Eine Frau und ein Mann des Forschungsvereins Smart Factory stehen vor einer automatisierten Produktionsmaschine mit Greifarmen. Der Mann bedient ein Tablet, das Teil der Maschine ist.

Rheinland-Pfalz Wie Kaiserslautern zum "Silicon Woods" werden konnte

Stand: 29.03.2025 06:03 Uhr

Die IT-Branche feiert gerade 50 Jahre Informatikstandort Kaiserslautern. Über die Zeit haben sich zahlreiche Institute und Firmen im Umfeld der Universität angesiedelt. Wir zeigen, was dahinter steckt.

Große Glaswände, hinter denen tropische Bäume in die Höhe ragen, goldene Fassaden und dahinter zahlreiche Büros und Labore. Wer in Kaiserslautern die Trippstadter Straße in Richtung Uni-Campus läuft, dem dürften die schicken Gebäude entlang des Weges auffallen.

Doch was genau findet hinter diesen großen Glasfassaden von "Silicon Woods" statt? (Ja, so hat die Stadt tatsächlich die KI-Wirtschaft beworben.) Was nutzt es den Menschen und warum ist Kaiserslautern zum einflussreichen Zentrum für IT-Forschung und Entwicklung geworden?

Wer in Kaiserslautern die Trippstadter Straße in Richtung Uni-Campus läuft, dem dürften die schicken Gebäude entlang des Wegs auffallen. Hier siedeln sich viele IT-Forschungsinstitute und Start-ups an.

Wer in Kaiserslautern die Trippstadter Straße in Richtung Uni-Campus läuft, dem dürften die schicken Gebäude entlang des Wegees auffallen. Hier siedeln sich viele IT-Forschungsinstitute und Start-ups an.

Grund 1: Die Uni Kaiserslautern schickt tausende IT-Experten auf den Markt

In diesen Tagen feiert die Rheinland-Pfälzische Technische Universität (RPTU) Kaiserslautern 50 Jahre Informatik-Standort. Seither haben tausende Studierende in dem Fachbereich ihr Studium in Informatik, Sozioinformatik oder Informatik auf Lehramt abgeschlossen. Kaiserslautern ist "einmalig", erläutert Prof. Christoph Garth, Dekan des Fachbereichs Informatik. "Hier greifen Forschung, Lehre und Anwendung eng ineinander."

Dekan Christoph Garth zu praktischen Erfolgen der IT-Forschung

Viele Absolventinnen und Absolventen hätten nach dem Studium Unternehmen in Kaiserslautern, aber auch der ganzen Welt gegründet, würden heute wichtige Professuren im ganzen Land innehaben.

Wir haben auch einen Google-Vizepräsidenten hervorgebracht. Prof. Christoph Garth, Dekan des Fachbereichs Informatik an der RPTU

Viele ehemalige Informatik-Studierende hätten durch ihre Start-ups den IT-Bereich in Deutschland stark geprägt, berichtet der Dekan.

Der Fachbereich Informatik an der Uni Kaiserslautern in Zahlen
Tausende Studierende haben in den vergangenen 50 Jahren an der Universität in Kaiserslautern ihren Abschluss in Informatik gemacht. Zur Zeit zählt der Fachbereich 1400 Studierende (davon 76 Prozent Männer) aus 64 Nationen und 195 Doktorandinnen und Doktoranden. Geforscht wird auf dem Campus und in den drei Forschungsinstituten. Um die insgesamt sieben Lehr- und Forschungsgebiete kümmern sich 26 Professorinnen und Professoren.

Viele arbeiten auch in den Forschungsinstituten im Umfeld der Uni, den beiden Fraunhofer-Instituten im Bereich Mathematik und Software, dem Max-Planck-Institut sowie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) – nach eigenen Angaben das weltweit größte unabhängige KI-Zentrum.

Grund 2: Kaiserslautern – ein guter Nährboden für Start-ups

Kein Wunder, dass Kaiserslautern 2005 mit dem Begriff "Silicon Woods", in Anlehnung an Silicon Valley, für die boomende IT-Wirtschaft warb. Schließlich schießen im Umfeld der Universität seit Jahrzehnten Unternehmen aus dem Boden. Viele haben ihren Sitz im Umfeld der Universität, im Business + Innovation Center (BIC) an der Trippstadter Straße oder auch in der Stadtmitte.

Blick auf die Informationstafel der ansässigen Firmen der Business Innovationscenter in der Trippstadter Straße in Kaiserslautern.

Blick auf die Informationstafel der ansässigen Firmen des Business Innovationscenter in der Trippstadter Straße in Kaiserslautern.

"Wir haben eine Uni, die Ausgründungen massiv unterstützt", sagt Prof. Martin Ruskowski, Vorstand des Forschungsvereins Smart Factory, der Abläufe in deutschen Fabriken effizienter machen will. Hilfe bietet den Jung-Gründerinnen und Gründern das Gründungsbüro von Hochschule und Uni Kaiserslautern. Sie würden auch durch das Exist-Gründungsstipendium des Bundes gefördert. "Im BIC werden den Start-ups dann günstige Räume zur Verfügung gestellt", berichtet Ruskowski.

