Rheinland-Pfalz Führerschein weg? EU plant einheitliche Regeln für Verkehrssünder
Wer in einem EU-Land die Verkehrsregeln missachtet, könnte bald in ganz Europa seinen Führerschein verlieren. Darauf haben sich die Verkehrsminister der EU geeinigt. Auch viele Berufspendler in Rheinland-Pfalz könnten davon betroffen sein.
Führerschein weg wegen überhöhter Geschwindigkeit im Urlaub oder beim Pendeln in ein Nachbarland? Wer etwa in Frankreich, Italien oder Luxemburg seine Fahrerlaubnis abgeben musste, durfte bisher nach der Überquerung der Grenze wieder ans Steuer. Das Fahrverbot galt unabhängig von der Dauer in der Regel nur in dem Land, in dem es verhängt worden war. Das soll sich nun ändern.
"Wenn jemand den Führerschein in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union verloren hat, weil er gegen Straßenverkehrsvorschriften massiv verstoßen hat, dann soll er oder sie überall nicht fahren dürfen", sagt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos).
Betroffen wären Autofahrer, die schwere Delikte begangen haben wie etwa Alkohol- oder Drogenfahrten oder Unfälle mit Toten. Aber auch stark überhöhte Geschwindigkeit gehört zum Katalog der Verstöße, die EU-weit mit einem Fahrverbot bestraft werden sollen.
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Doch wie sehen die geplanten EU-Regelungen im Einzelnen aus?
Um diese Verkehrsverstöße geht es
Der Führerschein soll der geplanten EU-Richtlinie zufolge entzogen werden, egal in welchem Land ein Verstoß registriert wurde, bei folgenden Verstößen:
- Trunkenheit und Drogen am Steuer
- Unfälle mit Todesfällen
- Übermäßigem Rasen ab einer Überschreitung der Geschwindigkeit von mehr als 50 Kilometern pro Stunde außerhalb geschlossener Ortschaften
- innerorts ab 30 Kilometern pro Stunde über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit.
- allen Fahrverboten ab drei Monaten Länge
Beispiele:
- Im Nachbarland Luxemburg gilt innerorts eine Geschwindigkeit von 50 km/h. Wenn man mit mehr als 80 km/h geblitzt wird, wäre in diesem Fall der Führerschein weg. Auch in Deutschland dürfte man dann nicht mehr fahren. Auf Landstraßen gilt Tempo 90. Hier wäre der Lappen fällig, wenn man mit mehr als 140 km/h erwischt wird. Auf Autobahnen darf man 130 km/h fahren. Wen die Polizei mit mehr als 180 km/h ertappt, wäre dann EU-weit von einem Fahrverbot betroffen.
- Die Promillegrenze für Alkohol liegt in Luxemburg wie bei uns bei 0,5. Fahranfänger, die ihre Fahrerlaubnis weniger als zwei Jahre besitzen, dürfen nur 0,2 Promille Alkohol im Blut haben. Da in Deutschland ebenfalls die 0,5-Promille-Grenze gilt, würde der Betroffene auch bei uns nicht mehr fahren dürfen, wenn er in Luxemburg erwischt wird. Allerdings ist die Promillegrenze für Fahranfänger in Deutschland strenger. Hier dürfen sie in der zweijährigen Probezeit überhaupt keinen Alkohol trinken. Das gleiche gilt generell für Fahrer unter 21 Jahren.
Diese Ausnahmen sind vorgesehen
Wenn das Verkehrsdelikt in dem Land, in dem der Führerschein ausgestellt wurde, nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis führt, kann der Verkehrssünder seinen Führerschein behalten.
Wer also als deutscher Fahranfänger in Luxemburg mit maximal 0,2 Promille Alkohol im Blut erwischt wird, dürfte dort weiterfahren und würde auch dann in Deutschland nicht weiter belangt. Aber auch ein Luxemburger Fahranfänger, der mit 0,2 Promille in Deutschland erwischt wird, dürfte seinen Führerschein behalten. Denn bei Fahrverboten gelten immer die Regeln des Landes, das den Führerschein ausgestellt hat - also in dem Fall Luxemburg.
Sollte in dem Mitgliedsland, in dem der Führerschein ausgestellt wurde, auf ein Verkehrsdelikt kein Führerscheinentzug drohen, sondern nur eine zeitweilige Aufhebung der Fahrerlaubnis, kann das betreffende Land den Plänen zufolge entsprechende Maßnahmen ergreifen. So soll es beispielsweise möglich sein, Fahreignungsprüfungen anzuordnen.
