
Nordrhein-Westfalen Hochwasserkatastrophe 2021: Das steht im Entwurf des Landtags-Berichts
Der Landtag untersucht, ob die Regierung in der Katastrophe Fehler gemacht hat. Ein Berichtsentwurf kritisiert vor allem die CDU.
Knapp vier Jahre nach der Hochwasserkatastrophe mit 49 Todesopfern in NRW steht die politische Aufklärung kurz vor dem Ende. Im zuständigen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) gibt es nun einen Entwurf für den Abschlussbericht. Er liegt dem WDR vor. Der Ausschuss soll "mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und mögliches Fehlverhalten" der damaligen Landesregierung aus CDU und FDP untersuchen.
"Bevölkerung wurde nicht oder zu spät gewarnt"
Der Berichtsentwurf fasst die Erkenntnisse aus Zeugenbefragungen und Regierungsunterlagen zusammen, die der PUA in gut drei Jahren gewonnen hat. Demnach hätten Warnsysteme "nicht in ausreichendem Maße funktioniert". "Ein erheblicher Anteil der Bevölkerung wurde nicht oder zu spät gewarnt", heißt es in dem Papier.
Außerdem habe die Abstimmung zwischen kommunalen, Landes- und Bundesbehörden nicht gut geklappt. Der Ausschuss empfehle deshalb die Einrichtung "einer landesweiten nicht-polizeilichen Koordinierungsstelle für Großschadenslagen". Außerdem wird ein besserer Schutz der kritischen Infrastruktur gefordert. Das betrifft etwa Brücken, Strom- und Trinkwasserversorgung oder den Verkehr.
Kein Krisenstab eingerichtet
In dem Papier wird auch kritisiert, dass die Landesregierung in der Katastrophe keinen hochrangig besetzten Krisenstab einrichtete - sondern lediglich eine Koordinierungsgruppe, die formal nicht zu weitreichenden Entscheidungen befugt ist. Es hält auch fest, dass das zuständige Innenministerium "trotz des Ernstfalls keine landesweite Unwetterwarnung" aussprach.
Als Gegenmaßnahme wird eine Anpassung der Katastrophenschutzgesetze empfohlen. "Das zuständige Ministerium muss verpflichtet werden, bei landesweiter Bedrohung umgehend Meldungen über Rundfunk, Warn-Apps und soziale Medien zu veranlassen", heißt es.
Deutliche Kritik an der Regierungs-CDU
Der Berichtsentwurf stammt aus der Feder des Ausschuss-Vorsitzenden Sven Wolf. Er gehört der SPD-Fraktion an, ist in dieser Funktion aber zur Überparteilichkeit verpflichtet. Das gilt auch für den Abschlussbericht.
Mehrere Stellen des Entwurfs dürften bittere Pillen für die CDU sein. Sie führt heute wie damals die Landesregierung. Ihr Verhalten kritisiert das Papier teils scharf.
So habe es in der Katastrophe "gravierende Defizite in der Führung, Koordination und Warninfrastruktur gegeben". Die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses hätten "keine entlastenden Beweise für das Krisenmanagement der Landesregierung" hervorgebracht. Dass Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) in der heißen Phase nicht mit Innenminister Herbert Reul (CDU) kommuniziert hat, deute "auf erhebliche Koordinationsmängel im Kabinett hin".
Heinen-Esser musste nach "Mallorca-Affäre" zurücktreten

Ursula Heinen-Esser (CDU) (Archiv)
Vor allem Heinen-Essers Verhalten kritisiert das Dokument. Sie hatte ihren Mallorca-Urlaub nur kurz unterbrochen, kehrte nach rund 24 Stunden am 16. Juli wieder an ihren Ferienort zurück. Wegen dieser "Mallorca-Affäre" war sie im Frühjahr 2022 zurückgetreten.
"Ihr Fernbleiben während der Krisenlage schadete dem öffentlichen Vertrauen", heißt es dazu im Berichtsentwurf. Nicht erwähnt wird dagegen das Vorgehen von Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU). Ihr Haus hatte dem Untersuchungsausschuss immer wieder gewünschte Akten nicht geliefert und so gegen die Landesverfassung verstoßen.
Vor der Katastrophe sei von der Landesregierung "die drohende Gefahr nicht erkannt" worden, geplante Reformen für einen besseren Schutz der Menschen in NRW hätten "bis zum Ende der vergangenen Legislaturperiode jedoch kaum praktische Umsetzung gefunden", heißt es weiter. Und schließlich: "Insgesamt zeigt sich, dass die Landesregierung nicht in Gänze ausreichend auf das Extremereignis vorbereitet war."
Intensive Verhandlungen stehen an
Wie viele dieser Passagen aus dem Entwurf, die die damalige schwarz-gelbe Landesregierung kritisieren, werden sich im endgültigen Abschlussbericht finden? Das wird in den nächsten Tagen Gegenstand intensiver Verhandlungen sein.
Einen Vorgeschmack darauf gab Thomas Schnelle, der Sprecher der CDU-Fraktion im Ausschuss. Er sprach in einer ersten Reaktion von einem bislang "unkorrigierten Bericht", der zudem "etliche Fehler" enthalte. René Schneider, der Sprecher der SPD-Fraktion, sagte, das Papier scheine auf den ersten Blick "den kleinsten gemeinsamen Nenner abzubilden, bei dem wir durchaus mitgehen könnten."
Der Entwurf des Vorsitzenden geht nun an die fünf Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und AfD, die sich den Bericht genau anschauen und Änderungswünsche erarbeiten. Auf deren Basis werden die Fraktionen versuchen, sich auf Formulierungen zu einigen. Am Ende wird der Abschlussbericht per Abstimmung vom Untersuchungsausschuss beschlossen, das soll am 17. Juni geschehen.
Im Ausschuss hat die aktuelle schwarz-grüne Landesregierung die Mehrheit. Die FDP, die zur Zeit der Katastrophe noch regierte, ist inzwischen in der Opposition.
Unsere Quellen:
- Entwurf Abschlussbericht des "PUA Hochwasserkatastrophe"
- Reaktionen Schnelle und Schneider
- Eigene Recherche
Über dieses Thema berichtet der WDR auch im Hörfunk: Im WDR5 "Westblick" am 05.06.2025 ab 17:05 Uhr.