
Sachsen Freie Kulturschaffende in Ostdeutschland besorgt wegen AfD und Sparzwang
Die freie Kunst- und Kulturszene in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Die Hauptsorgen: Das Erstarken der AfD und Kürzungen in den Kulturhaushalten. Auf der Konferenz "Vielfältiger Osten" in Olbernhau im Erzgebirge trafen sich rund 100 Kulturschaffende, um zu diskutieren, wie man damit in Zukunft umgehen soll. Dabei wurde deutlich: Die Szene will sich den Veränderungen entschlossen und gemeinsam stellen.
- Nicht alle freien Künstler fühlen sich in den ostdeutschen Bundesländern noch unterstützt, einige entscheiden sich bewusst für einen Abschied.
- In Polen gab es nach einem Regierungswechsel starke Veränderungen in der Kulturpolitik, diese könnten auch in den ostdeutschen Bundesländern drohen.
- Die Freie Szene ist einerseits besorgt und gibt sich andererseits zuversichtlich.
Die freie Theater- und Kunstszene in Ostdeutschland sorgt sich um ihre Zukunft. Der Rechtsruck in den ostdeutschen Ländern habe Auswirkungen auf die Arbeit vieler Kulturschaffender, genau wie der zunehmende Sparzwang. Das sagen die Landesverbände der Freien Theater in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und haben deshalb in dieser Woche im sächsischen Olbernhau zur Konferenz "Vielfältiger Osten" eingeladen.

Auf der Konferenz in Olbernhau trat auch der "Meckerchor" auf – ein Performanceprojekt, das das Schimpfen zelebriert.
Bei der Konferenz trafen sich rund 100 freie Kulturschaffende in der erzgebirgischen Kleinstadt und diskutierten über ihre Zukunft – unter ihnen Tänzer, Performancekünstlerinnen und Theatermacher.
Erste Künstler verlassen Sachsen
Anne-Cathrin Lessel leitet das Lofft-Theater in Leipzig. Sie beobachtet nach dem starken Abschneiden der AfD bei den sächsischen Landtagswahlen zwei Reaktionen bei ihren Kulturkollegen. Es gebe einerseits die, "die sich entschieden haben, Sachsen den Rücken zu kehren", und die, die hier bleiben wollten. "Die Personen müssen wir weiter stärken", sagte Lessel MDR KULTUR.

Anne-Cathrin Lessel leitet selbst ein freies Theater und hat die Konferenz "Vielfältiger Osten" mitorganisiert.
Sie selbst sei besorgt über die aktuellen politischen Entwicklungen und auch über die Einsparungen, denen immer mehr Kollegen inzwischen ausgesetzt seien.
Das könne Einfluss auf die künstlerische Freiheit haben, sagte die Leipzigerin: "Auch wir machen an unserem Theater Programm, was bestimmte Parteien wahrscheinlich nicht in ihren Grundsätzen fördern würden." Ziel der Konferenz sei es deshalb, gemeinsam solidarisch in die Zukunft zu blicken und sich auf Veränderungen vorzubereiten.
PiS-Partei änderte Kulturpolitik in Polen drastisch
Ein Blick ins Nachbarland Polen zeigt: Ein Politikwechsel kann auch die Kultur- und Medienlandschaft auf den Kopf stellen. In Polen war acht Jahre lang die rechtspopulistische PiS-Partei an der Macht.
Der Politologe Stefan Garsztecki forscht an der TU Chemnitz zu den Auswirkungen dieser Regierungszeit und berichtete in Olbernhau über deutliche Änderungen in der Kulturpolitik. Der Fokus habe sich damals verschoben: "Die traditionelle polnische Kultur wurde betont, die Familie betont", sagte Garsztecki MDR KULTUR.

Stefan Garsztecki hat in seiner Forschung die politischen Auswirkungen der PiS-Regierung ganz genau beobachtet und ausgewertet.
Außerdem beobachtete er den "Versuch des Staates, auf Kultur insgesamt einen größeren Zugriff zu haben und das eigentlich zu kontrollieren." Unter der PiS-Regierung waren zum Beispiel führende Museumsleiter ausgewechselt worden.
AfD als Gefahr für die freie Kultur?
Auf der Konferenz in Olbernhau hört man bei den Anwesenden die Sorge durch, dass solche Veränderungen auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen drohen – und zwar, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt. Garsztecki hält das nicht für ausgeschlossen: "Sie haben ganz andere Vorstellungen darüber, was Familie ist, was nationale Kultur ist", so Garsztecki, "und das wäre dann definitiv eine Gefahr für unabhängige Kultur".
Das wäre dann definitiv eine Gefahr für unabhängige Kultur. Stefan Garsztecki, Politologe |
Thema auf der Konferenz sind auch die Rechte der Künstlerinnen und Künstler. Der Jurist Friedhelm Hufen unterstreicht dabei ganz klar: "Wenn sie Theaterarbeit machen, haben sie die Kunstfreiheit auf ihrer Seite." Klar ist aber auch: Die freie Kunstszene ist häufig von Förderung abhängig. Diese bricht in ersten Regionen ein.
In Thüringen wird vorsichtig abgewartet
Kathrin Schremb leitet den Thüringer Theaterverband und beobachtet angesichts der politischen Entwicklung ein zögerndes Abwarten bei ihren Kulturkollegen: "Es wird schnell sehr ruhig. Angst ist da seit letztem Jahr. Sie kam im Wahlkampf schon."
Es wird sehr schnell ruhig. Die Angst ist da seit letztem Jahr. Kathrin Schremb, Thüringer Theaterverband |
In Olbernhau spürt man am Tag der Konferenz aber nicht nur Geldsorgen und politische Trübsal. Die Stimmung ist durchaus positiv: Angeregte Gespräche, entschlossene Reden und lachende Gesichter. Die Schauspielerin Anna Stiede ist zuversichtlich, fordert aber gleichzeitig von Theaterleuten und freien Künstlern, sich nicht auszuruhen.

Anna Stiede kommt gebürtig aus Jena und ist Schauspielerin und Performance-Künstlerin.
Die Kunst müsse sich anpassen an die Zeiten. "Das bedeutet raus auf die Plätze, raus vor den Supermarkt, raus an die Bushaltestelle", sagt die Schauspielerin im Interview mit MDR KULTUR. So könne man vor Ort die Wichtigkeit von freier Kultur einmal mehr unterstreichen.
Quelle: MDR KULTUR (Philipp Lakomy)