Pfälzer Flüchtlingshelfer kritisieren Grenzkontrollen und Abschiebungen

Rheinland-Pfalz Was Pfälzer Flüchtlingshelfer von Grenzkontrollen und Abschiebungen halten

Stand: 18.09.2024 06:56 Uhr

Grenzkontrollen und Abschiebungen: Der politische Ton hat sich deutlich verschärft für Menschen, die hier Schutz suchen. Was halten eigentlich Pfälzer davon, die sich für Geflüchtete engagieren?

"Die Diskussion ist mir zu oberflächlich und sie schürt mir zu viele zusätzliche Ängste", sagt Helmut Guggemos. Er ist Integrationsbeauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz und Referent für Migration und Integration beim Diakonischen Werk in Speyer.

Helmut Guggemos zu aktueller Flüchtlingspolitik

Warnung vor "schnellen Lösungen"

Er habe volles Verständnis, dass wir als Menschen vor Fremdem und auch vor fremden Menschen Angst hätten. Trotz der islamistischen Angriffe auf einen Polizisten in Mannheim und der tödlichen Messerattacke auf dem Stadtfest in Solingen hält Helmut Guggemos nichts von politischen Schnellschüssen: "Wenn jetzt von politischer Seite schnell Lösungen präsentiert werden, die dann aber, wenn man sie näher überprüft, gar nicht wirklich umgesetzt werden können in der Realität, dann wird auch die Politikverdrossenheit in Zukunft noch mehr zunehmen", ist sich der Migrationsexperte sicher.

Grenzkontrollen können insgesamt Zuwanderung nicht stoppen. Helmut Guggemos, Integrationsbeauftragter der Ev. Kirche der Pfalz

Helmut Guggemos hält beispielsweise nicht viel von den aktuellen Grenzkontrollen. Er glaubt nicht, dass die Kontrollen die Zuwanderung stoppen können: "Weil Geflüchtete an der Grenze sagen werden, dass sie Asyl beantragen in Deutschland. Und dann muss auch der Grenzbeamte die Tür öffnen und den Zugang gewähren, denn das legt unser Grundgesetz nahe."

Das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen - auch davon hält Guggemos gar nichts: "Das Asylrecht ist im Grundgesetz verankert in Artikel 16 - und es geht hier um die Menschenwürde!" Das berge außerdem die Gefahr, dass nach den Migranten womöglich eine andere Gruppe ins Visier genommen werde, und deren Grundrechte eingeschränkt werden sollen. "Wie zum Beispiel von langzeitarbeitslosen Menschen."

Aber wie sollen Menschen in Deutschland vor Angriffen mit Messern oder anderen Waffen geschützt werden? Statt radikaler Abschiebungen solle die Politik mehr in innere Sicherheit investieren, schlägt der Flüchtlingsexperte vor, das heißt in Personal bei den Behörden und bei der Polizei. So könnten auch die Sozialen Medien stärker kontrolliert werden, um zu verhindern, dass dort Radikalisierungen stattfinden. Das betreffe auch "gewisse Gemeinden, wo Hassprediger leider bis heute noch sprechen können. Denn internationale Terrororganisationen haben Europa und Deutschland im Visier. Es geht darum zu verhindern, dass sie hier Täter rekrutieren können," sagt Helmut Guggemos.

Und er ergänzt: "Man muss gegen Kriminalität kämpfen, aber nicht gegen geflüchtete Menschen."

Auch andere Pfälzer, die sich um Flüchtlinge kümmern, sehen die aktuelle Politik der Bundesregierung mit großer Sorge. Roland und Liane Heiter aus dem pfälzischen Hanhofen engagieren sich seit Jahren für geflüchtete Menschen. "Die AfD treibt die Bundesregierung vor sich her. Das, was schnell beschlossen wurde, ist Aktionismus, der auf lange Sicht nichts bewirkt", sagt Roland Heiter.

Und Heiter ist sicher: "Menschen können sich nur integrieren, wenn sich jemand um sie kümmert – da müssen von der Politik die Ehrenamtlichen gestärkt werden. Das wäre dann auch ein Schutz vor Attentaten wie in Solingen und Mannheim."

Marianne Speck

Marianne Speck aus Ludwigshafen kümmert sich schon seit mehr als 30 Jahren um geflüchtete Menschen. Die aktuelle Flüchtlingspolitik sieht sie sehr kritisch.

Auch Marianne Speck aus Ludwigshafen sieht die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sehr kritisch. Sie engagiert sich seit mehr als 30 Jahren für geflüchtete Menschen und hat die Bürgerinitiative "Respekt: Menschen" gegründet, die heute ein gemeinnütziger Verein ist. Zum Thema Grenzkontrollen sagt Marianne Speck: "Die Schlepper werden neue Wege finden - und die Kontrollen führen nur zu Streit mit den Nachbarländern."

Aus Sicht von Marianne Speck dient die aktuelle Diskussion um Grenzkontrollen und Abschiebungen der Abschreckung und habe "innen- und parteipolitische Gründe." Alle Parteien wollten von anderen Problemen ablenken - wie beispielsweise fehlenden Kita-Plätzen.

Migrationsexperte wünscht sich Rückkehr zu sachlicher Debatte

Trotz der Kritik an der aktuellen Politik bleibt der Integrationsbeauftragte der Evangelischen Kirche Helmut Guggemos zuversichtlich: "Weil es sich momentan um eine hitzige Debatte handelt und die wird abkühlen." Wichtig sei aber, dass man zu einer sachlichen Debatte zurückkehre und dabei in den Blick nehme, wofür wir in Deutschland schon lange sorgen müssten: "Nämlich für genügend Kita-Plätze, für genügend Plätze in den Schulen, für genügend Wohnraum."

Helmut Guggemos ist sicher: "Wenn wir in unserem Land genügend für unsere Bürgerinnen und Bürger sorgen, dann haben auch in Ostdeutschland niemand oder zumindest weniger Personen Angst, abgehängt zu werden. Und dann ist auch der Sozialneid weniger. Und dann haben auch Parteien weniger Chancen, die populistisch vorgehen und rechtsradikale Tendenzen haben. Und es wird dann hoffentlich so sein, dass sie wieder zurückgedrängt werden - zu einer Minderheit."

Wir sollten wieder mehr Flagge zeigen und auch auf die Straße gehen für unsere Grundüberzeugungen. Helmut Guggemos, Integrationsbeauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz

Helmut Guggemos und auch andere Menschen, die sich um Geflüchtete in der Pfalz kümmern, wünschen sich, dass mehr Menschen gegen Fremdenhass aufstehen. "Wir Menschen, die wir uns einsetzen für Demokratie und Menschenfreundlichkeit, sollten wieder mehr Flagge zeigen und auch auf die Straße gehen für unsere Grundüberzeugungen."