Und so haben sich viele Start-ups und IT-Firmen hier angesiedelt: SeSeRo Systems sichert Navigation im Flugverkehr ab. Mobotix vertreibt Überwachungskameras. Viamon macht Sicherheitssysteme für Solaranlagen. Insight.Out entwickelt digitale Psychodiagnostik. ZReality programmiert 3D-Onlineauftritte. Refactum beschleunigt Abläufe in Produktionsbetrieben. Greenable versucht die Emissionen in Produktion und Lieferung zu reduzieren. Und dann sind da noch ThinkParQ, Humanetics, B4value.net, ThinkingApps, Casculate, Akknatek... die Aufzählung könnte noch lang weitergehen.

Eine Produktionsanlage mit Greifarm im Vordergrund, im Hintergrund beobachtet ein Mitarbeiter des Forschungsvereins Smart Factory Kaiserslautern die Abläufe.

Der Forschungsverein Smart Factory Kaiserslautern entwickelt gemeinsam mit Unternehmen Systeme für automatisierte Produktionsprozesse.

Allein aus Forschungsprojekten am KI-Zentrum DFKI sind viele Dutzende Firmengründungen hervorgegangen, über 100, wenn man alle DFKI-Standorte zusammennimmt. Als erste Gründung aus dem Lautrer Institut hebt DFKI-Chef Prof. Andreas Dengel Empolis hervor.

Grund 3: Kaiserslautern ist ein günstiges Pflaster

Ein weiterer Vorteil Lauterns als IT-Standort: "Kaiserslautern ist eine verhältnismäßig günstige Stadt zum Leben – eine hervorragende Voraussetzung", fasst es Martin Ruskowski von Smart Factory zusammen. "Wenn man in München gründen würde, sind die Mieten so gigantisch, dass man als Gründer nicht überleben kann." Dagegen seien Wohn- und Büroräume in Kaiserslautern vergleichsweise erschwinglich.

Außerdem habe man in Kaiserslautern kurze Wege: Die RPTU selbst, viele Unternehmen und die großen IT-Institute der Uni – das DFKI, das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) und das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme (MPI) – liegen teils nur einen Steinwurf voneinander entfernt.

Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) und das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) liegen an der Lautrer Trippstadter Straße nah beieinander.

Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) und das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) liegen an der Lautrer Trippstadter Straße nah beieinander.

Des weiteren sei man in Kaiserslautern aber immer noch nah genug an den Ballungsräumen Mannheim und Ludwigshafen gelegen, so Ruskowski. "Auch nach Stuttgart ist es nicht allzu weit oder nach Heilbronn, wo viel im KI-Bereich passiert." Das sei für Industrie-Projekte und Kooperationen sehr wichtig.

Grund 4: Marktreife IT-Lösungen made in Kaiserslautern

Erfolgsversprechend sei auch, dass hier in Kaiserslautern direkt an den praktischen Lösungen für Probleme gearbeitet wird, berichtet der Vorstand von Smart Factory. "Wir haben hier in Rheinland-Pfalz viele kleine Unternehmen, die man gut begeistern kann für gemeinsame Projekte."

Sein Forschungsverein habe deutschlandweit die Grundlage für die sogenannte "Industrie 4.0" gelegt – also den Trend hin zu digitalisierten und beschleunigten Produktionsprozessen.

Dass Lauterer Forschende Probleme lösen, die das Leben der Menschen direkt betrifft, das findet auch Prof. Andreas Dengel vom DFKI. Ein Team aus seinem Institut habe zum Beispiel in einem Projekt mit dem Bundeskriminalamt und dem Landeskriminalamt RLP zusammengearbeitet. "Wir haben ein System entwickelt, das im Staub von gesprengten Geldautomaten in Banken, Fußabdrücke automatisch erkennen und potentiellen Tätern zuordnen kann", berichtet Dengel.

DFKI-Chef Andreas Dengel erklärt, was den IT-Standort Kaiserslautern ausmacht

Dazu kämen KI-Systeme in der Landwirtschaft, die Ernte-Prognosen abgeben können – auf der Basis von Satellitenbildern. Gemeinsam mit einem Weinbauunternehmen hätte eines der DFKI-Forschungsteams auch einen KI-Assistenten für's Handy entwickelt, mit dem man in den Weinberg gehen und einen Rebstock abfilmen kann und dann Vorschläge erhält, wie man den Rebschnitt am besten durchführen sollte.

Grund 5: Die IT-Forschung und Entwicklung ist bestens vernetzt

"Wir verfügen hier über eine hervorragende Infrastruktur", schwärmt Martin Ruskowski von Smart Factory. Ein großer Pluspunkt Lauterns sei die gut vernetzte Branche zwischen Uni, Instituten und der Wirtschaft. Hier würden besonders gut unterschiedliche Disziplinen zusammen arbeiten: "Damit nicht immer nur einer auf ein Problem draufguckt, sondern Leute aus verschiedenen Fachbereichen, das hilft immens, über den Tellerrand zu schauen", so Ruskowski.

Um Vernetzung bemüht sich in Kaiserslautern auch die "Science and Innovation Alliance Kaiserslautern" (SIAK), die vor kurzem das neue Tech-Informationszentrum "42 Kaiserslautern" eröffnet hat. Das soll nicht nur ein Treffpunkt der Tech-Branche sein, sondern es sollen IT- beziehungsweise KI-Entwicklungen den Bürgerinnen und Bürgern näher gebracht werden. Ein Anliegen, das sicher helfen könnte, die aufwendige IT-Forschung aus Kaiserslautern verständlicher und bekannter zu machen.

Sendung am Sa., 29.3.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz