Inklusion in Schulen

Nordrhein-Westfalen NRW-Lehrkräfte fordern mehr Unterstützung für Inklusion

Stand: 02.06.2025 13:22 Uhr

Lehrer in NRW sind laut einer Umfrage unzufrieden, wie es mit der Inklusion läuft. Der Lehrerverband fordert mehr Fachkräfte.

Von Philip Raillon

In nordrhein-westfälischen Schulen sollen alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen können. Egal, ob sie besonderen Förderungsbedarf haben oder nicht. Das ist seit einigen Jahren der gesetzliche Regelfall. Doch diese Inklusion laufe nicht sonderlich gut, meinen viele Lehrkräfte. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Lehrerverbands Bildung und Erziehung (VBE) ergeben, die dem WDR vorliegt. Demnach sind vier von fünf befragten Lehrern unzufrieden mit der NRW-Inklusionspolitik.

Ist Inklusion gescheitert?

Dabei äußern viele Lehrer zwei zentrale Kritikpunkte: Zu große Klassen, zu wenig Personal. In NRW seien die Inklusionsklassen bundesweit am größten. Durchschnittlich seien es 21 Kinder pro Klasse, davon im Schnitt 4,5 mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.

Viele Lehrer arbeiten alleine in Inklusionsklassen

Außerdem wünschen sich laut der Umfrage viele Lehrer mehr Unterstützung. Sie fordern eine konsequente Doppelbesetzung. Heißt: eine Lehrkraft und ein Sonderpädagoge pro Klasse - und zwar dauerhaft. Das klappe in den NRW-Schulen bislang aber nur selten. Lediglich zwei Prozent der Lehrer gaben an, immer zu zweit in der Klasse zu sein, 69 Prozent sind es manchmal, der Rest stehe immer alleine vor der Klasse.

"Darunter leiden dann alle Schüler, egal wie groß der Förderbedarf ist", sagt die NRW-VBE-Vorsitzende Anne Deimel. Viele Lehrer fühlten sich daher allein gelassen. Das sei besonders bitter, weil die Unterstützung für gemeinsames Lernen in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Laut der Umfrage finden fast zwei Drittel der befragten NRW-Lehrer Inklusion richtig. Der Wert liegt damit leicht über dem Bundesschnitt.

VBE fordert landesweit multiprofessionelle Teams an den Schulen

Der VBE fordert nun konkrete Maßnahmen, um die Inklusion zu verbessern. Das fange bei den Gebäuden an, die oft nicht barrierefrei seien. Außerdem brauche es eine bessere Aus- und Fortbildung. Nur die könne die Lehrkräfte darauf vorbereiten, wie sie mit sozial- und emotionalauffälligen Kindern umgehen. Sonst könne es jeden Tag passieren, dass einzelne Schüler den gesamten Unterricht sprengen, so Verbandsvorsitzende Deimel.

Außerdem brauche es an allen Schulen in NRW multiprofessionelle Teams. Dazu gehören neben Lehrern und Sonderpädagogen auch Sozialarbeiter. "Das ist eigentlich ein gutes Ergebnis der Umfrage: Fast zwei Drittel der Lehrer haben gesagt, sie hätten so etwas schon bei sich an der Schule. In zehn Prozent der Inklusionsschulen fehlt es aber noch komplett", sagt VBE-Landesvorsitzende Anne Deimel.

Regierungsfraktionen: Handlungsbedarf bei der Inklusion

Als Reaktion kündigt das CDU-geführte Bildungsministerium ein neues Konzept an: Bald soll es Musterinklusionskonzepte geben, von denen dann alle Schulen profitieren könnten. Außerdem möchte das Ministerium den Test anpassen, mit dem der besondere Förderbedarf ermittelt und festgestellt wird.

Dorothee Feller, CDU, Ministerin für Schule und Bildung, NRW

Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU)

Der Test soll verschlankt werden, was mehr personelle Ressourcen schaffe. "Es geht darum, allen - unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen - den Zugang zu guter Bildung zu ermöglichen", sagt Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU).

Die CDU-Landtagsfraktion versteht die Forderung des VBE zwar, verweist aber auf den Fachkräftemangel. "Kleinere Klassen zum Beispiel sind aktuell schlicht nicht möglich", so die schulpolitische Sprecherin Claudia Schlottmann. Sie verweist auf 7400 neugeschaffene Stellen für Fachkräfte und bittet um Geduld. Der Koalitionspartner von den Grünen will die Lehrer genauer qualfizieren. "Es braucht klare politische Prioritäten", so die Grüne Landtagsabgeordnete Lena Zingsheim-Zobel.

Opposition fordert mehr Tempo

Die FDP-Opposition fordert schnellere Maßnahmen. "Die Umfrage ist ein Weckruf", sagt FDP-Politikerin Franziska Müller-Rech. Die schwarz-grüne Landesregierung habe in den vergangenen drei Jahren zu wenig gemacht. Aktuell überlasse die Landesregierung Schule, Familie und Schulträger - also die Städte - sich selbst.

Ähnlich sieht das Fazit der SPD-Fraktion im Landtag aus. Deren schulpolitische Sprecherin Dilek Engin attestiert der Landesregierung "Trippelschritte". Stattdessen müsse die Regierung dringend den angekündigten Aktionsplan vorlegen und für mehr Fachkräfte sorgen.

Quellen:

  • Repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des VBE
  • WDR-Interview mit der VBE-Landesvorsitzenden Anne Deimel
  • WDR-Anfragen an die Landtagsfraktionen

Über dieses Thema berichtet der WDR am 02.06.2025 auch in seinen Hörfunknachrichten.