Bildmontage: Andreas Schmidt und Paula Müller vor der Baracke in Magdeburg

Sachsen-Anhalt Abriss der "Baracke": So kämpfen die Betreiber für die Magdeburger Kultinstitution

Stand: 04.12.2024 13:26 Uhr

Gerade noch haben die Betreiber den 60-jährigen Geburtstag des Studentenclubs Baracke in Magdeburg gefeiert. Jetzt müssen sie miterleben, wie der Abriss jeden Tag näher rückt. Andreas Schmidt hat seine Rente unterbrochen, um die Baracke zu retten. Die Gründe, die die Universität für den Abriss des Clubs nennt, versucht er zu entkräften. Bei einem Umzug an den Wissenschaftshafen hätte er Sicherheitsbedenken.

Von Anne-Sophie Golle, MDR SACHSEN-ANHALT
  • Die Baracke soll im Sommer 2025 abgerissen werden. Ein Grund dafür ist der Brandschutz.
  • Außerdem verfolgt die Uni ein neues Campuskonzept.
  • Den Geschäftsführer der Baracke, Andreas Schmidt, verbindet 42 Jahre seines Lebens mit dem Studentenclub.
  • Als neuer Standort für die Baracke ist der Wissenschaftshafen im Gespräch – für die Betreiber jedoch keine echte Option.

Der Boden klebt. Es ist dunkel in dem großen Tanzsaal der Baracke, den Andreas Schmidt durchquert. Angekommen an dem Schaltkasten, ruft er zurück in den Saal: "Tagsüber ist es in einem Club selten schön." Lichter gehen an – hell wird es kaum. Einige Lampen summen. Die 70 Jahre spürt man in den alten Gemäuern der Baracke, die 1954 als Bauarbeiterbaracke aufgebaut wurde. Zehn Jahre später wurde sie zum Studentenclub umfunktioniert. Andreas Schmidt ist ihr neuer Geschäftsführer. Er erzählt, dass es die Mischung sei, die die Leute auch nach Jahrzehnten noch in die Baracke lockt: einladend niedrige Preise, urige Optik und der unverfälschte DDR-Charme.

Ältester Studentenclub soll geschlossen werden

Studentenclub "Baracke" droht der Abriss

Das Licht der Bar strahlt die Getränketafel darüber an, deren Aufschrift sich jetzt erkennen lässt. Wodka Cola – 4,30 Euro. Ohne Wodka – 1,90 Euro. Preise wie diese, fände man wohl kaum noch wo, erzählt Schmidt. Aber auch in der Baracke wird in wenigen Monaten kein Student mehr eine Mische für 4,30 Euro ergattern können.

Bar

Solche Getränkepreise fände man kaum noch, meint der Geschäftsführer der Baracke.

Im Sommer 2025 soll sie abgerissen werden. Die gemeinsame Erklärung darüber ist unterschrieben vom Unirektor Jens Strackeljan und Andreas Schmidt. Doch von Eigeninitiative oder Überzeugung könne dabei keine Rede sein, so der 62-Jährige. Außerdem sind ihm die Hände gebunden, denn das Gelände gehört der Uni.

Geschäftsführer Schmidt: "Am Brandschutz soll es nicht scheitern"

In den letzten Jahrzehnten nahte der Baracke öfter das Ende. Auch die frühen 90er-Jahre, die für viele Studentenclubs das Aus bedeuteten, überlebte die Baracke. Bis heute wird sie privat betrieben – ohne Fördergelder. Jetzt ist es der Brandschutz, der die Baracke final in die Knie zwingt.

Kosten in dieser Größenordnung, also jenseits einer Million mindestens, sind auch für die Betreiber so nicht tragbar. Jens Strackeljan | Rektor Otto-von-Guericke-Universität

Unter anderem müsste das Belüftungssystem automatisiert werden, der Dachstuhl erneuert und eine Brandschutzwand bräuchte es auch. Gutachten darüber, was fehlt, aber nötig ist, gibt es sowohl von der Universität als auch von den Betreibern der Baracke. Für Andreas Schmidt ist der Brandschutz nichts, woran es scheitern sollte. "Wir hätten auch die brandschutztechnische Sanierung gemacht. Wir haben das definitiv so angeboten. Aber das war von Seiten der Uni so nicht gewünscht", sagt er. Jens Strackeljan, Rektor der Otto-von-Guericke-Universität sagt hingegen: "Kosten in dieser Größenordnung, also jenseits einer Million mindestens, sind auch für die Betreiber so nicht tragbar. Dazu haben wir auch nie gesprochen." 

