Saarland Weniger Online-Nachrichten? Was der Reformstaatsvertrag für SR info im Netz bedeuten würde
Bis Freitag beraten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der aktuelle Entwurf würde deutliche Einschnitte beim Nachrichtenangebot für SR info-Nutzer bedeuten.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland soll sich verändern. Wie genau, wird zurzeit beraten: Ein Ende September vorgelegter Entwurf für den so genannten Reformstaatsvertrag sieht zum Beispiel vor, die Zahl der Radiosender und der digitalen Spartenkanäle im Fernsehen von ARD und ZDF zu begrenzen.
Konkret betroffen wären auch die Online- und Social Media-Nachrichten-Angebote, zum Beispiel von SR info. Denn der Entwurf der Länder verschärft den Passus zur so genannten "Presseähnlichkeit", den Zeitungsverleger auf den Anteil in Textform veröffentlicher Nachrichten beziehen.
Weniger Textnachrichten, mehr Video und Audio
Nach dem neuen Entwurf soll der Text-Anteil weiter sinken und stattdessen mehr Video- und Audio-Inhalte im Vordergrund stehen als bisher. Dabei bevorzugen laut der jährlichen Studie Reuters Institute Digital News Report die meisten Nutzerinnen und Nutzer weiterhin Nachrichten in Textform.
Außerdem dürften – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Nachrichten erst dann online veröffentlicht werden, wenn Radio oder Fernsehen schon darüber berichtet haben, online first wäre also gar nicht mehr möglich. Das hätte konkret weniger Nachrichten im Netz zur Folge – denn die Sendezeit in Radio und Fernsehen ist begrenzt. Über Themen, die dort keinen Platz finden, könnte dann auch auf den Webseiten und Social-Media-Kanälen nicht berichtet werden.
Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung im Umfeld von Wahlen: Im Netz können Online-Dossiers bisher viel umfangreicher gestaltet werden, als das in Radio und Fernsehen aus Zeitgründen möglich wäre.
Oder gerade in zeitkritischen Angeboten in sozialen Netzwerken könnten Informationen erst mit Verzögerung veröffentlicht werden, weil SR info erst auf eine Veröffentlichung im linearen Programm warten müsste. Für Eilmeldungen (Breaking News) wären künftig nur noch kurze Schlagzeilen erlaubt, ein Satz, nicht mehr.
Bei Unwettern oder Gefahrenlagen dürften also wichtige und detaillierte Informationen über die aktuelle Lage erst mit Verzögerung veröffentlicht werden – nämlich erst, wenn es dazu eine Sendung in Radio oder Fernsehen gäbe. Liveticker, wie SR info sie zum Beispiel beim Pfingsthochwasser im Saarland angeboten hat, wären nach Einschätzung des ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke in dieser Form ausgeschlossen.
Das widerspricht sowohl dem Anspruch, schnelle, seriöse Informationen zu bieten wie auch der Erwartungshaltung unserer Nutzerinnen und Nutzer.
Einschränkungen im Nachrichtenangebot
Der derzeitige Entwurf des Reformstaatsvertrages würde also direkte Einschränkungen im Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Sender bedeuten – entgegen dem Programmauftrag, sagt SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams:
Unser Publikum hat ein Recht darauf, auch in den sozialen Netzwerken und auf unseren Webseiten bestens informiert zu werden und zwar in der Form, die üblich ist auf der jeweiligen Plattform. Das ist häufig auch Text.
Wenn man uns nun verbietet, Texte zu veröffentlichen oder erst nachdem wir Videos oder Audios an anderer Stelle veröffentlicht haben, dann bekommt unser Publikum, und hier derzeit vor allem die unter 50-Jährigen, diese Informationen von uns zu spät oder nicht in der passenden Form.
Die Folge wird sein, dass unsere Arbeit nicht mehr wahrgenommen wird und das bedeutet, dass wir unserer Aufgabe nicht mehr nachkommen können. Wenn die Politik uns im Online-Bereich derart stark beschränkt, konterkariert sie den Auftrag, den sie uns selbst erteilt hat: nämlich Programm für alle zu machen.
Öffentlich-rechtliche, frei verfügbare Textnachrichten sind insbesondere Zeitungsverlegern ein Dorn im Auge. Sie argumentieren, dass dadurch eine Konkurrenz entsteht, die für sie zu einer schlechteren wirtschaftlichen Situation führt. Allerdings geht zum Beispiel aus einem aktuellen Gutachten hervor, dass Verlage kaum von einer Einschränkung der Textangebote auf öffentlich-rechtlichen Seiten profitieren würden.
Selbstverpflichtung statt gesetzliche Regelung?
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke hat in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur statt der Formulierungen im derzeitigen Reformstaatsvertrags-Entwurf eine Selbstverpflichtung für ARD, ZDF und Deutschlandradio vorgeschlagen: "Es könnte ein Game-Changer sein, wenn wir uns verpflichten zu sagen: Die Bezugsgröße für die Überprüfung, ob etwas presseähnlich ist, ist nicht mehr das Gesamtangebot, sondern jedes Teilangebot, also jede einzelne App."
Die Vorsitzenden des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger lehnen den Vorschlag ab und pochen auf eine gesetzliche Regelung.
Wie es jetzt weiter geht
Seit Donnerstag tagt in Leipzig die Rundfunkkommission der Länder noch einmal. Bis Freitag beraten dann die Ministerpräsidenten auf ihrer Jahrestagung auch über die Reformpläne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Danach müsste über einen Reformstaatsvertrag in den Länderparlamenten abgestimmt werden, also auch im saarländischen Landtag. Sollten alle 16 Parlamente zustimmen, könnte der Reformstaatsvertrag frühestens im Sommer 2025 in Kraft treten.
Über dieses Thema berichtet auch der "aktuelle bericht" im SR Fernsehen am 24.10.2024.