Saarland Diese Folgen könnte der Reformstaatsvertrag für den SR haben
Noch bis einschließlich Freitag treffen sich die Ministerpräsidenten in Leipzig zu ihrer jährlichen Konferenz. Für die Öffentlich-Rechtlichen geht es dabei um viel. Denn der sogenannte Reformstaatsvertrag wird beraten. Das könnte in der derzeit vorliegenden Form auch unmittelbare Folgen für die Angebote des SR haben. Vor allem im Internet.
Janek Böffel
Die ARD ist reformbedürftig. Darin sind sich die meisten einig. Auch bei der ARD selbst. Doch darüber, wie solche Reformen aussehen können, gibt es Diskussionen. Spätestens seit die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer Ende September den Entwurf des Reformstaatsvertrags vorgelegt haben. Der bisherige Entwurf, an dem derzeit noch gefeilt wird, sieht deutlich weniger Hörfunkwellen vor, aber auch weitere Anpassungen an den ARD-Strukturen.
Wie viel Text darf ins Netz?
Vor allem aber wird über einen Aspekt diskutiert. Nämlich über die Frage, wie viel Text die ARD und ihre Landesrundfunkanstalten noch ins Netz stellen dürfen. Denn der Entwurf der Länder verschärft den Passus zur so genannten „Presseähnlichkeit“. Das könnte zu massiven Einschränkungen im Angebot, auch des SR führen
„Die Verleger haben diesen Begriff ‚Presseähnlichkeit‘ geprägt, um gegen lesbaren Text – im Unterschied zu hörbarem Text – in unseren Programmen vorgehen zu können. Fakt ist, dass wir als Journalisten immer mit Texten arbeiten und ihn dann lesbar machen, wenn die Darstellungsform oder das Genre es erfordern. Auf Webseiten und in den digitalen Netzwerken ist das so und wir passen unsere Veröffentlichungen entsprechend an.
Wir präsentieren unsere Inhalte so, dass unser Publikum auf allen Geräten und in welcher digitalen Umgebung auch immer diese Inhalte optimal wahrnehmen kann. Und darauf hat unser Publikum auch ein Recht“, erklärt Armgard Müller-Adams, die Chefredakteurin des Saarländischen Rundfunks.
Mehr Audios und Videos?
Das Text-Angebot der öffentlich-rechtlichen im Netz ist den Verlegern schon seit Langem ein Dorn im Auge. Sie sehen in den Texten eine Konkurrenz für ihre eigenen Angebote, mit denen sie Geld verdienen müssen. Und im Entwurf des Reformstaatsvertrages folgen die Medienpolitiker der Länder dieser Argumentation in vielen Teilen.
Nach dem neuen Entwurf soll der Text-Anteil bei den öffentlich-rechtlichen Angeboten weiter sinken und stattdessen mehr Video- und Audio-Inhalte im Vordergrund stehen als bisher.
Folgen für Berichterstattung
Außerdem dürften – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Nachrichten erst dann online veröffentlicht werden, wenn Radio oder Fernsehen desselben Senders schon darüber berichtet haben. „Sendungsbegleitend“ heißt das Stichwort.
Gerade auch für die Angebote des SR im Internet hätte das Folgen, erklärt Müller-Adams: „Ich mache es mal an drei Beispielen anschaulich: Während des Hochwassers an Pfingsten haben wir einen Live-Ticker eingerichtet, mit dem wir rund um die Uhr informiert haben, also auch zu Uhrzeiten, zu denen wir sonst keine Nachrichten senden. So etwas wollen wir auch weiterhin anbieten dürfen.
Fall Nummer zwei ist tagesschau.de – dort finden Nutzer:innen zur Zeit auch Informationen aus dem Saarland, die wir zuvor in SR Sendungen auch behandelt haben. Das wäre nach Wunsch der Verleger und nach dem Entwurf nicht mehr möglich.
Oder das dritte Beispiel: Faktenchecks oder Hintergrunddossiers könnten wir immer nur nach einer Sendung zum selben Thema veröffentlichen, aber nicht, weil wir beispielsweise beobachten, dass im Internet etwas gerade heftig diskutiert wird – so wird der Entwurf zumindest derzeit von vielen verstanden.“
Landesregierung hält Reform für nötig
Die Landesregierung betont die Reformbedürftigkeit. Denn es gehe darum, die unterschiedlichen Interessen von Verlegern und Öffentlich-Rechtlichen zu vereinen. Dazu brauche es diese Reformen, erklärte der für Medienangelegenheiten zuständige Staatssekretär Thorsten Bischoff vor Beginn der weiteren Beratungen, deren Ergebnis derzeit noch nicht bekannt ist.
Die Öffentlich-Rechtlichen müssten weiterhin die Möglichkeit haben, auch im Netz Text anzubieten. „Aber da muss es eben Grenzen geben, damit das Angebot nicht zu ‚presseähnlich‘ ist und Quasi das Angebot der Zeitungsverlage kopiert. Deshalb gibt es bisher schon das Verbot der ‚Presseähnlichkeit‘, aber es war in der Vergangenheit nie so ganz klar, wie sind die Spielregeln, wie sind die Rahmenbedingungen und an welcher Stelle steht das Stoppschild. Und das wollen wir klarer fassen.“
Doch das dürfte nicht ohne Folgen bleiben. Einerseits geht es um die Frage, wie Menschen Nachrichten konsumieren. Gibt es doch Studien, die darauf hinweisen, dass Menschen vor allem bei Nachrichten den Text bevorzugen. Aber gerade bei der Frage, wie gerade jüngere Zielgruppen erreicht werden könnte das Folgen haben, so Müller-Adams.
„Wir müssten zwar unser Auftritte beispielsweise auf Instagram nicht direkt einstellen oder unsere Webseite löschen, aber das, was wir dort dann noch veröffentlichen dürften, passt nicht mehr zu dem, was die Nutzerinnen und Nutzer wollen. Wir wären also nicht mehr attraktiv, und die Informationen, die wir zeigen wollen und sollen, würden nicht mehr wahrgenommen.
Außerdem werden die Algorithmen von Suchmaschinen und Social-Plattformen unsere Auftritte dann schlechter bewerten und nicht mehr anzeigen. Wir werden sozusagen ausgeblendet auf den Kanälen, die insbesondere für jüngere Zielgruppen wichtig sind. Es ist heute schon schwierig, jüngere Zielgruppen mit Informationen zu erreichen, das wird dann für uns quasi verunmöglicht.“
Beratungen dauern an
Derzeit berät noch die Rundfunkkommission über den endgültigen Entwurf. Am Freitag wird der dann voraussichtlich auf Ebene der Länderchefs beraten. Dann muss er noch von den Landtagen abgesegnet werden. Frühestens greifen würde der Vertrag dann im kommenden Jahr.
Über dieses Thema hat auch die SR 3 Region am Nachmittag am 24.10.2024 berichtet.