Sachsen "Schwarzbefahrer" oder Hobby-Forscher im Altbergbau: Was treibt sie an?
Seit über einer Woche ist ein Mann aus Annaberg verschwunden. Seither haben Rettungskräfte intensiv nach ihm gesucht. Inzwischen gehen die Behörden nicht mehr davon aus, dass der 34-Jährige noch am Leben ist. Was sind das für Menschen, die als sogenannte Schwarzbefahrer unterwegs sind? MDR SACHSEN hat mit René Geyer gesprochen, der selbst unterirdische Anlagen wie Stollen oder Bunker erkundet und darüber auf seiner Webseite berichtet.
Herr Geyer, Sie kennen die Szene der sogenannten Schwarzbefahrer. Was haben Sie gedacht, als Sie von der Vermisstensuche in Annaberg-Buchholz gehört haben?
René Geyer: Das gleiche, was man eigentlich immer in solchen Momenten denkt: Hoffen, dass die Person gefunden wird, möglichst schnell vor allem und unverletzt. Egal, ob sie irgendwas falsch gemacht hat oder nicht. Da ist ja trotzdem jemand, der Familie hat und da wieder schnellstmöglich rausgeholt werden muss.
Können Sie sich vorstellen, warum der Mann möglicherweise Sprengstoff dabei hatte - obwohl noch nicht sicher ist, dass dieser von ihm stammte?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich kenne keinen Mineralienabbauer, der mit Sprengstoff hantiert. Wer weiß, was da im Hintergrund noch läuft oder wem das wirklich gehört hat. Man steht sicherlich nicht gern in einem Stollen, in dem eine Rohrbombe detoniert. Das kann ich mir nicht vorstellen. Das sind nicht die üblichen Praktiken. (Anmerk. d. Red.: Bei der Suche nach dem Mann wurde in dem Stollen ein Metall-Zylinder mit Sprengstoff gefunden.)
René Geyer interessiert sich für Geschichte, Bergbau und andere unterirdische Bauwerke. Er geht auch selbst auf Erkundung.
Was unterscheidet denn die verschiedenen Typen der "Schwarzbefahrer-Szene", wenn ich sie mal so nennen darf?
Schwarzbefahrer ist schon leicht negativ behaftet. Ich würde sie eher als Bergbau-Enthusiasten bezeichnen, also Leute, die sich für Bergbau und Geschichte interessieren. Und darunter gibt es die, die ein Abenteuer suchen, die in einen Bunker oder ins Bergwerk gehen mit einer Taschenlampe. Dann gibt es die, die sich wirklich für die Geschichte interessieren und die Leute, die sich hauptsächlich für die Technik interessieren, also für die Grubenbahn, die Gleise, Spurabstände und solche Sachen.
Oder Leute, die einen Forscherdrang haben. Was war wo, wie kommt man noch weiter und findet man noch Stellen, die schön aussehen. Für manche Leute ist der Berg schön. Trockenmauern sind für manche Leute wirklich schöne Sachen, die akkurat gebaut wurden zu der damaligen Zeit, etwa so wie man sich alte Kirchen anguckt.
Das Betreten der ehemaligen Bergwerke ist verboten, man kann eine Befahrung auch nicht beantragen. Schwarzbefahrer verstoßen gegen die sogenannte Hohlraumverordnung, was als Ordnungswidrigeit mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
Und die Mineraliensammler, wie gehen die vor? Sind die anders?
Nein, sie sind eigentlich nicht anders. Die gehen genauso ins Bergwerk wie andere auch und gucken, was sie für Mineralien finden - so wie der eigentliche Bergbau ist. Bergbau ist früher Mineralienabbau gewesen und das ist das, was die Mineraliensammler auch heute machen: Sich ihre Stücke für sich selber suchen oder für den Verkauf. Die, die ich kenne, sammeln viel für sich selbst. Es gibt aber auch welche, die sammeln, um auf Börsen zu verkaufen und da geht es zum Teil auch um größere Summen.
Und geben die Sammler ihre Informationen weiter, wo was zu finden ist?
Im Großen und Ganzen werden die Informationen immer unterm Deckel gehalten, wo welche Grube gerade offen ist oder wo wer gegraben hat. Die Mineralien müssen ja nicht immer aus Gruben stammen, die werden auch über Tage abgebaut, also in den in alten Schürflöchern oder anderen Mineraliengängen. Früher hat man ein Bergwerk auch nur gefunden, indem man den Mineraliengang über Tage gefunden hat und dann diesen Gang nachgearbeitet hat nach Untertage.
Wie gefährlich sind eigentlich solche Erkundungen in alten Stollen oder unterirdischen Anlagen? Dass jemand zu Tode dabei kommt wie möglicherweise in Annaberg, ist wahrscheinlich nicht die Regel?
Nein, man hat das wirklich sehr selten. Es ist schwer zu schätzen, wie groß die Szene wirklich ist. Es kennen sich viele untereinander. Ich schätze, dass die Szene nicht sehr groß ist. Aber der Bergbau ist immer gefährlich. Gefährlich Stellen gibt es da auf jeden Fall und natürlich muss man aufpassen.
Und die Meisten beugen dem auch vor?
Ja, also es gibt ja genügend Grundregeln. Man geht eigentlich immer zu zweit. Man sagt draußen jemandem Bescheid, wo man ist, wie lange man da drin ist und wann man wieder rauskommt. Man hat einen Helm auf, Gummistiefel an und eine Lampe am Kopf und man hat noch eine zweite Lampe am Gürtel. Ein Gasmessgerät sollte man auch immer dabei haben als erfahrener Befahrer.
Ich habe auch in all den Jahren noch nie etwas im Stollen runterfallen hören. Und ich hab noch nie von Leuten gehört, die sich ernsthaft verletzt haben oder rausgeholt werden mussten. Das ist sehr selten.
Sie veröffentlichen auf ihrer Webseite regelmäßig Bilder und Berichte von solchen Erkundungen der alten Stollen oder auch anderer unterirdischer Bauten. Sind die Erkundungen legal?
Es ist unterschiedlich je nach Region. Aber man kann auch bestimmte Leute fragen, ob man einen Stollen betreten darf. Das ist in einigen Fällen auch möglich. Und ansonsten ist das eine rechtliche Grauzone. Der Stollen steht offen. Man geht mal rein und guckt. Natürlich sollte man das nicht machen, das weiß man im Hinterkopf. Aber eigentlich sollte auch dafür gesorgt werden, dass der Stollen verschlossen ist. Wenn ich jetzt in den Stollen gehe, ist das die eine Sache. Wenn da Kinder mit einer Fackel reingehen, eine ganz andere. Es ist eine Grauzone.
MDR (kbe)