Sachsen Rollstuhl-Fahrerin aus Leipzig entsetzt über Melanie Müller: "So etwas sollte es gar nicht geben"
Die Sängerin Melanie Müller hat im Sommer für einen Eklat gesorgt. Die Polizei verdächtigt sie, nicht nur auf einem Parkplatz für beeinträchtigte Menschen während eines Gerichtsprozesses widerrechtlich geparkt zu haben. Sie steht auch unter Verdacht, mit einem gefälschten Behindertenausweis unterwegs gewesen zu sein. Eine Razzia bei der Ballermann-Sängerin war die Folge. Eine Leipziger Rollstuhlfahrerin ist empört, wie Menschen so etwas tun können.
Eine ältere Frau im Rollstuhl sitzt mit weiteren Frauen an einem großen Tisch. Der ist dekoriert mit Weihnachtsgesteck. Süßes lädt zum Hineinbeißen ein. "Wir haben heute Weihnachtsfeier", sagt die Frau im Rollstuhl. Martina Scholz habe durch einen Geburtsschaden ihr Leben lang mit Spastiken zu kämpfen, erzählt sie. Die 67-Jährige sei seit mehr als zehn Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen.
Sie engagiere sich im Verein Behinderten-Verband Leipzig und sitze im Behindertenbeirat der Stadt, erklärt Martina Scholz, während sie eine Rampe am Familienzentrum Thekla hinunter fährt. Im Grünbereich angekommen lächelt die Leipzigerin beim Anblick von bunten Blättern am Boden. Doch ihr Lächeln verzieht sich zu einer ernsten Miene.
Ballermann-Sängerin soll Behindertenausweis gefälscht haben
Natürlich habe sie von dem Fall Melanie Müller gehört, erzählt sie. Die ehemalige RTL-Dschungelkönigin wurde wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen Drogenbesitzes zu einer Geldstrafe von insgesamt 80.000 Euro verurteilt. Doch nicht nur das.
Das Amtsgericht Leipzig verurteilte die Ballermann-Sängerin Melanie Müller im August zu einer Haftstrafe von 80.000 Euro. (Archivbild)
Während eines Prozesstages im August soll Müller nicht nur widerrechtlich auf einem Behindertenparkplatz geparkt haben, sondern auch mit einem gefälschten Behindertenausweis unterwegs gewesen sein. Wegen Verdachts der Urkundenfälschung hat es jüngst eine Razzia in der Wohnung der gebürtigen Oschatzerin gegeben.
Rollstuhlfahrerin entsetzt über Falschparker-Sünderin
Das erste Wort, das der Rollstuhlfahrerin Martina Scholz zu Melanie Müller einfällt: "Entsetzen!" Und sie sagt in Bezug auf die mutmaßliche Urkundenfälscherin: "So etwas dürfte es gar nicht geben." Das könne zu großen Schaden führen, wie die Gesellschaft auf behinderte Menschen blickt, sagt Scholz: "Die Gesellschaft denkt dann, die Behinderten betrügen alle und fälschen ihre Ausweise."
Die Konsequenzen von gefälschten Dokumenten wie Behindertenausweisen müssten die unschuldig Betroffenen ausbaden, sagt Martina Scholz.
Die Gesellschaft denkt dann, die Behinderten betrügen alle und fälschen ihre Ausweise. Martina Scholz | Rollstuhlfahrerin
Scholz habe sich auch mit anderen beeinträchtigten Menschen über die Sängerin unterhalten. Der Grundtenor sei eindeutig: "Sie sind alle entsetzt und haben gesagt 'Sowas muss bestraft werden'".
Ausbaden müssen es Betroffene
Solche Vorfälle führten nur wieder dazu, dass Behörden schärfer kontrollierten. "Das ist grundsätzlich richtig", sagt Scholz. Aber: "Das bedeutet für uns immer wieder neue Antragsstellung." Betroffene müssten etwa ihre Behindertenausweise wegen solcher Fälschungsfälle von den Ämtern in mittlerweile kürzeren Abständen kontrollieren lassen, sagt die 67-Jährige. Solche Gutachten und doppelte Überprüfungen seien da sehr belastend.
Landesbeauftragter: Kein Kavaliersdelikt
Auch Sachsens Landesbeauftragter für Inklusion und Menschen mit Behinderungen, Michael Welsch, kritisiert Melanie Müllers Verhalten deutlich. Die Sängerin hat keine Bagatelldelikt begangen, sondern habe beeinträchtigte Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, teilt er auf Anfrage von MDR SACHSEN mit.
Melanie Müller hat kein Bagatelldelikt begangen, betont Sachsens Landesbeauftragter für Inklusion und Menschen mit Behinderungen, Michael Welsch.
Auf diesen Plätzen unberechtigt zu parken ist kein Kavaliersdelikt, es raubt den Menschen, die darauf angewiesen sind, nicht nur Lebensqualität, sondern vereitelt deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Michael Welsch | Landesbeauftragter für Inklusion und Menschen mit Behinderungen in Sachsen
Behindertenparkplätze sind nur Menschen vorbehalten, die unter großer Anstrengung sich nur über kürzeste Wege bewegen können, betont Welsch. "Auf diesen Plätzen unberechtigt zu parken ist kein Kavaliersdelikt, es raubt den Menschen, die darauf angewiesen sind, nicht nur Lebensqualität, sondern vereitelt deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft", erklärt Welsch.
Freude und Dankbarkeit für Hilfsbereitschaft
In der Grünanlage am Familienzentrum genießt Martina Scholz die helle Mittagssonne. Sie sei dankbar dafür, dass viele aufgeschlossen und hilfsbereit gegenüber beeinträchtigten Menschen seien, sagt sie. "Es gibt auch junge Leute, die sehr hilfsbereit sind."
Martina Scholz freut sich über die Hilfsbereitschaft vieler Menschen.
Dennoch sei es wichtig, dass weitere Barrieren im Alltag abgebaut würden, betont Scholz. Denn: "Die Leute sollten aufgeschlossener darüber denken, denn es könnte sie morgen selbst betreffen."
MDR (phb)