Sachsen Bad Lausicker Firma gibt Menschen mit Behinderung eine Chance
Geht die Wirtschaft in die Knie, wird es auch für Menschen mit Behinderung nicht einfacher, einen neuen Arbeitsplatz zu finden - besonders in Ostdeutschland. Das liegt unter anderem daran, dass nicht alle Unternehmen Menschen mit Handicap einstellen. Doch es gibt auch Firmen, die Inklusion leben. Ein Beispiel aus Bad Lausick.
Menschen mit Behinderung haben es auf dem Arbeitsmarkt nicht immer leicht. Umso wichtiger sind Arbeitgeber, die ihnen eine Chance geben. Das Bad Lausicker Reinigungsunternehmen "Reuter und Schreck" ist solch ein Unternehmen. Der 26 Jahre alte Toni Müller, der mit offenem Rücken geboren wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt, ist seit reichlich einem Jahr dort und fühlt sich verstanden und gut aufgenommen.
"Ich habe mich noch in keinem Unternehmen so wohlgefühlt wie hier", sagt Müller und fügt an: "Man fühlt sich nicht als Mensch mit Behinderung, der jetzt hier arbeitet, sondern durch den Umgang miteinander vergisst man, dass man im Rollstuhl sitzt." Er sei Teil des Ganzen, freut sich der 26-Jährige, der im Marketing arbeitet.
Dass es sich einmal so entwickelt, war nicht von Anfang an klar, denn zunächst bekam Toni Müller auf seine Bewerbung eine Absage: "Und dann genau an meinem Geburtstag erhielt ich die Nachricht, dass ich doch zum Vorstellungsgespräch kommen kann." Neben ihm arbeiten in der Bad Lausicker Firma noch acht weitere Menschen mit Behinderung.
Vom Disponenten zum Social-Media-Manager
Damit die Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten eingesetzt werden können, ist die Firma flexibel. "Ich habe hier ursprünglich als Disponent angefangen und die Termine für die Reinigung von Glasflächen, wie zum Beispiel Fenstern und Wintergärten, vereinbart. Wir haben dann aber festgestellt, dass Social Media und Digitalisierung mir eher liegen", sagt der Kaufmann für Büromanagement.
Jetzt sitzt Toni Müller direkt im Zimmer von Geschäftsführer André Schreck. "Das ist günstig, damit die Absprachen, die nötig sind, auf kurzem Weg funktionieren", erklärt Toni Müller, der unter anderem Stellenanzeigen schaltet oder via Instagram oder Facebook Einblicke in den Beruf des Gebäudereinigers bzw. der Gebäudereinigerin gibt. "Ich arbeite viel mit Fotos, produziere aber immer wieder auch Videos", sagt Müller.
Inklusion bei Gebäudereinigung "gelebte Tradition"
Für Geschäftsführer André Schreck ist es nicht ungewöhnlich, Menschen mit Behinderung in seinem Unternehmen zu integrieren. "Bei uns in der Gebäudereinigung ist das gelebte Tradition. Wir hatten beispielsweise eine taubstumme Mitarbeiterin, die hier 30 Jahre lang gearbeitet hat", sagt Schreck und ergänzt: "Auch da gab es Wege, mit ihr zu kommunizieren. Jetzt ist sie leider in Rente gegangen."
Im Laufe der Jahre habe er nur gute Erfahrungen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Handicap gemacht. "Die sind in der Regel sehr motiviert und sie wollen, dass man sie als Mensch sieht", sagt der Geschäftsführer, der insgesamt 170 Menschen beschäftigt.
Guter Draht zu den Behörden
Auch die Zusammenarbeit mit den Behörden gestalte sich gut. "Wir haben beim Integrationsamt eine gute Ansprechpartnerin." Das sei von Vorteil, beispielsweise, wenn es um die Beantragung von Fördergeldern gehe. "Als wir den Toni Müller eingestellt haben, hat sich das Amt an den Kosten beteiligt, um unsere Räume barrierefrei umzubauen."
Am Anfang sei Toni Müller über eine selbstgefertigte Rampe im Lager ins Büro gekommen. Das sei keine Dauerlösung gewesen. "Wir haben dann eine preiswerte Lösung gesucht und das Pflaster draußen angehoben. Jetzt hat der Bad Lausicker einen Zugang über den Haupteingang, so wie jeder andere", beschreibt Schreck die Veränderung.
Insgesamt neun Menschen mit Behinderung arbeiten in dem 170-Mitarbeiter zählenden Reinigungsbetrieb in Bad Lausick.
Arbeitsagentur hilft mit Eingliederungszuschuss
Wenn es darum geht, Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu bekommen, ist auch die Arbeitsagentur mit im Boot. So könne für eine bestimmte Laufzeit ein sogenannter Eingliederungszuschuss als Zuschuss zum eigentlichen Lohn gezahlt werden, sagt der Sprecher der Oschatzer Arbeitsagentur Volkmar Baier.
"Auch im Fall von Herrn Müller haben wir die Anbahnung des Beschäftigungsverhältnisses unterstützt. Das ist wichtig, damit jemand erstmal einen Fuß in den Betrieb bekommt und unter Beweis stellen kann, ob er für eine Tätigkeit geeignet ist." Manchmal brauche das eine gewisse Zeit und manchmal sei auch Aufwand damit verbunden, sodass beispielsweise der Arbeitsplatz entsprechend gestaltet werden müsse, sagt Baier.
Toni Müller ist auf jeden Fall glücklich. "Ich stamme aus Bad Lausick und habe jetzt einen Arbeitsweg von zehn Minuten. Von daher bin ich froh, dass es hier eine Firma gab, die einen Menschen mit Behinderung eingestellt hat", sagt Müller.
MDR (sth/dbö)