Kate (M), Prinzessin von Wales, William (2.v.l), Prinz von Wales, Prinz George (r), Prinzessin Charlotte (2.v.r) und Prinz Louis. Die Prinzessin von Wales teilte mit, dass sie ihre Chemotherapie abgeschlossen hat.

Sachsen Psychologin: "Das Grenzen-Ziehen können sich Krebspatienten von Prinzessin Kate abschauen"

Stand: 17.09.2024 08:00 Uhr

Für viele, die vom Arzt eine Krebs-Diagnose bekommen, ändert sich die Welt schlagartig. Fragen und Sorgen tauchen auf. Das ging auch Prinzessin Kate in Großbritannien so, die mit Videos über ihre Erkrankung die Welt bewegt. Was sagen Psychologen zu diesen Videobotschaften. Können davon auch Erkankte in Sachsen etwas lernen? Ja, sagt die Psychoonkologin Simone Groß-Manes von der Sächsischen Krebsgesellschaft im Interview mit MDR SACHSEN.

Von Kathrin König, MDR SACHSEN

Millionen haben sich die Videos von Prinzessin Kate zur Krebsdiagnose und dem Ende ihrer Chemotherapie angesehen. Warum bewegt das so viele?

Simone Groß-Manes: Ich denke, dass das Leben von Prominenten sehr bekannt ist, da fühlen sich manche durchs Zusehen recht nahe. Diese Videobotschaften zeigen aber zugleich, dass solche schweren Erkrankungen jeden erwischen können, auch Menschen mit Geld, Ruhm und Reichtum. Niemand ist davor gefeit. Niemand kann sich Gesundheit erkaufen.

eine Frau m,ittleren Alters steht vor einem Infostand der Sächsischen Krebsgesellschaft und lächelt in die Kamera.

Simone Groß-Manes arbeitet für die Sächsische Krebsgesellschaft als Psychoonkologin und hat seit 2019 mehrere hundert Patienten beraten.

Wie wirken Videos wie die von Kate auf Krebspatienten?

Direkt darauf angesprochen hat mich bislang kein Patient. Das heißt aber nicht, dass den Betroffenen der Umgang mit ihrer Familie und die Wünsche der Krebspatientin Kate nicht nahe gingen. Vielleicht ist das ein Thema, dass man nicht mit der Psychoonkologin, sondern mit anderen bespricht.

Welche Krebsdiagnose die Prinzessin hat, wurde nie mitgeteilt. Schwächt das ihre Botschaft?

Nein, das denke ich nicht. Es ist verständlich, dass sie die Diagnose nicht genannt hat. Das ist privat und muss jeder selbst entscheiden. Ich habe festgestellt, dass in Sachsen über manche Krebsarten offener geredet wird als über andere. Über Brustkrebs wird offener gesprochen als beispielsweise über Gebärmutterkrebs und Darmkrebs. Krebspatienten müssen immer entscheiden: Was gebe ich preis, was bleibt privat? Da geht es ums Grenzen setzen und ziehen. Insofern kann man sich etwas bei Kates Video zur Krebsdiagnose abschauen.

Was genau meinen Sie?

Ich höre oft von den Patienten, dass es sie belastet, weil sie ständig gefragt werden: Na, wie geht's? Oder was ist denn bei dir los? Das werden Betroffene nicht nur einmal gefragt, sondern ständig, von der Familie, Nachbarn, von Kollegen. Der Patient sollte sich selbst erlauben zu entscheiden, was er preisgibt und was nicht. Nur weil er gefragt wird, ist er noch lange nicht zur Auskunft verpflichtet. Gewisse Infos behält man lieber für sich. Das gilt aber nicht fürs Arztgespräch. Da sollten die Fragen natürlich offen beantwortet werden.

Das war natürlich ein riesiger Schock, und William und ich haben alles getan, was wir konnten, um das im Interesse unserer jungen Familie privat zu verarbeiten und zu bewältigen. Prinzessin Kate | Videobotschaft am 22. März 2024 zur Krebsdiagnose

Heißt es nicht immer, "Reden hilft"?

Die Last der Krebserkankung wird per se nicht leichter, ob man nun einmal oder 15 Mal darüber redet. Krebserkrankte werden dauernd wiederholt nach ihrem Krebs gefragt. Sie wollen aber nicht immer darauf und die Folgen angesprochen werden. Sie haben noch andere Rollen im Leben. Sie sind zum Beispiel Eltern- oder Großelternteil, Sohn oder Tochter, Ehrenamtlicher, Nachbarin oder Tierfreund. Sie wollen sich auch über Alltägliches unterhalten, über Schönes, das Haustier, die Familie und auch mal lachen. Man sollte als Außenstehender keine gut gemeinten Ratschläge und positives Denken verordnen. Das macht den Patienten nur zusätzlichen Druck.

Wie sollten sich Angehörige und Freunde noch beachten im Umgang im Krebserkrankten?

Ganz wichtig: konkrete Hilfe anbieten und dem angesprochenen die Möglichkeit geben, die an- oder abzulehnen. Also, freitags das Mittagessen bringen, mal die Fenster putzen, den Hund Gassi führen, solche Dinge. Man sollte auch immer signalisieren: Ich höre Dir zu, wenn Du sprechen möchtest. Ich bin auch da, wenn Du schweigen oder keine Hilfe willst. Viele haben Angst, dass etwa Schlimmes ist oder Vertrauen verloren geht, wenn sich ein Erkrankter nicht öffnet. Aber die Hilfe muss dem Kranken helfen - nicht dem Helfer.

Emotionales Video: Prinzessin Kate beendet Chemotherapie

Gilt das auch für die Zeit nach der akuten Phase, wenn die Chemobehandlung vorbei ist?

Ja. Wenn die akute Behandlung abgeschlossen ist, gelten meist fünf Jahre Heilungsbewährung. Das ist auch eine schwierige Phase, denn viele wissen nicht, was sie sind und fragen sich: Bin ich noch krank? Bin ich gesund? Es stehen regelmäßige Nachuntersuchungen an, die auch Spannungen mit sich bringen wegen der Frage: Hoffentlich wird nichts gefunden?

Es stehen zudem wichtige Entscheidungen an, ob man wieder arbeiten gehen wird und wie lange oder ob man Rente beantragt. Da kommt viel auf den Patienten zu. Das hat Prinzessin Kate ja auch gesagt. Dass sie sinngemäß von Tag zu Tag lebt und viel davon abhängt, wie sie sich fühlt. Es gibt mal traurige Tage, mal heitere.

Obwohl ich die Chemotherapie beendet habe, ist mein Weg zur Heilung und vollständigen Genesung lang und ich muss weiterhin jeden Tag so nehmen, wie er kommt. Prinzessin Kate | Videobotschaft am 9. September 2024

Sie haben hunderte Krebspatienten beraten. Was hat sich im Umgang mit der Krankheit seither verändert?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Patienten offener geworden sind. Früher kamen sie häufiger erst in die Beratung, wenn sie nach der Krebsbehandlung allein oder in ihrem sozialen Umfeld nicht mehr weiter wussten. Heute kommen viele direkt nach der Diagnose und haben häufiger auch Lebenspartner oder Angehörige dabei. Die Patienten werden nicht alleine gelassen. Sie sind auch informierter und wissen, dass es Hilfe gibt. Insofern sind auch die Videos von Kate in England ein Puzzleteil bei der Arbeit, Krebs von Tabus zu befreien und den Menschen zu helfen.