Sachsen-Anhalt Freie Schulen in Sachsen-Anhalt bangen um Existenz
Die freien Schulen in Sachsen-Anhalt sehen durch ein geplantes Gesetz des Bildungsministeriums ihre Existenz bedroht. Die Schulträger der Privatschulen werfen dem Ministerium vor, es ermittle die Kosten freier Schulen nicht korrekt – und beklagen deshalb eine unfaire Finanzierung. Das Bildungsministerium hält dagegen.
- Die freien Schulen in Sachsen-Anhalt warnen vor Finanzeinbußen und kritisieren, zu wenig bei den Beratungen für das Haushaltsbegleitgesetz eingebunden worden zu sein.
- Dem Bildungsministerium geht es bei dem Entwurf für das Gesetz um eine vergleichbare und gerechtere Finanzierung von öffentlichen und privaten Schulen.
- Die Vertreter der Schulen wünschen sich mehr Dialog und mehr Transparenz, wie hoch die Kosten pro Schüler sind.
30 Milliarden Euro will Sachsen-Anhalt in den nächsten zwei Jahren auszugeben. So viel wie nie und trotzdem drohen an einigen Stellen empfindliche Kürzungen, zum Beispiel bei den Freien Schulen. Auch sie bekommen staatliche Unterstützung, doch die soll gekürzt werden. Dagegen gibt es Widerstand und am Mittwoch eine Debatte im Landtag. Denn die freien Schulen in Sachsen-Anhalt fürchten um ihre Existenz.
Weil das Bildungsministerium des Landes ein neues Finanzierungsmodell für Schulen plant, befürchten sie zu wenige staatliche Zuschüsse. Nach Ansicht der privaten Schulen werden die tatsächlichen Kosten nicht berücksichtigt.
Verband befürchtet "dramatische Kürzungen" bei Privatschulen
Die Vorsitzende des Verbands Deutscher Privatschulen (VDP) Sachsen-Anhalt, Katrin Hochheiser, sagte: "Wenn man in den Gesetzentwurf blickt, wird schnell deutlich: Die geplanten Regelungen werden zu dramatischen Kürzungen in der Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft führen."
Das sieht der Gesetzentwurf des Bildungsministeriums vor
"Der Gesetzentwurf sieht vor, dass im Grundschulbereich Zuschüsse um 10 Prozent absinken werden, im Bereich der Sekundarschulen und Gymnasien um rund 15 Prozent. Im berufsbildenden Bereich soll die Förderquote bei 85 Prozent liegen, wofür es keine klare Begründung gibt", heißt es von Katrin Hochheiser. Die verringerte Bezuschussung der Freien Schulen soll ab dem Schuljahr 2025/2026 wirksam werden.
Der Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes wird ab dem 23. Oktober 2024 im Magdeburger Landtag beraten und soll im Februar 2025 beschlossen werden. Hintergrund ist die geplante Etablierung eines neuen Modells zur Berechnung der staatlichen Zuschüsse (Finanzhilfe) für staatlich anerkannte Ersatzschulen. Die Finanzhilfe für Freie Schulen soll sich an den tatsächlichen Kosten im staatlichen Schulsystem orientieren, heißt es in einer Mitteilung des Bistums Magdeburg.
v.l.: Katrin Hochheiser (Vors. des Verbands der Privatschulen VDP), Dr. Dietrich Lührs (Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft christlich orientierter Kirchen LAG), Marco Erberl (Vors. der evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland) und Sven Gora (kaufm. Vorstand der katholischen Edith-Stein-Schulstiftung)
Die freien Schulen in Sachsen-Anhalt fürchten um ihre Existenz. (Symbolbild)
Grundsätzlich teile man die Position des Ministeriums, dass es sich bei der Finanzhilfe nicht um eine Vollfinanzierung der Schulen in freier Trägerschaft handle, sondern um Zuschüsse. Man stelle jedoch in Frage, wie hoch die Zuschüsse sein sollen und auf welcher Basis die Zuschüsse zustande kommen.
Der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft christlich orientierter freier Schulen in Sachsen-Anhalt, Dietrich Lührs, kritisierte, dass die freien Schulen in die Gespräche über den Gesetzentwurf, der am Mittwoch im Landtag vorgestellt wird, nur zeitweilig eingebunden worden seien. Das Land erkenne die Bedarfe nicht an, heißt es von Lührs. Die tatsächlichen Kosten der freien Schulen würden in einer Art und Weise runtergerechnet werden, die inakzeptabel sei. "Ende September sind wir von der Ministerin informiert worden, nachdem wir vier Jahre in einer Arbeitsgruppe zusammengesessen haben, dass die Landesregierung im Rahmen eines Haushaltsbegleitgesetzes plant, die Finanzierung der freien Schulen drastisch zu reduzieren."
