Einkaufsstraße am Abend - Immer mehr Geschäfte und Lokale verlangen Beratungs- oder Ausfallgebühren

Rheinland-Pfalz Wenn No-Show oder "Beratungsdiebstahl" Kunden etwas kosten

Stand: 06.12.2024 20:21 Uhr

Einen Tisch im Restaurant reservieren und einfach nicht kommen. Sich im Laden lange beraten lassen und dann nichts kaufen oder online bestellen. Viele Gastronomen und Händler wollen sich das nicht mehr gefallen lassen. 

Durch die Geschäfte bummeln, Dinge anschauen und sich vom Fachpersonal beraten lassen – das macht auch in Zeiten des Surfens in Onlineshops noch Spaß. Manche Kunden lassen sich jedoch ohne Kaufabsicht ausgiebig beraten, probieren aus und probieren an - und ziehen weiter. Händlerrisiko könnte man sagen. Doch die Unverbindlichkeit der Kunden nimmt zu und einige Branchen setzen inzwischen auf Beratungsgebühren oder einen No-Show-Betrag, wenn Termine nicht eingehalten werden.

Elena Godbold vom Brautmodenstudio "Elas Bräute" in Mainz hat sich dafür entschieden. Nicht aus "Abzocke", wie sie betont. Die Beratungsgebühr von 55 Euro laut Homepage verlangt sie in Prime-Time-Zeiten wie freitags und samstags.

Ein Grund ist der "ziemlich krasse Braut-Tourismus"

Sie hätten das nach ein paar Jahren eingeführt, weil es mittlerweile einen "ziemlich krassen" sogenannten Braut-Tourismus gebe. Das bedeute, wie Godbold sagt, dass "die Mädels durch super viele Läden ziehen". Da gehe es dann um das Event mit Freundinnen. Durch die Gebühr wolle sie sicher gehen, dass die, die zur Anprobe kämen, es ernst meinten. Wenn eine Braut in fünf Läden Termine vereinbare, ohne überhaupt ein Kleid kaufen zu wollen, sei das gerade für kleine Boutiquen schwierig.

Reserviert und nicht gekommen - Kunden müssen zahlen

Sie habe generell gute Erfahrungen mit der Gebühr gemacht, so Godbold. Sie werde ja nur erhoben, wenn die Kundin kein Kleid finde und auch dann noch verrechnet, wenn eine Braut sich nachträglich für ein Kleid entscheide. Wer die Gebühr nicht zahlen wolle, habe noch die Möglichkeit, unter der Woche zu kommen.

Lange Zeit hätten sie auch die Ausfallgebühr nicht erhoben. Inzwischen wird sie in ihrem Laden fällig, wenn die Absage erst ab 48 Stunden vor dem Termin oder gar nicht kommt. Es geschehe nicht oft, dass sie sitzen gelassen würden. Doch für ein kleines Unternehmen sei das wirtschaftlich ein echter Ausfall, vor allem zu den Prime-Time-Terminen. Sie bezahle ja auch Mitarbeiterinnen, die dann umsonst gekommen seien.

Die Kundinnen würden oft in mehreren Läden Termine vereinbaren und dann schon in einem anderen Geschäft etwas finden. Bei ihr im Laden entstehe dann eine Lücke von zweieinhalb Stunden und eine andere Braut hätte sich vielleicht über den Termin gefreut.

Verbraucher empfinden klare Deals als fair

Die Verbraucher verstünden es, wenn für eine ausführliche und spezielle Beratung Geld verlangt werde, bestätigt Julia Gerhards von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Man fühle sich als Kunde auch freier, wenn es einen klaren Deal vorab gebe. Man habe dann keinen Druck, etwas kaufen zu müssen. Manche Kunden seien ja auch unsicher, wie viel Beratung sie in Anspruch nehmen dürfen. Je klarer es vor dem Termin geregelt sei, umso besser. Dann werde es auch vom Kunden als fair empfunden, sagt Gerhards.

Ein anderes Phänomen ist im Brautmodenstudio von Elena Godbold kein Thema: der sogenannte Beratungsdiebstahl. Kunden suchen dabei nach ausführlicher Beratung, um das gleiche Produkt dann online zu bestellen - für weniger Geld. Aus Kundensicht ist es verständlich, aus Händlersicht ärgerlich. Doch ihre Kleider würden erst nach der Bestellung für die Braut angefertigt, erklärt Godbold und die meisten Labels seien online gar nicht zu finden.

"Beratungsklau" oder "Händlerrisiko" ?

Das unschöne Wort "Beratungsklau": Andreas Ehrhardt vom Fahrradladen "Die Radgeber" in Mainz kennt es. Das sei definitiv ein Thema im Einzelhandel. Man merke, wenn die Kunden online schon ein E-Bike gesehen haben und dann Informationen erfragen. Auch im Handwerk oder in Küchenstudios gebe es "Beratungsdiebstahl". Der Schlosser zeichne das komplette Geländer für die Dachterrasse und der Bauherr gehe mit dem Plan zum nächsten Schlosser und frage, ob er das 20 Prozent billiger haben könne. Im Grunde sei das aber seit den Hufschmieden im Mittelalter so, meint Ehrhardt.

