Ein mann mit blutender Nase wird avon polizeibeamten an einen Metallzaun gedrückt.

AfD-Parteitag Scharfe Kritik an Polizeieinsatz in Riesa

Stand: 12.01.2025 17:35 Uhr

Die Initiatoren des Gegenprotests gegen den AfD-Parteitag in Riesa freuen sich über hohe Teilnehmerzahlen. Aber sie kritisieren den Einsatz von Schlagstöcken und Gewalt der Polizei gegen Demonstranten. Augenzeugen berichten von Verletzten und Repressionen. Die wiederum sind bis auf einen Fall der Polizei nicht bekannt. Sie erklärt, warum sie bei Demo-Zügen Grundrechte eingeschränkt hat.

Von MDR SACHSEN

Einen Tag nach den Gegenprotesten zum AfD-Bundesparteitag in Riesa haben die Initiatoren der Proteste positive Bilanz gezogen. Es seien 15.000 Menschen auf den Straßen gewesen, um gegen die in Teilen rechtsextreme AfD zu protestieren. Außerdem übten die Organisatoren Kritik am Einsatz der Polizei. Sie wollten die Einschätzung der Polizei nicht teilen, wonach die Lage am Samstag überwiegend friedlich und die Beamten "entspannt" gewesen seien, wie Polizeisprecher Marko Laske MDR SACHSEN gesagt hatte.

Wir teilen das Fazit der Polizei nicht, dass es friedlich gewesen ist. Charly Dietz | Bündnis Klimagerechtigkeit

Schlagstockeinsatz und Repressionen der Polizei?

"Ich bin entsetzt und bestürzt über den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray der Polizei gegen friedliche Demonstranten", sagte Trong Do Duc von der Initiative "Riesa für alle".

Auch die Sprecherin des Vereins "Buntes Meißen", Jana Henker, stellte fest: "Leider gab es von Teilen der Polizei Repressionen". Sie bezog sich vor allem auf Vorkommnisse um den Landtagsabgeordneten und parlamentarischen Beobachter der Linkspartei, Nam Duy Nguyen. Er und sein Begleiter seien von Polizisten geschlagen worden und zu Boden gegangen. Der Mandatsträger sei einige Sekunden lang bewusstlos gewesen.

Zudem bezog sich die Kritik an der Einsatztaktik bei Demonstrationszügen am Morgen und am frühen Nachmittag des Sonnabends, wo mehrere hundert Demonstranten erst mehr als eine Stunde aufgehalten worden und dann von Polizisten bedrängt worden sein sollen. Die Sprecherin des Klimagerechtigkeitsbündnisses, Charly Dietz, sprach von einem "zweistündigen Demo-Kessel" an der Pausitzer Straße/Breitscheidstraße.

Augenzeugen und Beobachter über Panik im "Demo-Kessel"

Eine Augenzeugin aus Leipzig (Anmerk. der Red.: Name ist der Red. bekannt) schildert das Vorgehen der Beamten am Samstagnachmittag nach mehreren Aufrufen an die Demonstranten, so: "Inzwischen ist völlig Panik ausgebrochen. Menschen schieben und drücken in alle Richtung, um den Attacken der Polizei zu entgehen. Manche fallen hin, ohne dass ihnen jemand aufhelfen könnte, weil alle damit nur damit beschäftigt sind, selbst stehen zu bleiben. Über einiger diese hingefallenen Menschen stolpern die Polizisten und Polizistinnen innen sogar. Halb auf ihnen liegend, prügeln sie weiter auf am Boden liegende Personen ein."

Mehrere Polizeibeamte haben eine Kette gebildet und laufen auf Demonstranten auf der Straße zu.

Die polizei Dresden bestätigt am Sonntag, dass mehre Demo-Züge am Sonnabend in Riesa gestoppt und Grundrechte von Demonstrierenden eingeschränkt worden seien.

Die Landtagsabgeordnet der Linken, Juliane Nagel, war auch als parlamentarische Beobachterin in Riesa. Sie bestätigt den Augenzeugen-Bericht: "Im Tagesverlauf wurden immer wieder genehmigte Versammlungen von der Polizei am Laufen gehindert, es kam auch zu unverhältnismäßigen und gewaltsamen Handlungen der Polizei."

Sie habe "das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstrierende am frühen Nachmittag in der Breitscheidstraße beobachten können. Mehrere hundert Menschen, die zur Hauptkundgebung vor der WT-Arena gelangen wollten, wurden dort auch von Beamten der sächsischen Polizei geschoben oder getreten, so dass Menschen zu Boden fielen und Panik bekamen". Nagel kündigt an, dass die Landtagsfraktion "die Fälle des unverhältnismäßigen Polizeihandelns und von Polizeigewalt" aufarbeiten lassen werde.

