Jugenddialog Halle - Blick in die Veranstaltung, Jugendlicher am Mikro

Sachsen-Anhalt Erster Jugenddialog in Halle: "Ich war von mehr jungen Leuten ausgegangen"

Stand: 12.09.2024 17:31 Uhr

In Halle sind zum ersten Mal junge Erwachsene mit der Stadtverwaltung zum Jugenddialog zusammengekommen. Es ging um Sicherheit, das Nachtleben und neue Sportplätze, über die Jugendliche sich Gedanken machen – aber auch um ein grundsätzliches Kommunikationsproblem.

Von Hanna Kazmirowski, MDR SACHSEN-ANHALT

Nach gut einer Stunde rutschten die ersten Jugendlichen unruhig auf ihren Stühlen herum: Sie sind zum ersten Jugenddialog in Halle gekommen, doch der kam erstmal gar nicht zustande. Denn zuerst hielten Bürgermeister Egbert Geier und andere Vertreterinnen und Vertreter aus den städtischen Fachbereichen eine umfangreiche Präsentation zu Themen, die sie als wichtig erachteten: In welchen Gremien Jugendliche mitentscheiden können oder wo in den nächsten Jahren ein neuer Skateplatz und Parcours gebaut werden sollen.

Als die jungen Erwachsenen endlich zu Wort kommen, wird schnell klar, was sie beschäftigt: "Wo sollen und können wir unsere Freizeit verbringen? Wo können wir auch mal lauter sein, wo es sicher, kostenlos oder zumindest niederschwellig ist?", fragt Nele, 17 Jahre.

Jugenddialog Halle - Blick in die Veranstaltung, Jugendlicher am Mikro

Die 17-Jährige Nele meldete sich zum Thema August-Bebel-Platz.

Nachtleben in Halle bleibt weiterhin Streitpunkt

Denn beliebte Treffpunkte wie der August-Bebel-Platz sind nach wie vor ein Thema: "Aus Sicht der Anwohner seid ihr Jugendlichen die Störenfriede", machte Tobias Teschner, Chef des Fachbereichs Sicherheit der Stadt Halle, klar. Die Jugendlichen fühlten sich wiederum von den dort abgestellten Ordnungskräften gestört.

Aus Sicht der Anwohner seid ihr Jugendlichen die Störenfriede. Tobias Teschner | Leiter des Fachbereichs Sicherheit

Ähnlich ist es auf der Ziegelwiese. "Die Polizei da vor Ort gibt uns eher das Gefühl, kontrolliert statt beschützt zu werden", meint ein Schüler. Besser sei es, für mehr Toiletten, Bänke und Beleuchtung zu sorgen, damit die Ziegelwiese ein attraktiverer Treffpunkt für den Abend wird. Das sei jedoch mit den Naturschutzregeln der Grünanlage schwer zu vereinbaren, gab der Baubeigeordneter René Rebenstorf zu bedenken.

Die Polizei da vor Ort gibt uns eher das Gefühl, kontrolliert statt beschützt zu werden. Teilnehmer beim Jugenddialog in Halle |

Wie soll es also auf der Ziegelwiese weitergehen? Dazu wollten die Anwesenden kein klares Stimmungsbild abgeben. Stattdessen schlugen sie nach einigem Knirschen vor, online abstimmen zu lassen, damit mehr Jugendliche teilnehmen könnten. Doch genau da ist der Knackpunkt, der die Diskussion hitzig werden ließ: Es gibt bisher keine Plattform, über die die Stadt die breite jugendliche Bevölkerung erreicht.

Jugendliche fordern: Stadt soll mehr auf Social Media setzen

"Wie soll ich mich im Internet über etwas informieren, wenn ich nicht mal weiß, dass es da was gibt?", kritisierte eine Lehramtsstudentin. "Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die Stadt einen eigenen Kanal für alle News und Angebote für junge Leute hätte. Denn auf Instagram ploppen die News einfach auf", sagte sie. Damit das auch wirklich ansprechend wird, könne die Stadt zum Beispiel mit Medienstudierenden der Uni Halle zusammenarbeiten.

