
Rheinland-Pfalz Welche Lehren ziehen Sie aus der Pandemie, Alena Buyx?
Schulschließung und Impfpflicht: Der Deutsche Ethikrat hatte eine wichtige beratende Funktion in der Corona-Pandemie. SWR Aktuell hat mit Alena Buyx über die Lehren aus der Pandemie gesprochen.
Die Medizinethikerin Alena Buyx war zu Pandemie-Zeiten als Vorsitzende des Deutschen Ethikrates eine gefragte Gesprächspartnerin und deshalb auch vielen Menschen im Land ein Name. Mit dem Deutschen Ethikrat gehörte sie in den Corona-Jahren zum engsten Beratergremium der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Wie für alle anderen war auch für die Medizinethikerin und ihre Kollegin die Pandemie eine ganz neue Erfahrung und eine neue Lebenswirklichkeit. Im Gespräch mit SWR-Moderatorin Daniela Schick schaut sie auf die Jahre zurück - und auf die Lehren, die man für eine potenzielle weitere Pandemie mitnehmen kann.
SWR Aktuell: Was würden Sie rückblickend vielleicht anders machen?
Alena Buyx: Wir haben vom Deutschen Ethikrat ganz klar gesagt, wir haben verpasst, was zu den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu sagen. Heute würden wir unterstreichen, dass das wirklich eine Gruppe ist, die wahnsinnig belastet ist in so einer Situation und dass man mit denen wirklich sehr, sehr vorsichtig und zurückhaltend umgehen muss.
SWR Aktuell: Die Schulen wurden sehr lange geschlossen, 74 komplette Schultage, das sind 15 Schulwochen. Wie blicken Sie darauf zurück?
Buyx: Wir haben damals zu den Schulschließungen nichts gesagt. Ich glaube, das ist eine der großen Lehren, dass man solche Maßnahmen - wenn eine Pandemie käme - dass man damit wirklich enorm zurückhaltend wäre, weil die Belastung der jungen Generation einfach über die Zeit dieser Pandemie immer mehr zugenommen hat.
Wir haben es verpasst, etwas zu den Kindern zu sagen. Alena Buyx, frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats
SWR Aktuell: Es gab das Verbot, gemeinsam auf einer Parkbank zu sitzen - ist nicht so eine Maßnahme, wenn man jetzt fünf Jahre danach draufschaut, völlig übertrieben?
Buyx: Also, da habe ich lustigerweise schon damals in einer Talkshow was dazu gesagt. Diese Draußen-Maßnahmen sind inzwischen von den meisten Expertinnen und Experten die Beispiele, die wirklich schon damals keine gute Idee waren.
SWR Aktuell: Das Thema Impfen wurde sehr kontrovers diskutiert. Es gab eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Das Impfen wurde auch als Schlüssel raus aus der Pandemie gesehen. Wie kontrovers hat der Ethikrat das damals diskutiert?
Buyx: Wir haben sehr kontrovers die allgemeine Impfpflicht diskutiert. Bei der Impfpflicht für die Berufsgruppen waren wir einstimmig. Wir haben ein Papier gemacht, dass die Argumente für und gegen eine allgemeine Impfpflicht dargelegt hat, um das alles transparent zu machen. Insgesamt waren wir als Gremium dafür, aber wir haben aufgezeigt, wie man da ringen muss und dass es für beide Wege gute Argumente gibt.
SWR Aktuell: Der Ethikrat wurde dafür kritisiert, zu bejahend gewesen zu sein zu manchen Maßnahmen der Bundesregierung. Hätten Sie im Nachhinein vielleicht eher mal auf den Tisch gehauen, um mehr die Position der Bürger zu beziehen?
Buyx: Ich würde das tatsächlich so gar nicht annehmen. Ich finde, wir waren nicht bejahend. Wenn man sich die Papiere, wenn man sich die Aussagen wirklich anguckt und nicht das Getöse, das zum Teil in der Öffentlichkeit abgegangen ist, dann sieht man das auch, dass wir wirklich sehr häufig sehr abwägend waren und uns immer bemüht haben, die Argumente in alle verschiedenen Richtungen darzulegen. Also deswegen bedauere ich das, dass dieser Eindruck entstanden ist. Aber ich glaube, meine Kolleginnen und Kollegen und ich würden das eigentlich nicht annehmen.
SWR Aktuell: Ganz kurz zum Schluss: Sie haben gesagt Schulschließungen sehen Sie jetzt auch sehr kritisch, vielleicht noch eine Lehre aus der Pandemie?
Buyx: Ich muss wieder dasselbe sagen: Mit den ganz Jungen und mit den ganz Alten muss man in einer solchen Krise wahnsinnig vorsichtig umgehen. Also Maßnahmen sollten die am wenigsten betreffen.