Ein Fabrikgeländer auf einem computeranimierten Bild

Sachsen-Anhalt Intel stoppt Pläne für Werk in Magdeburg

Stand: 17.09.2024 08:37 Uhr

Eigentlich sollte der Spatenstich noch in diesem Jahr erfolgen – doch nun hat Intel die Pläne für den Fabrikbau in Magdeburg auf Eis gelegt. Laut Unternehmenschef Gelsinger werde sich der Bau wegen Sparmaßnahmen voraussichtlich um zwei Jahre verzögern. Insgesamt 3.000 direkte Arbeitsplätze sollten am Magdeburger Eulenberg entstehen.

Von MDR SACHSEN-ANHALT

Der US-amerikanische Chiphersteller Intel hat den geplanten Bau des Werks in Magdeburg auf Eis gelegt. Wie Firmenchef Pat Gelsinger am Montagabend mitteilte, wird sich das Projekt voraussichtlich um zwei Jahre verzögern. Im Vorfeld der Intel-Entscheidung hatte es ein direktes Gespräch zwischen Firmenchef Pat Gelsinger, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gegeben. Darin habe man sich über Gründe der Verschiebung des Baustarts ausgetauscht, sagte Sachsen-Anhalts Regierungssprecher Matthias Schuppe MDR SACHSEN-ANHALT. Der Ministerpräsident nehme die Entscheidung zur Kenntnis und werde sich um 14 Uhr in einer Pressekonferenz zu den Folgen des Aufschubs der Großinvestition in Magdeburg äußern.

Intel stoppt Magdeburg-Pläne

Wirtschaftsminister Schulze weiter optimistisch

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) rechnet weiter mit einer Intel-Ansiedlung in Magdeburg. "Intel hält, wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung weiter an dem Projekt fest. Das ist für uns alle eine wichtige Nachricht", so Schulze. Die Verschiebung sei für die Landesregierung nicht überraschend gekommen, so Schulze, man sei in den vergangenen Wochen in einem engen Austausch mit Intel gewesen. In den nächsten Wochen seien Gespräche geplant, um zu klären, wie es nun weitergeht.

3.000 Arbeitsplätze in Magdeburg geplant

An dem geplanten Standort am Magdeburger Eulenberg hatte der Konzern den Bau von zwei Chip-Fabriken angekündigt. Der erste Spatenstich sollte eigentlich noch in diesem Jahr durchgeführt werden. In den Planungen waren 3.000 Arbeitsplätze angekündigt worden. Zudem sollten insgesamt 30 Milliarden Euro in den Standort investiert werden. Dafür hatte auch die Bundesregierung Unterstützung in Aussicht gestellt. Insgesamt 9,9 Milliarden Euro staatliche Hilfen waren im Gespräch.

Lindner will Gelder nun anders verwenden

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat auf die Absage bereits reagiert. Er schrieb auf dem Kurznachrichtendienst X, dass die nicht benötigten Mittel für die Intel-Chipfabrik in Magdeburg nun im Bundeshaushalt eingesetzt werden sollten: "Alle nicht für Intel benötigten Mittel müssen zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden". Alles andere sei keine verantwortungsbewusste Politik. Im Haushaltsentwurf für 2025 klafft eine Lücke von zwölf Milliarden Euro, von der die Regierung bisher nicht konkret weiß, wie sie geschlossen werden soll.

Aus dem grünen Bundeswirtschaftsministerium war hingegen zu hören, dass über die Weiterverwendung in Ruhe beraten werden sollte. Die nun zur Verfügung stehenden Milliarden sollten lieber im Klimafonds KTF belassen und zur Finanzierung von Klimaprojekten verwendet werden, hieß es aus dem Umfeld von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Sparzwänge bei Intel

Anfang August hatte Intel bekanntgegeben, dass im kommenden Jahr mehr als zehn Milliarden US-Dollar eingespart werden sollen. Dafür plane man unter anderem, von weltweit rund 125.000 Stellen im Konzern und den Tochterunternehmen mehr als 15 Prozent zu streichen. Pat Gelsinger, Chef des US-Halbleiter-Konzerns, sagte, man investiere weiterhin in die Kernbereiche. Denn durch den Ausbau der Produktionskapazitäten in den USA und der EU wolle man die Lieferketten widerstandsfähig machen.