"Lappen" weg - das können Betroffene tun
Grundsätzlich wird eine Fahrerlaubnis auf Lebenszeit erteilt. Bei schwerwiegenden Verkehrsdelikten können Behörden den Führerschein jedoch auf Zeit oder auf Dauer entziehen, wenn Zweifel an der charakterlichen Eignung des Fahrers oder der Fahrerin bestehen.
Betroffene haben nach dem Führerscheinentzug einen Monat Zeit, um Widerspruch dagegen einzulegen - in Deutschland in der Regel bei der zuständigen Kreisverwaltung am Wohnort. Sollte man seinen Führerschein auf diesem Weg nicht zurück bekommen, kann man beim zuständigen Verwaltungsgericht dagegen klagen.
Wer vor Gericht keinen Erfolg hatte, kann nach einer bestimmten Frist - in Deutschland mindestens sechs Monate - beantragen, seinen Führerschein zurückzubekommen. Die Behörden können dann einen psychologischen Test anordnen, in dem auch die charakterliche Eignung der Fahrerin oder des Fahrers überprüft wird - den so genannten Idiotentest. Auch hierfür sind die Behörden zuständig, die den Führerschein ausgestellt haben - also in Deutschland die Führerscheinstellen bei den Kreisverwaltungen.
Darum wollen die EU-Minister die Neuregelung
Auf den Straßen der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr mehr als 20.000 Menschen ums Leben gekommen und damit quasi so viele wie 2022. Selbstgestecktes Ziel der EU ist es eigentlich, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 zu halbieren. Um das zu erreichen, müsste die Zahl der Verkehrstoten jährlich um 4,5 Prozent sinken.
Fahrlehrer in Rheinland-Pfalz begrüßen die geplante Änderung
Der Fahrerlehrerverband Rheinland mit Sitz in Koblenz begrüßt die EU-Pläne auf SWR-Anfrage ausdrücklich. Ein Fahrverbot oder der Führerscheinentzug würden ja nicht für Bagatelldelikte ausgesprochen sondern nur dann, wenn es zu schweren Verstößen komme, teilte der Erste Vorsitzende, Joachim Einig, mit. "Wenn es dadurch europaweit nur einen Verkehrstoten oder Verletzten weniger gibt, war das Vorhaben zielführend", so Einig.
ADAC sieht noch offene rechtliche Fragen
Auch der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) sieht die EU-Pläne grundsätzlich positiv. Ziel sei es, schwerwiegende Verkehrsdelikte, die zum Entzug der Fahrerlaubnis führen, auch über Ländergrenzen hinweg nachzuverfolgen, hieß es. Dies habe auch eine verkehrserzieherische Wirkung, teilte Pressesprecher Alexander Schnaars dem SWR mit.
Es gebe aber auch noch offene Fragen: So seien die Voraussetzungen für einen Führerscheinentzug in den 27 Mitgliedsstaaten sehr verschieden. Dies erschwert aus Sicht des ADAC die praktische Umsetzung der EU-Pläne und die beabsichtigte Wirkung.
Unerlässlich sei auch, dass betroffene Personen bereits im Tatortland transparent und in einer für sie verständlichen Sprache über den Führerscheinentzug und mögliche Rechtsmittel dagegen informiert werden müssten. Nur so könne ein effektiver Rechtsschutz für sie gewährleistet werden.
Auch wäre es sinnvoller, die Zuständigkeit für den Führerscheinentzug auf den Staat zu übertragen, in dem die Betroffenen leben und nicht auf den Ausstellerstaat, wenn beide nicht identisch sind. Denn möglicherweise hätten die Betroffenen gar keine Beziehungen mehr zu dem Land, in dem der Führerschein ursprünglich ausgestellt wurde, so der ADAC.
Mehrheit im EU-Parlament zeichnet sich ab
Das ebenfalls an der Gesetzgebung beteiligte Europaparlament hatte seine Position zu dem Vorhaben bereits im Februar festgelegt. Grundsätzlich will auch das Parlament, dass schwere Verkehrsdelikte künftig EU-weite Auswirkungen haben. Debatten wird es vermutlich um Detailregelungen geben.
Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine EU-Richtlinie, die Vorgaben müssen also noch in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür gibt es Übergangsfristen. Diese liegen in den meisten Fällen bei zwei Jahren. So lang hätte der deutsche Gesetzgeber Zeit, die EU-Richtlinie in Bundesrecht zu überführen.
Sendung am Do., 5.12.2024 16:00 Uhr, Der Tag in RLP, SWR1 Rheinland-Pfalz