Ein Demonstrant wird von einem Polizeibeamten bedrängt. Am Straßenrand stehen drei junge Beobachter und sehen entsetzt aus.

Mit Schrecken beobachten drei Zuschauer auf dem Gehweg das Geschehen während eines Polizeieinsatzes in Riesa.

Polizeisprecher: Einsatz "dynamischer Lage angepasst"

Auf Nachfrage von MDR SACHSEN sagt Polizeisprecher Thomas Geithner: "Es ist sicherlich nicht jeder Aufzug so komplett durchgelaufen, wie sich das die Anmelder gewünscht haben." Das Einsatzkonzept sei insofern aufgegangen, dass die Polizei ihre Ziele erreicht habe: Den AfD-Parteitag stattfinden zu lassen und Proteste in Sicht- und Hörweite zu ermöglichen. Weil mehr als die angemeldeten 10.000 Menschen zum Gegenprotest gekommen seien - die Initiatoren des Bündnisses "widersetzen" hatten von 15.000 Menschen gesprochen - habe die Polizei auf die "dynamische Lage" auch die Entscheidungen für den Einsatz anpassen müssen.

Polizei zu Grundrechtseinschränkungen

Dass Demo-Züge "gestoppt" wurden, bestätigte Geithner. "Das Grundrecht wurde gewährt, es wurde allerdings eingeschränkt, weil sie eine Zeit lang nicht laufen konnten, aber ihre Meinungsäußerungen waren möglich und das Versammeln war möglich." Und weiter: "Verletzte auf Seiten der Veranstaltungsteilnehmer sind uns im Moment keine bekannt geworden". Während des Einsatzes am Sonnabend seien sechs Polizeibeamte leicht verletzt worden.

Innenminister: "Mehrfach unmittelbarer Zwang" angewendet

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte am Samstag: "Einzelne Situationen des Protests heute in Riesa haben konsequente Polizeieinsätze erforderlich gemacht, bei denen die Polizei mehrfach unmittelbaren Zwang anwenden musste. Es gab verschiedene Gemengelagen und hitzige Situationen, in denen die Polizei mit robustem Handeln Ordnung durchgesetzt hat."

Zum Vorfall um den sächsischen Landtagsabgeordneten Nguyen aus Leipzig sagte Schuster: "Mit der sächsischen Fraktion der Linken stehe ich in Kontakt. Herrn Nam Duy Nguyen wünsche ich einen guten Genesungsverlauf."

Innenministerium Niedersachsen: Wir nehmen den Vorfall sehr ernst

Aus dem niedersächsischen Innenministerium, zu deren Einheiten der handelnde Polizist gehört, hieß es am Sonntag auf Anfrage des NDR, dass der Vorfall bekannt sei. Allerdings seien "die genauen Umstände des Geschehens derzeit nicht vollends bekannt". Sie würden derzeit durch die Polizei in Sachsen aufbereitet. Dazu werde die polizeiliche Videodokumentation ausgewertet.

Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens erklärte am Sonntag: "Ich bedauere es außerordentlich, dass ein Landtagsabgeordneter der Linken in Sachsen offenbar während des Einsatzes niedersächsischer Polizeikräfte verletzt wurde und wünsche Herrn Nguyen alles Gute und eine schnelle Genesung. Wir nehmen diesen Vorfall sehr ernst, er muss und wird polizeiintern aufgeklärt werden."

Ich bedauere es außerordentlich, dass ein Landtagsabgeordneter der Linken in Sachsen offenbar während des Einsatzes niedersächsischer Polizeikräfte verletzt wurde. [...] Wir nehmen diesen Vorfall sehr ernst. Daniela Behrens | Innenministerin Niedersachsen

Interne Ermittlung wegen des Verdachts der Körperletzung im Amt

Die Polizei Dresden bedauert den Vorfall ebenfalls: "Das tut uns sehr leid. Uns ist schon bewusst, welche Rolle gerade Abgeordnete, Parlamentarier bei solchen Versammlungen haben."

Uns ist schon bewusst, welche Rolle gerade Abgeordnete, Parlamentarier bei solchen Versammlungen haben. Thomas Geithner | Sprecher der Polizeidirektion Dresden

Gegen einen Polizeibeamten werde intern ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletztung. Laut Polizeisprecher Geithner ist auch die Staatsanwaltschaft mit einbezogen.

MDR (kk)