Für Dietrich Lührs ist die Art und Weise des Bildungsministeriums "inakzeptabel".
Rechenbeispiel: Was die Kürzungen für die Schulen bedeuten
Mit dem sogenannten Haushaltsbegleitgesetz soll ein neues Modell zur Berechnung staatlicher Zuschüsse etabliert werden. Das lässt sich ganz gut am Beispiel eines Sekundarschülers klar machen, den die Schulträger vorgerechnet haben:
- Die Kosten in dem Fall einer staatlichen Schule betragen 10.300 Euro.
- Für die Schule in Freier Trägerschaft sind es jetzt rund 6.700, die an Kosten veranschlagt werden.
- Nach der Kürzung bekommen Freie Schulen nur noch knapp über 6.000 Euro.
Katrin Hochheiser vom VDP führt ein weiteres Rechenbeispiel für einen Grundschüler an:
- Im Jahr 2020 habe ein Schüler rund 7.600 Euro gekostet. Aufgrund von Tarif- und Sachkostensteigerungen werde dieser Wert im nächsten Jahr bei etwa 8.700 Euro liegen, so Hochheiser.
- Grundschulen in freier Trägerschaft würden für einen Schüler derzeit aber nur 6.300 Euro pro Schuljahr bekommen.
- Mit der Absenkung wären es laut dem Verband dann nur noch 5.650 Euro.
Und genau das spiegele nicht wider, worauf sich die Koalitionspartner CDU, SPD und FDP geeinigt hätten, nämlich eine "auskömmliche, rechtssichere, transparente und nachvollziehbare Finanzierung" zu gewährleisten. Das – so hieß es jetzt – werde mit dem neuen Entwurf mitnichten erreicht.
Vergleichbare und gerechtere Finanzierung von öffentlichen und privaten Schulen
Das CDU-geführte Bildungsministerium unter Ministerin Eva Feußner weist den Vorwurf, die Schulen in freier Trägerschaft vorsätzlich schlechter stellen oder destabilisieren zu wollen, entschieden zurück, heißt es in einer Mitteilung. Es gehe darum, die Finanzierung von öffentlichen und privaten Schulen vergleichbar und gerechter zu machen. Diese dürften nicht schlechter gestellt sein als freie. Den Vorwurf der willkürlichen Berechnung stritt das Haus ebenfalls ab und verwies auf den vom sachsen-anhaltischen Finanzministerium gesetzten Rahmen.
Die Berechnungen seien nicht willkürlich geschehen, auch seien die Vertreter der freien Schulen bis zum Punkt der Gesetzesformulierung in die Systematik und das Vorgehen eingebunden worden, hieß es weiter. "Das Ministerium wird den parlamentarischen Prozess und den weiteren Austausch zum Thema eng begleiten."
Ministerium verweist auf Gestaltungsspielraum
Ausführlich verteidigte die Ministerin ihre Pläne in der Mitteldeutschen Zeitung. In dem Zeitungsbericht verweist sie auf einen starken Anstieg der Ausgaben für private Schulen in den Jahren 2012 bis 2023. Ministeriumssprecher Elmer Emig sagte der Zeitung, der Gesetzgeber habe "einen Gestaltungsspielraum" bei der Förderung von freien Schulen, den man nutze. Das Zuschuss-Systems sei auf Grundlage eines Gutachtens zu Schülerkosten entwickelt worden. Dieser Bericht sei mit den Vertretern der Schulen in freier Trägerschaft ausführlich diskutiert worden, heißt es in der MZ.
Die Grundeschule Maria-Montessori in Halle ist eine von knapp 200 freien Schulen in Sachsen-Anhalt. (Archivbild)
Vertreter freier Schulen wollen mehr Transparenz bei Kosten
Die Vertreter der Freien Schulen fordern die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen freien Schulen und Ministerium vor der weiteren Beratung im Parlament. Außerdem wünschen sie sich mehr Transparenz bei den tatsächlichen Kosten eines Schülers der staatlichen Schulen als Berechnungsgrundlage für einen angemessenen Prozentsatz der Zuschüsse.
Wir sind fester Bestandteil des Schulwesens. Dietrich Lührs | Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft christlich orientierter freier Schulen in Sachsen-Anhalt
In den freien Schulen werden laut Lührs knapp 30.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Das seien etwa 13 Prozent der Gesamtschülerzahl in Sachsen-Anhalt. Lührs sagte: "Wir sind fester Bestandteil des Schulwesens."
dpa, KNA, MDR (Doreen Jonas, Norma Düsekow, Susanne Ahrens)