Zu Intels Plänen gehörte auch, die Fertigungskapazitäten zu erweitern und stärker zum Auftragsfertiger für andere Chip-Entwickler zu werden. In diesem Zusammenhang war auch der Bau des rund 30 Milliarden Euro teuren Werks in Magdeburg geplant. In einer E-Mail an die Mitarbeiter kritisierte Vorstandsvorsitzende Gelsinger zuletzt Intels Kostenstruktur als "nicht wettbewerbsfähig". Intel kündigte nun an, auch die Pläne für den Werksbau in Polen vorerst auf Eis zu legen.

Keyvan Esfarjani, Chief Global Operations Officer Intel Corporation, Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundeskanzleramt vorne von links, Pat Gelsinger, CEO Intel Corporation, Olaf Scholz, Bundeskanzler hinten von links.

Der Bund wollte die 30-Milliarden-Euro-Investition mit rund zehn Milliarden unterstützen. Im Juni 2023 wurde dafür ein Vertrag unterzeichnet. Scholz sagte damals, Intels Halbleiter-Produktion in Magdeburg sei die größte ausländische Direktinvestition der deutschen Geschichte.

Investitionen in den heimischen US-Markt

Zugleich bekräftigte Intel Investitionen in neue Werke im Heimatmarkt USA und die Entwicklung neuer Chips mit der Cloud-Sparte von Amazon. So will Intel eine engere milliardenschwere Kooperation mit der Amazon-Tochter AWS eingehen. Diese umfasse unter anderem eine gemeinsame Investition in maßgeschneiderte Chip-Designs. Man werde für die Amazon-Tochter dabei einen Chip für die Verwendung bei Künstliche Intelligenz (KI) bauen, so Gelsinger.

Ebenfalls am Montagabend meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die US-Regierung Intel bis zu drei Milliarden Dollar für die Entwicklung einer einheimischen Chip-Produktion mit Blick auf die nationale Sicherheit zugesprochen hat. Die Initiative "Secure Enclave" soll insbesondere dem US-Militär eine stabile Versorgung mit Mikroelektronik aus einheimischer Produktion gewährleisten.

Das Gewerbegebiet Eulenberg bei Magdeburg

Im August hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff noch beim Spatenstich für eine Zufahrtsstraße zu den geplanten Chipfabriken und den High-Tech-Park gesagt, er halte ein Aus für Magdeburg für unwahrscheinlich. Sollte Intel doch abspringen, mache er sich keine Sorgen, die Gewerbeflächen am Eulenberg belegt zu bekommen. "Einen Plan B brauchen wir nicht. So ein Filetstück würden auch Unternehmen aus anderen Branchen nirgendwo anders finden.

Der Eulenberg und die umliegenden Äcker sollten mit 400 Hektar an Intel gehen, weitere 700 an Zulieferer. Für die Planung des High-Tech-Parks ist Frank Ribbe als Geschäftsführer der High Tech Park GmbH zuständig. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT im August, für 90 Prozent der Flächen gebe es bereits Vorverträge.

Kritik an der Ansiedlung von Intel

Nachdem 2022 bekannt geworden war, dass Intel riesige Chipfabriken in Magdeburg bauen möchte, hatte es neben Zustimmung an den Plänen auch immer wieder Kritik gegeben, insbesondere was die staatliche Förderung angeht. Clemens Fuest vom ifo Institut und Professor für Volkswirtschaft an der LMU München sagte Anfang August 2024 der Tagesschau im Interview: "Es kommt häufig vor, dass Hersteller Investitionspläne ändern und Stellen abbauen müssen. Bei Intel kommt allerdings hinzu, dass die Firma in letzter Zeit dafür kritisiert wird, wichtige technologische Entwicklungen verschlafen zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest fragwürdig, dass ausgerechnet Intel in Magdeburg so hohe Subventionen bekommt."

Auch von den Oppositionsparteien im Landtag von Sachsen-Anhalt hatte es zuletzt Kritik am Vorgehen bei der geplanten Intel-Ansiedlung gegeben. AfD-Fraktionschef Oliver Kircher sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es habe keine richtigen Verträge gegeben, nur Willensbekundungen, die man nicht einsehen durfte. Er hoffe, dass das Vorhaben nicht irgendwann sterbe. Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von Angern sagte MDR SACHSEN-ANHALT, sie sehe das gesamte Agieren der Landesregierung mit der Standortentscheidung Intel sehr kritisch. "Ich bin unsicher darüber, ob es an Unwissenheit, Unvermögen oder bewusster Intransparenz liegt. Man muss von letzterem ausgeben. Das ist höchst verantwortungslos." Die Linksfraktionschefin betonte, es gehe um viel Geld, nicht nur von der Landeshauptstadt, auch von der Landesregierung. Politik könne nicht allein auf Hoffnung aufbauen.

MDR (Susanne Ahrens, Marvin Kalies)