Ein schmales, längliches Fenster in der Wand der Baracke. Die Schichtleiterin Paula Müller betätigt die Belüftung des Fensters durch das Öffnen der Schlitze.

Brandschutzmangel ist einer der Gründe für den Abriss. Es bräuchte automatische Belüftungssysteme bei den Fenstern.

Wo die Liebe hintanzt

Andreas Schmidt greift einen Kasten Bier und trägt ihn zum Kühlschrank hinter der Bar. Gemeinsam mit der Schichtleiterin Paula Müller bereitet er den Abend vor. Heute sind die Tore der Baracke noch geöffnet. Dienstags, donnerstags und samstags kann das Tanzbein noch geschwungen werden. Zwei Drittel der Tanzfreudigen seien Studierende, gibt Andreas Schmidt an. Das könne er an den verkauften Tickets sehen.

Andreas Schmidt

Andreas Schmidts Geschichte mit der Baracke begann 1982.

42 Jahre heißt für mich auch mal zwei Drittel meines Lebens. Andreas Schmidt | Geschäftsführer Uni-Club-GmbH

Schmidts eigene Geschichte mit der Baracke startete ebenfalls im Studium. 1982 machte er erstmalig Bekanntschaft mit der Tanzfläche des Studentenclubs. Kurze Zeit später begann er hinter der Bar zu arbeiten – als Kellner. 1991 gründete er die Firma mit, die die Baracke vor dem damals drohenden Aus bewahren sollte. Die gleiche Motivation trieb ihn diesen Sommer an, als er seine Rente niederlegte, um die Geschäftsführung der Baracke zu übernehmen.

"42 Jahre heißt für mich auch mal zwei Drittel meines Lebens", erzählt Andreas Schmidt. "Ich habe hier wunderschöne Veranstaltungen und Feiern erlebt. Ich habe hier drin meine Frau kennengelernt." Auch Schichtleiterin Paula Müller hat während des Studiums begonnen, in der Baracke zu arbeiten. Die beiden reden darüber, wie viele Paare sie kennen, die in der Baracke ihr Liebesglück gefunden haben. Die Bierflaschen klimpern, die Eiswürfelmaschine dröhnt leise. Beinahe könnte es ein ganz normaler Donnerstag sein.

Baracke innen

Geschäftsführer Andreas Schmidt im Gespräch mit Schichtleiterin Paula Müller.

Uni plant grünen Campus – ohne blaue Baracke

Der Brandschutz ist nur einer der Gründe, weshalb die Baracke weichen muss. Ein anderer ist das neue Campuskonzept: "Wir wollen einen nachhaltigen, grünen Campus", erklärt Rektor Jens Strackeljan. Schon jetzt wird viel gebaut auf dem Gelände. Parkplätze wurden diesen Sommer zu Volleyballfeldern umfunktioniert.

Wie genau die Fläche der Baracke genutzt werden soll, steht noch nicht fest. Jens Strackeljan liebäugelt mit der Idee eines grünen Hörsaals. Im Gespräch unterstreicht er das grüne Campuskonzept mit der Notwendigkeit, neue Studierende zu gewinnen. Die neue Generation würde sich mit einem attraktiven Campus begeistern lassen, mit innovativen Workspaces und Natur. In der Vergangenheit mag es die Baracke gewesen sein, die Studierende angelockt hätte. Nun seien andere Zeiten, so der Rektor.

Die Baracke abzureißen und neu aufzubauen, käme aus diesem Grund für die Otto-von-Guericke-Universität nicht in Frage. Deswegen hat sie einen neuen Standort der Baracke – außerhalb des Campus – vorgeschlagen: den Handelshafen in Magdeburg.

