
Sachsen-Anhalt "Großer Theaterabend" in Magdeburg: Charly Hübner gibt Regie-Debüt
Der Schauspieler Charly Hübner hat in Magdeburg sein Debüt als Theaterregisseur gegeben. Am Freitag feierte seine Inszenierung von Lew Tolstois Roman-Epos "Krieg und Frieden" nach einer Fassung von Roland Schimmelpfennig Uraufführung. Das Stück schlägt einen Bogen von den Napoleonischen Kriegen in die Gegenwart – mit Russland- und AfD-Bezügen. "Einen großen Theaterabend mit einer tollen Ensemble-Leistung" hat unser Kritiker erlebt. Hier finden Sie die Rezension und Eindrücke von einer Probe.
- Am Freitag kam am Theater Magdeburg Tolstois Roman "Krieg und Frieden" auf die Bühne.
- Die Uraufführung ist zugleich Charly Hübners Debüt als Theater-Regisseur.
- Sein Anspruch ist es, das Werk ins Heute zu holen, aus dem Adel wurde deshalb eine Magdeburger Familie.
Ein Regie-Debüt am Theater und dann gleich "Krieg und Frieden": Charly Hübner, den die meisten wohl als Schauspieler in der ARD-Krimi-Reihe "Polizeiruf 110" kennen, hat sich einen der bedeutendsten Romane der Welt vorgenommen. Auf über 2.000 Seiten beschreibt Lew Tolstoi darin das Schicksal dreier russischer Adelsfamilien in der Zeit der Napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts.
Theater Magdeburg zeigt "Krieg und Frieden"
Ein Monster, aber hier in einer Bearbeitung. Man habe ihn vor drei Jahren angefragt für eine Inszenierung, erzählt er. Da wollte er im Hinblick auf den Ukraine-Krieg etwas Politisches, aber auch kein altes Stück interpretieren: "In diesem Druck, den wir durch den Krieg in der Ukraine haben, durch die verschiedenen politischen Positionen, die sich wieder gegenüberstehen, wollte ich eine Uraufführung machen. Also wirklich einen neuen Text."

Tolstois Epos "Krieg und Frieden" wird aus dem 19. Jahrhundert in unsere Gegenwart geholt.
Großes Panorama und "Telenovela der Literatur"
Der Vorschlag, ausgerechnet "Krieg und Frieden" zu inszenieren, stammt vom befreundeten Dramaturgen Roland Schimmelpfennig. Er zeigte Hübner seine Bearbeitung des Roman-Stoffes und dessen Reaktion war: "Das ist so unübersichtlich, da weiß ja gar keiner, wie das gehen soll. Das machen wir!"
Das Unübersichtliche und scheinbar Ausweglose, scheint Hübner anzuziehen, in seinen Rollen als Schauspieler und auch als Regisseur, der sich einem Stoff nähert. Den Roman beschreibt Hübner als "großes Panorama" mit journalistischen und lyrischen Texten, "eigentlich die erste Telenovela der Literatur".

Etwas unübersichtlich: Geschichtsepos, große Literatur und Telenovela, das ist "Krieg und Frieden" für Charly Hübner, jetzt ist seine Inszenierung in Magdeburg zu sehen.
Napoleon, Russland, AfD: "Alles work in progress"
In der Inszenierung versuche er als Regisseur mit theatralen Mitteln, "auch diesen großen bunten Teppich zu basteln". Um das zu schaffen, kommt dem 52-Jährigen offensichtlich sein eigenes schauspielerisches Talent zugute: Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, wenn man knapp eine Woche vor der Premiere eine quirlige Probe erlebt. Da wird improvisierend am Text gefeilt, den er gemeinsam mit Dramaturg Bastian Lomsché dann auch nochmal bearbeitet.
"Man arbeitet sich Millimeter für Millimeter voran", beschreibt Hübner seine Arbeit und fügt an: Das mache er immer so, ob er ein Büchlein schreibe oder einen Film schneide, wie zuletzt die Doku über Element of Crime oder bei "Sophia, der Tod und Ich" – oder eben auch bei den Bühnenrollen.

"Krieg und Frieden" ist Hübners erste Theaterregie, für ihn eine Freude, auch wegen des Magdeburger "Top-Ensembles".
"Du kannst ja immer nur das erkennen oder wissen, was du gerade in dem Moment wissen oder erkennen kannst", führt der Schauspieler und Regisseur aus. "Und dann denke ich: 'Mal gucken, wie sich das mischt, was wie hier zusammenkommt.' Auch mit diesem Top-Ensemble."
Mit anderen Worten: Die Tolstoische Personnage schaut immer mal wieder vorbei, wie Hübner das nennt, also Pierre, Napoleon oder der Zar – aber auch seine eigene DDR-Vergangenheit und der damit verbundene sowjetisch-russische Gedanke schwingt mit – und die AfD. Da wechselt immer wieder die Perspektive – am Ende will man politisch, aktuell und auch ortsbezogen sein.

Einen Ritt durch die Geschichte von Napoleons Russland-Feldzug bis ins Heute legt Charly Hüber mit der Inszenierung von "Krieg und Frieden" hin.
Es wird verrückt, es wird lustig, es wird irgendwann ganz historisch. Theater-Regisseur Charly Hübner |
"Kriegschöre, die es in sich haben"
Man habe extra eine Magdeburger Familie erfunden, in der sich alle deutschen Probleme bündelten. Das sei, ein guter Trichter, erzählt Hübner und führt weiter aus. "Es wird verrückt, es wird lustig, es wird irgendwann ganz historisch, dann wird es auch punkig." So habe Roland Schimmelpfennig drei Kriegschöre geschrieben, "die es wirklich in sich haben", so der Neu-Theaterregisseur.
Die Texte werden mal gerappt, mal zitiert, mal kommentiert und die Schauspieler wechselten vielfach ihre Rollen. Am Ende ist es ein ewiges Hin und Her, zwischen rechts und links, zwischen gestern und heute, zwischen jung und alt – zwischen Krieg und Frieden. Da müssen die Zuschauer schon aufpassen, um alles mitzubekommen, zumal das Stück knapp vier Stunden dauern soll. Aber vielleicht muss man am Ende eben auch nicht alles verstehen – so jedenfalls sieht es Charly Hübner.
Weitere Informationen zur Aufführung: "Krieg und Frieden" am Theater Magdeburg (Bitte aufklappen)
"Krieg und Frieden"
Uraufführung von Roland Schimmelpfennig nach Lew Nikolajewitsch Tolstoi
Regie: Charly Hübner
Mit Texten von Bastian Lomsché und Charly Hübner
Ab 16 Jahren
Schauspielhaus, Kammer 1
Otto-von-Guericke-Straße 64
39104 Magdeburg
Weitere Aufführungen:
Sonntag, 1. Juni, 18 Uhr
Sonntag, 15. Juni, 19:30 Uhr
Wiederaufnahmedatum in der neuen Spielzeit folgt
redaktionelle Bearbeitung: ks, td, gw