Sachsen Angst und Abstriche: VW-Krise trübt das Weihnachtsfest einer jungen Familie in Zwickau
Die VW-Krise verunsichert die Beschäftigten, auch wenn es keine Massenentlassungen geben soll. In den von den Sparplänen des Konzerns betroffenen Familien will sich kein Weihnachtsgefühl einstellen. Zwischen Schwibbogen und Christbaum kämpft eine junge Mutter aus Zwickau gegen Zukunftssorgen.
Ein liebevoll geschmückter Weihnachtsbaum, erzgebirgische Volkskunst auf dem Sideboard, draußen leuchtet ein großer Schwibbogen. Die Stühle am Esstisch tragen Hussen in Form von Weihnachtsmannmützen. Auf den ersten Blick sieht alles nach heiler Welt aus. Doch dann sagt Stephanie Haferkorn: "Ich muss sagen, die letzten Jahre habe ich Weihnachten viel, viel mehr gefeiert, mehr zelebriert als dieses Jahr. Der Funke ist leider noch nicht übergesprungen."
Partner bei VW kennengelernt
Haferkorn und ihr Partner arbeiten bei Volkswagen in Mosel. Sie haben sich im Unternehmen kennen und auch lieben gelernt. Vor zweieinhalb Jahren kam der gemeinsame Sohn auf die Welt. Und vor zwei Jahren erfüllten sich die beiden den Traum vom eigenen Häuschen am Stadtrand von Zwickau.
Alles könnte perfekt sein, doch die Streich-Pläne im VW-Konzern belasten auch das Familienleben. Der Konzern will 35.000 Stellen abbauen und plant tiefe Einschnitte für die Produktion in Zwickau bis zum jahr 2027. Denn der Absatz - gerade im Bereich der E-Autos - ist eingebrochen. Das ist auch der VW-Mitarbeiterin nicht entgangen. Das Werk in Mosel sei auf die Produktion von 350.000 Autos ausgelegt. Etwa 240.000 Fahrzeuge habe Zwickau in diesem Jahr produziert - ein drastischer Rückgang.
"Menschen halten ihr Geld zusammen"
Stephanie Haferkorn glaubt nicht, dass das an der Qualität der Fahrzeuge liegt. Auch der E-Mobilität traut sie nach wie vor einiges zu. Vielmehr habe es etwas damit zu tun, dass die Menschen sehr sparsam sind. "Die meisten halten derzeit ihr Geld zusammen und investieren nicht in ein neues Auto." Schade sei, dass der Konzern nicht rechtzeitig reagiert habe. "Auch die Politik trägt eine Mitverantwortung", meint Haferkorn. Als Beispiel nennt sie den Industriestrompreis.
Die Gedanken kreisen, die Ungewissheit spielt schon eine ziemlich große Rolle. Stephanie Haferkorn | Angestellte bei VW Zwickau
Zukunftsängste bei Beschäftigten
Auch wenn es für die unbefristet beschäftigten Mitarbeiter am Standort Zwickau weitergeht: "Die Gedanken, die kreisen halt. Egal, mit wem man spricht, es kommt immer dieses Thema auf", gibt Stephanie Haferkorn zu, die 2010 als Auszubildende bei Volkswagen begann. "Ich war ziemlich gut in Physik und da habe ich gedacht, vielleicht liegt mir der Elektroniker", erinnert sich die junge Mutter.
Natürlich zog damals der renommierte Name "Volkswagen": "Auch, weil ich gedacht habe, es ist der größte Arbeitgeber. Bei VW passiert eh nichts. Das war ja auch bis vor Kurzem so. Die Arbeitsplätze waren sicher." Nun gehören hunderte Familien in und um Zwickau jetzt schon zu den Leidtragenden. Denn schon länger stand fest: Zum Jahresende verlieren etwa 1.000 befristet Beschäftigte ihre Arbeit.
Schichten werden zurückgefahren
Bereits im November 2023 habe sich angedeutet, dass etwas im Argen liegt. Damals kündigte VW eine seit Jahren bestehende Betriebsvereinbarung zum Dreischicht-System auf. Bis zum Schluss habe der Betriebsrat dafür gekämpft, dass die Mitarbeiter im Werk weiterhin in drei Schichten arbeiten. "Jetzt wird im Januar der nächste Bereich auf zwei Schichten umgestellt", so Haferkorn. Der Konzern wolle sich damit die Nachtzuschläge sparen, die im Monat bei einzelnen Mitarbeitern im mittleren dreistelligen Bereich liegen.
Stephanie Haferkorns Partner arbeitet noch in drei Schichten, was finanziell der Familie zugute kommt. Doch bei allen Problemen: Für die Zwickauerin ist es wichtig, sich gerade jetzt kleine Inseln zu schaffen. Und so zieht Kuchenduft durch ihr Haus. Stephanie Haferkorn hat einen Lebkuchen-Kuchen für die Arbeitskollegen gebacken. Es ist ein Gruß zur Adventszeit, den sie mit Wünschen für schöne und ruhige Feiertag verknüpft.
Stephanie Haferkorn hat für ihre Kolleginnen und Kollegen einen Pfefferkuchen-Kuchen gebacken.
Familie bleibt positiv gestimmt
Obwohl die Situation bei VW schwierig bleibt, will die junge Mutter positiv denken. Sie engagiert sich in der Gewerkschaft IG Metall. Zukunftssorgen habe sie natürlich: Da sind der Hauskredit, die noch nicht fertigen Außenanlagen, die wegen der aktuellen Situation weiter warten müssen und auch die Tatsache, dass beide im Konzern ihre Brötchen verdienen: "Die Angst wird einfach umgewandelt in Kampfbereitschaft. Wir werden bis zum bitteren Ende auch für unsere Arbeitsplätze kämpfen."
Kleine Abstriche - aber nicht zu Weihnachten
Finanziell will die kleine Familie zu Weihnachten keine Abstriche machen. Der Kleine soll unbeschwerte Weihnachtstage haben. Bei den Urlaubsplanungen sieht das anders aus. "Wir haben immer kleine Kurztrips gemacht." Die lägen zunächst auf Eis. Der große Urlaub im Sommer, der werde trotzdem stattfinden: "Wir müssen ja auch mal abschalten."
MDR (ben/kk)