Baracke am Handelshafen? – "Dauervertrag mit der Wasserrettung"

Es ist ruhig am Magdeburger Handelshafen. Nur das leise Dröhnen von Baukränen ist zu hören. Andreas Schmidt war schon oft hier. Paula Müller sieht den möglichen neuen Standort der Baracke heute zum ersten Mal. Gemeinsam laufen sie die Straße entlang. Links von ihnen das Hafenbecken, rechts der leerstehende Gebäudekomplex.

Andreas Schmidt deutet auf ein weißes flaches Gebäude. "Eine Option wäre das alte Fitnessstudio. Da könntest du verschiedene Locations einsetzen." Er nickt in Richtung des Wassers. "Aber das Problem ist, du hast das Hafenbecken." Paula Müllers Blick folgt dem ihres Chefs. "Arg gefährlich, wenn Alkohol im Spiel ist", entgegnet sie. "Dauervertrag mit der Wasserrettung, so sag ich das mal", antwortet Andreas Schmidt kopfschüttelnd.

[...] Wir gehen ja auch in den Wissenschaftshafen mit unseren Studierenden, die auch durchaus da mal feiern und die fallen dann auch nicht in die Elbe. Jens Strackeljan | Rektor Otto-von-Guericke-Universität
Hafen

Der Wissenschaftshafen als Option für einen neuen Standort wurde von der Otto-von-Guericke-Universität vorgeschlagen.

Uni Magdeburg schlägt Wissenschaftshafen als neuen Ort für die Baracke vor

Die Otto-von-Guericke-Universität hat den Wissenschaftshafen als Möglichkeit für den neuen Standort der Baracke vorgeschlagen. Im offiziellen Statement heißt es, die Universität sehe "im Wissenschaftshafen [...] einen guten Standort, um die Geschichte der Baracke auf einem neuen Level fortzuschreiben." Aktuell wird der Wissenschaftshafen auch von der Universität zu Lehrzwecken genutzt.

Zu den Sicherheitsbedenken der Betreiber sagt Rektor Jens Strackeljan: "Dafür habe ich, ehrlich gesagt, ganz wenig Verständnis. Denn wir gehen ja auch in den Wissenschaftshafen mit unseren Studierenden, die auch durchaus da mal feiern und die fallen dann auch nicht in die Elbe. Also offensichtlich reden wir doch über etwas unterschiedliche Zielgruppen."

Hafen

Paula Müller und Andreas Schmidt haben Sicherheitsbedenken, den Club in den Hafen zu verlegen.

Für die Betreiber sprechen noch weitere Punkte gegen den Wissenschaftshafen: Die Verkehrsanbindung sei nicht gut, was nach dem Feiern ein Problem wäre. Außerdem werden derzeit zwei alte Silos zu Wohngebäuden mit 200 Wohnungen saniert. Ruhig ist es hier also nicht mehr allzu lang. Ob der Lärm eines Studentenclubs dann hier willkommen wäre, ist fraglich.

Aufgeben ist keine Option

Der Wissenschaftshafen ist aktuell die einzige Option, die im Gespräch ist für einen Neuaufbau des Studentenclubs. Die bisherige zentrale Campuslage ist für die Betreiber jedoch nach wie vor unschlagbar. "Egal, wo man jetzt in Magdeburg hingehen würde, so viele Pluspunkte wird man nie wieder ansammeln können", sagt Andreas Schmidt.

Das Team der Baracke hofft, das Ruder doch noch rumreißen zu können. Auch wenn die Vereinbarung zum Ende der Baracke und dem Abriss des Gebäudes bereits unterschrieben ist. Als Schichtleiterin hat Paula Müller an den Abenden Verantwortung für die Kellnerinnen und Kellner der Baracke. Die Nachricht über die finale Schließung hätte im Team Existenzängste ausgelöst. Deshalb ist Aufgeben keine Option. Sie sagt: "Jeder von uns ist eigentlich bereit, hier für diesen Laden zu kämpfen. Es ist eine Herzensangelegenheit und da ist niemand dabei, der sagt: 'Wir geben klein bei, das wurde jetzt so beschlossen'."

MDR (Anne-Sophie Golle, Maren Wilczek), Erstmals am 02.12.2024 veröffentlicht