Rohre der Kanalisation. Da spritzt dann auch mal ein bisschen Wasser über den Bühnenrand und auch sonst wird man ab und an beteiligt.

Zwei unheimliche Clowns - einer hält sich am anderen fest, der wiederum eine Clown-Handpuppe trägt.

Mit "Coulrophobia" (ab 16) greift das Opposable Thumb Theatre die britische "Punch and Judy" - Tradition auf, ein deftiges Handpuppentheater.

Für die künstlerische Leiterin Juliane Solvång ist die Produktion "Coulrophobia – die Angst vor Clowns" der britischen Gruppe Opposable Thumb Theatre ein ausgesprochen spannender Mix aus Clownerien. Es werde sehr viel mit dem Publikum gearbeitet. Deshalb empfiehlt sich auch, sich weit nach vorne zu setzen: "Es ist eine einzige Party. Wir sehen in einem wunderbaren Bühnenbild aus Pappkartons zwei Spieler, die diese Kartons bespielen, als wären sie Puppen, Marionetten, Handpuppen. Es gibt auch Punch-and-Judy-Szenen in diesem Stück, ansonsten sehr viel physisches Theaterschauspiel."

Ein Hauch von Jahrmarkt

Immer geht es hier um virtuoses Handpuppenspiel, das aber mit modernen Inszenierungsformen verbunden wird, mal mit Masken, Musik oder Projektionen – teils in Jahrmarktsatmosphäre, wenn draußen vor der Klappe eines Getränke-Feinkostladens gespielt wird.

Dramaturgin Sofie Neu erinnert daran, dass das Kaspertheater früher auf Marktplätzen gespielt wurde und Leute da einfach vorbeikamen: "Deswegen war uns wichtig, dass es auch Stücke gibt, die draußen gespielt werden und keinen Eintritt kosten."

Durch eine Holzwand mit sechs kleinen quadratischen Löchern blicken zwei menschlicher Köpfe und vier kleine von Händen in schwarzen Lederhandschuhen geführte Puppenköpfe, seltsam übereinander gestapelt.

Kasper trifft auf Kafka in "Der Prozess oder Die traurige Geschichte des Josef K." mit dem slowenischen Maribor Puppet Theatre.

Daneben kann man aber auch die Figurensammlung in der Villa P besuchen oder eine Pop-up-Ausstellung mit VR-Brille. Und in einem Symposium geht es eher kritisch um die Instrumentalisierung des Kaspertheaters in den politischen Systemen des 20. Jahrhunderts.

Ob wissenschaftlich oder unterhaltend, als Inszenierung, in Workshops oder im Film: Beim Puppentheater Festival in Magdeburg werden tatsächlich alle Facetten dieser schillernden Figur Kasper betrachtet. 

Redaktionelle Bearbeitung: lm