Grundsatzreferent Oliver Paulsen reagierte eher verhalten: "So einen Social-Media-Auftritt aufzubauen bedeutet sehr viel Arbeit und Zeit." Doch die Teilnehmenden blieben dabei: Die Stadt müsse zuerst lernen, die jungen Leute auf direkterem Wege zu erreichen.

Jugenddialog Halle - Blick in die Veranstaltung, Jugendlicher am Mikro

Bürgermeister Eckbert Geier (links) moderierte die Veranstaltung. Auch Grundsatzreferent Oliver Paulsen (rechts) schaltete sich in der Fragerunde der Jugendlichen mit ein.

Stadt entwickelt Vorschläge intern weiter

Die Beigeordnete für Kultur und Sport, Dr. Judith Marquardt, schrieb fleißig mit, was die Jugendlichen am Mikro zu sagen hatten: Die Öffnungszeiten für die Turnhallen und Saaleschleusen seien zu kurz, außerdem fehle es an Fußballplätzen und einer Kletterhalle. Die Jugendlichen schlugen auch vor, enger mit den Vereinen zusammenarbeiten. "Denn je nachdem, ob man am Bebel, in der Südstadt oder in Halle-Neustadt wohnt, hat man andere Bedürfnisse", sagte ein 18-Jähriger.

Jugenddialog Halle - Moderatorin vor dem Podium

Die Beigeordnete Judith Marquart fragte die Teilnehmenden nach ihren Wünschen für Kultur- und Sportangebote – und notierte sich gleich alles.

Die einzelnen Fachbereiche der Stadt wollen die Ergebnisse der Diskussion nun im Nachgang intern auswerten. Welche Themen vielleicht in den Stadtrat kommen, sei zu prüfen, sagte Bürgermeister Geier. "In dieser Anfangsphase wird es wenig Sinn machen, sich im Detail zu verlieren." Vielmehr gehe es um die großen Linien – heißt: niederschwellige Kommunikationswege und bei Dauerbrennern wie dem Bebel-Platz einen Kompromiss zwischen Jugendlichen, Anwohnern und Sicherheitskräften finden.

Auf der Wiese statt im Festsaal? – Jugendliche wünschen sich Dialog auf Augenhöhe

In den knapp drei Stunden angeregter Diskussion ist klargeworden: Der Jugenddialog braucht eine lockere Atmosphäre. "Wir fänden es wichtig, mehr auf Augenhöhe miteinander zu reden", sagten zwei Studentinnen. Das bestätigte der 14-jährige Samuel: "Als ich hier reinkam, hab ich erstmal ganz viele wichtige Leute im Anzug gesehen und dachte mir so: Oh, okay – ich war eigentlich von mehr jungen Leuten ausgegangen."

Als ich hier reinkam, hab ich erstmal ganz viele wichtige Leute im Anzug gesehen und dachte mir so: Oh, okay – ich war eigentlich von mehr jungen Leuten ausgegangen. Samuel, 14 | Teilnehmer beim Jugenddialog in Halle
Jugenddialog Halle - Blick in die Veranstaltung, Jugendlicher am Mikro

Samuel, 14, ist gekommen, um seine Klasse zu vertreten.

Darum will sich der Bürgermeister bemühen: "Wir wollen von euch lernen und Dinge hören, die wir dann in unsere Arbeit einfließen lassen können." Der Jugenddialog soll ab jetzt jedes halbe Jahr stattfinden.

Geier bat auch um Verständnis, dass sich das Format noch im Aufbau befinde. Vielleicht würde der Austausch künftig besser funktionieren, wenn er nach Themen, Altersgruppen oder Stadtvierteln strukturiert wäre. Und ein klarer Verbesserungsvorschlag der Jugendlichen: Sich da zu versammeln, wo sich junge Menschen sowieso gern aufhalten. Vielleicht sitzen sie das nächste Mal also in Kleingruppen nebeneinander auf der Wiese statt im prunkvollen Festsaal.

MDR (Hanna Kazmirowski, Maren Wilczek)