Stühle auf Tischen in einem Klassenzimmer

Sachsen Lehrermangel in Breitenbrunn: Wenn Mutti und Opa einspringen

Stand: 04.11.2024 06:00 Uhr

Wer schulpflichtige Kinder hat, weiß, dass Unterricht heutzutage häufig Selbststudium bedeutet. Ein Lehrer oder eine Lehrerin vor der Klasse? Leider Fehlanzeige. Der Lehrermangel ist in Sachsen flächendeckend ein Problem. In der Region Chemnitz war unter anderem die Goethe-Oberschule Breitenbrunn stark betroffen. Aber dort hat man jetzt eine Lösung. Wie die aussieht, hat sich MDR SACHSEN einmal angesehen.

Von Manja Kraus & Matthias Vollmer, MDR SACHSEN

Eigentlich geht man in die Schule, um zu lernen. Problem nur, wenn keine Lehrer da sind. An der Goethe-Oberschule in Breitenbrunn im Erzgebirge können die Schüler ein Lied davon singen. Der Lehrermangel war so gravierend, dass die Schüler im vergangenen Jahr tageweise sogar zu Hause bleiben mussten, wie sich die 15-jährige Romy Lütz erinnert.

Eigenstudium statt Unterricht

"Letztes Jahr hab ich es sehr stark gemerkt. Da ist ja Physik weggefallen. Und dieses Jahr fällt auch noch Russisch weg. Das ist schon ein bisschen blöd", ärgert sich die Schülerin. Unterkriegen lässt sie sich trotzdem nicht. Stattdessen wiederholt die 15-Jährige selbst den Stoff. "Ich greife den Stoff aus den unteren Klassen wieder auf und wiederhole ihn." Man müsse seinen Nachmittag entsprechend strukturieren, um sich ein bis zwei Stunden hinzusetzen und die Aufgaben zu erledigen.

Letztes Jahr hab ich es sehr stark gemerkt. Da ist ja Physik weggefallen. Und dieses Jahr fällt auch noch Russisch weg. Das ist schon ein bisschen blöd. Romy Lütz | Schülerin

Von 27 Lehrern nur noch 13 da

Nicht jeder hat so viel Selbstdisziplin wie Schülerin Romy. Daher ist das Selber-Pauken auch an der Oberschule Breitenbrunn kein Allheilmittel. Der amtierende Schulleiter Carsten May hat deshalb mit dem verbliebenen Lehrerteam nach Lösungen gesucht. Ganz leicht war das nicht, denn viele Lehrer sind nicht mehr da. 27 waren es mal. Jetzt sind es nur noch 13. Da blieb nur eins: Hilfe von außen musste her.

Eltern, Großeltern,. Schüler - alle helfen mit

"Ganz wichtig sind natürlich Mathe, Physik, Biologie und Chemie. Da fehlt es besonders. Wir haben versucht, mit den 13 Lehrern, die wir haben, erstmal den Unterricht in den Kernfächern abzudecken", sagt Carsten May. Zudem habe die Schule viele Hilferufe nach außen gesendet - mit Erfolg. "Wir haben 22 Unterstützer - von Seiteneinsteigern, über Eltern, Muttis und Omas bis hin zu Studenten und Anwohnern aus der Gemeinde. Sie helfen bei Hausaufgaben oder beim Förderunterricht", berichtet der Schulleiter.

Wir haben 22 Unterstützer - von Seiteneinsteigern, über Eltern, Muttis und Omas bis hin zu Studenten und Anwohnern aus der Gemeinde. Sie helfen bei Hausaufgaben oder beim Förderunterricht. Carsten May | Schulleiter

Schüler helfen Schülern

Auch Schüler werden zum Unterrichten hinzugezogen, als Junglehrer sozusagen. Dafür wurde extra eine Schülerakademie gegründet. Die Idee dazu hatte Beratungslehrerin Heike Georgie. Ziel sei es, dass Schüler für Schüler da sind und zum Beispiel in kleinen Gruppen Hausaufgabenhilfe anbieten oder Förderunterricht in verschiedenen Fächern. "Es ist ja tatsächlich so, dass zehn Lehrer einen Fakt erklären können und dann kommt ein Schüler, erklärt den Fakt noch einmal und auf einmal hat es der andere Schüler kapiert", erklärt Heike Georgie das Prinzip.

Es ist ja tatsächlich so, dass zehn Lehrer einen Fakt erklären können und dann kommt ein Schüler, erklärt den Fakt noch einmal und auf einmal hat es der andere Schüler kapiert. Heike Georgie | Beratungslehrerin

Elternsprecherin sieht positive Entwicklung

Und tatsächlich kommt die Schülerakademie ins Rollen. Vier Schülerinnen und Schüler sind laut der Schule bereits dabei. Weitere Jugendliche hätten sich gemeldet, um Förderunterricht und Hausaufgabenbetreuung in kleinen Gruppen anzubieten. Zusammen mit den Quereinsteigern von außen könne der Unterricht nun besser gewährleistet werden, freut sich Elternsprecherin Daniela Jungnickel.

Motivation kehrt zurück

"Man hat wirklich das Gefühl, (...) es geht einen Schritt nach vorn. Es ist wieder Motivation da, es ist wieder Freude da und wenn das bei den Erwachsenen im Schulhaus so ist, dann überträgt sich das natürlich auch auf die Kinder", sagt Jungnickel.

Übrigens: Ein paar Schüler der Goetheschule Breitenbrunn sind in ihrer Freizeit bei der Wasserwacht. Sie haben ihrer Schule jetzt auch angeboten, den Schwimmunterricht zu unterstützen.

 MDR (sth)