Im "Radgeber" werde keine Gebühr für Beratungstermine und das Ausprobieren eines E-Bikes genommen. Er wolle keine Hürde an der Ladentür haben und die Kunden abschrecken. Sie hätten das Thema Gebühr intern immer mal wieder besprochen, sagt Ehrhardt. Im Grunde handle es sich um einen sehr kleinen Teil der Kunden, die Beratungen ausnutzten, ohne etwas zu kaufen. Er wolle deswegen nicht alle unter Generalverdacht stellen. Die Leute sollten Spaß an der Beratung und am Austausch haben. Misstrauen sei ein schlechter Gesprächseinstieg.

Ein Fahrradkauf sei zudem sehr komplex. Bei manchen Kunden sei auch das Ergebnis der Beratung, dass sie erst einmal bei ihrem alten Rad bleiben oder es noch einmal reparieren lassen. In solchen Fällen sei dann eine Beratungsgebühr auch nicht das Richtige. Diese Leute würden niemals dafür Geld zahlen wollen. Aber sie kämen vielleicht irgendwann wieder. Eine hohe Bindung der Kunden sei wichtig. Es sei nicht nachhaltig, "grantig" zu sein.

Kostenpflichtige Laufschuhberatung: Kunden schätzen den Service

Anruf beim Fachladen "LaufZeit" In Mainz: Dort gibt es eine spezielle Laufschuhberatung und die kostet etwas. Unter anderem wird die Druckverteilung des Fußes während der Geh- und Laufbewegung gemessen. Der Preis dafür ist im Kauf eines Laufschuhs inklusive. Es seien viele erfahrene Läufer unter den Kunden, die diesen Service schätzen würden, sagt ein Mitarbeiter.

Etwa 80 Prozent der Kunden, die die Laufanalyse machen lassen, würden auch einen Schuh bei ihnen kaufen. Manchmal gebe es natürlich Kunden, die sich beraten ließen und dennoch keinen Schuh kauften, weil ihnen vielleicht die Optik nicht gefalle. Andere würden schauen, wie ein Schuh sich anfühlt und ihn dann vielleicht online etwas günstiger erwerben. Die Laufanalyse sei aber nicht nur ein Konzept, um sich vom Onlinehandel abzusetzen, sondern folge auch einem Bedarf der Läufer.

Julia Gerhards von der Verbraucherzentrale verweist auf die inzwischen umfangreichen Produktratgeber im Internet, gerade im Outdoor- und Sportbereich. Dies greife dann auch den Vorteil der Beratungsexpertise im Geschäft an. Viele Kunden kämen schon mit Infos aus dem Netz in die Läden. Die Geschäfte setzten dann wiederum eigene Beratungsprodukte auf, die online nicht leistbar seien.

No-Show-Gebühren sind in der Gastronomie weit verbreitet

Wechsel vom Einzelhandel in die Gastronomie: Dort sind sogenannte No-Show-Gebühren inzwischen weit verbreitet.

Wer einen Tisch kurzfristig oder gar nicht absagt, muss in immer mehr Restaurants eine Ausfallgebühr zahlen. Längst gilt das nicht mehr nur für Lokale der gehobenen Kategorie. Die "No Show"-Klausel muss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtswirksam formuliert sein.

Unverbindlichkeit der Gäste ernsthaftes Problem

Für Gastronomen ist die zunehmende Unverbindlichkeit der Gäste ein ernsthaftes Problem. Einige Gäste buchen in mehreren Lokalen parallel und entscheiden sich kurzfristig, ohne bei den anderen Lokalen abzusagen. Die Möglichkeit, online zu reservieren, begünstigt das Phänomen. Julia Gerhards von der Verbraucherzentrale bestätigt, dass es Klagen aus der Gastronomie über einen "Sittenverfall" gibt. Die „No-Show“-Gebühren seien eine Reaktion darauf.

Seit der Coronapandemie haben immer mehr Restaurants Reservierungssysteme und verlangen diese Entschädigungen. Unerwartetes Ausbleiben von Gästen führt zu erheblichen Umsatzverlusten. Das bestätigt eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) in Nordrhein-Westfalen.

Reservierungssysteme können Gäste an Termin erinnern

Restaurants planen ihren Einkauf und ihre Vorbereitungen oft auf der Basis von Reservierungen. No-Shows führen dazu, dass vorbereitete Lebensmittel nicht verwendet werden und letztendlich entsorgt werden müssen, besonders bei speziellen Menüs oder frischen Zutaten, die nicht lange haltbar sind. Außerdem wurden für einen Abend möglicherweise zu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Service und Küche eingeteilt, wenn reservierte Tische leer bleiben. Das führt zu unnötigen Personalkosten.

Der rheinland-pfälzische DEHOGA-Chef Gereon Haumann verweist darauf, dass es Reservierungssysteme gibt, die erkennen, ob jemand schon zur selben Zeit in einem anderen Lokal reserviert hat und eine weitere Reservierung unmöglich machen. Die Systeme würden auch Terminerinnerungen an die Gäste verschicken.

Zurück in das Brautmodenstudio von Elena Godbold: Sei sie selbst Kundin, falle es ihr auf, wie viel Zeit teilweise in Beratung investiert werde, erzählt sie. Sie fände es absolut verständlich, wenn manche Geschäfte sagen würden: wir machen das gerne für sie, aber wenn es nicht zustande kommt, dann kostet es etwas. Sie wertschätze diese Zeit der anderen Leute sehr, aber vielleicht deshalb, weil sie selbst Dienstleister sei.

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