Ein Mann steht in der Natur

Sachsen-Anhalt Bürgerinitiative will keinen Solarpark – und macht mobil

Stand: 30.05.2025 17:00 Uhr

In Schleesen bei Kemberg soll eine der größten Photovoltaikfreiflächen Sachsen-Anhalts entstehen. Doch die Einwohner wehren sich dagegen. Es wäre nicht das erste Großprojekt, das am Widerstand der Schleesener scheitert.

Von André Damm, MDR SACHSEN-ANHALT

Maik Bilke hat als Chef der Agrargenossenschaft Selbitz schon mehrere Krisen ausgestanden: Absturz des Milchpreises, horrende Energiekosten, Personalmangel. Doch jetzt winkt dem Agrar-Unternehmen eine dauerhaft gute und verlässliche Einnahmequelle: Dutzende Hektar Flächen zwischen Selbitz und Schleesen sollen als Photovoltaikstandort genutzt werden. "Wir haben dort extrem schlechte Böden. Die sind einfach nicht gut, da lohnt sich kaum eine Bewirtschaftung. Deshalb sind sie ideal als Freiflächen für Photovoltaikanlagen geeignet."

Beste Voraussetzungen für Photovoltaik

Bilke hatte schon vor vier Jahren versucht, seine mageren Ackerböden zu vermarkten. Die Verhandlungen waren weit gediehen, eine Gewächshausanlage für Tomaten sollte errichtet werden. Insgesamt war geplant, dass 20 Hektar der Fläche unter Glas kommen. Das Projekt kam am Ende nicht zustande, weil die Einwohner dagegen mobil machten und einige ihr Land nicht verkaufen wollten. Doch dieses Mal sieht es besser aus für Bilke.

Der geplante Solarpark auf einer 156 Hektar großen Fläche, für den Investoren aus Leipzig, Halle und Köthen mehr als 60 Millionen Euro investieren wollen, hat bereits den Stadtrat passiert. Derzeit wird ein Bebauungsplan erstellt. Kembergs Bürgermeister Torsten Seelig (CDU) ist zuständig für Selbitz und Schleesen. Er habe kein grundsätzliches Problem mit der Ansiedlung, sagt er. "Wir haben in unserer Einheitsgemeinde überall nach Flächen für Photovoltaik gesucht. Und hier gibt es die besten Voraussetzungen. Außerdem lag der Antrag des landwirtschaftlichen Nutzers vor, die schlechten Böden für Solaranlagen verwenden zu können."

Ein grüne Wiese

Der Zankapfel in Schleesen ist eine freie Grünfläche.

Bürgerinitiative ist alarmiert

Diese Pläne haben längst die alten Mitstreiter der Bürgerinitiative aufgeschreckt, die einst die Gewächshausanlage verhinderten. Deren Argumente hören sich jetzt ähnlich an. Die Landschaft werde verschandelt, die Natur beeinträchtigt, Lebensräume für Tiere verschwinden, die Lebensqualität gehe verloren.

Dieses Vorhaben ist völlig überdimensioniert. Das soll nun aber durchgezogen werden. Und das Schlimmste ist, dass das geschieht, ohne die Einwohner von Schleesen einzubeziehen. Friedhelm Bellin, stellvertretender Ortsbürgermeister Schleesen |

Adriane Uhlmann sitzt in ihrem Garten und schaut auf das stark sanierungsbedürftige Haus aus dem Jahr 1884, das sie gekauft hat und aufwendig umgestalten will. Eigentlich stammt sie aus Podelwitz bei Leipzig. Sie habe sich aber in die Dübener Heide und in Schleesen verliebt, erzählt sie.

"Und dann wollen die uns solch eine Mega-Solaranlage einfach vor die Tür setzen. Die Paneele stehen drei Meter hoch, die sind zum Ort gerichtet. Das kann ich mir einfach nicht gefallen lassen." In der neu belebten Bürgerinitiative wehrt sie sich gegen das XXL-Vorhaben und wird dabei vom stellvertretenden Schleesener Ortsbürgermeister Friedhelm Bellin unterstützt.

Zwei Frauen sitzen auf einer Terasse

Adriane Uhlmann (links) und Jana Gehrke wollen keine Solaranlage vor der Haustüre.

Kritik an der Kommunikation der Stadt Kemberg

Der weißhaarige großgewachsene Schleesener ist ein Mann der Zahlen. Er präsentiert Karten, auf denen das Ausmaß des Solarparks zu sehen ist. Das Gebiet sei fast achtmal so groß wie die ehemals geplante Gewächshausanlage und sei vergleichbar mit der Größe von 220 Fußballfeldern. "Dieses Vorhaben ist völlig überdimensioniert. Das soll nun aber durchgezogen werden. Und das Schlimmste ist, dass das geschieht, ohne die Einwohner von Schleesen einzubeziehen."

Ein Gefühl der Ohnmacht spürt auch Jana Gehrke aus Schleesen. Sie ging von Haus zu Haus, um die Einwohner über die bevorstehende Solar-Investition zu informieren. Viele seien ahnungslos gewesen, erzählt sie. "Die meisten dachten, der Solarpark wird nur so groß wie die Gewächshausanlage. Einige fühlen sich jetzt getäuscht und sind verzweifelt. Ich hätte mir von der Stadt Kemberg eine Informationsveranstaltung für jedermann gewünscht."

400.000 Euro pro Jahr in die Stadtkasse

Nicht einmal ein Dutzend Mitglieder zählt die Bürgerinitiative Schleesen. Die wenigen Protestler stoßen an ihre Grenzen, im Gegensatz zur Gewächsanlage fällt der Widerstand geringer aus. Die Beteilung an einer Online-Petition ist bislang verhalten.

Kembergs Bürgermeister Torsten Seelig vermutet, dass nicht nur die Agrargenossenschaft Selbitz Flächen zur Verfügung stellen wird, auch die Einwohner würden Land besitzen. "Ob da gebaut wird, ist nicht Entscheidung der Stadt Kemberg, sondern die Entscheidung der Eigentümer. Wenn die nicht verkaufen, wird dort auch nichts gebaut. Dann kann ich als Stadt sehr gut damit umgehen."

Andererseits winken der Stadt durch den Betrieb eines Solarparks jährliche Einnahmen von schätzungsweise 400.000 Euro.

MDR (André Damm, Max Schörm)